Erfahrung zwischen Gift und Galle: Altes Heilkundewissen wird im Apotheker-Kräutergarten kultiviert und der Öffentlichkeit näher gebracht
„Ich kann euch lehren, wie man Ruhm in Flaschen füllt, Ansehen zusammenbraut, sogar den Tod verkorkt“, verheißt Professor Severus Snape Harry Potter und den anderen Schülern auf der Zaubererschule Hogwarts. Anders als dort geht im Kräutergarten der Apotheker zwar alles mit rechten Dingen zu, aber auch hier liegt ein Hauch von Magie in der Luft: Es ist Wissen aus der uralten Kräuterheilkunde und der modernen Pharmazie – gemischt mit historischen Anekdoten –, das eine Führung durch das 300 Quadratmeter große Areal so spannend macht.
„Das hier ist der Mönchspfeffer“, erklärt Kornelia Seiwald und lächelt, bevor sie fortfährt: „Den legte man früher den Mönchen unter die Matratzen, weil ihm eine Libido senkende Wirkung zugeschrieben wurde.“ Heutzutage findet der Wirkstoff aus dem Mönchspfeffer übrigens Anwendung in der Homöopathie – und zwar genau, um das Gegenteil zu erreichen, also um Lust anzufachen. Kornelia Seiwald streicht sanft über die dünnen, länglichen Blätter des Mönchspfeffers und zieht die Gruppe von Zuhörern dann weiter, in den Bereich der Frauenleiden.
Im 300 Quadratmeter großen Apotheker-Kräutergarten im Botanischen Garten an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg werden in Kooperation mit den Studenten 300 Heilpflanzen kultiviert. Bis zum 30. August führen kundige Apotheker Interessenten durch den nach Anwendungsbereichen geordneten Garten. Offiziell dauern diese Führungen zwei Stunden, aber meistens wird es etwas länger – einfach weil es so viel zu sagen gibt.
Mönchspfeffer unter der Matratze
Kornelia Seiwald ist die Salzburger Vizepräsidentin der Apothekerkammer und nicht nur eine wahre Expertin in Sachen Kräuterheilkunde, sondern auch eine, die dieses Wissen besonders gerne vermittelt. „Immer noch gibt es jedes Jahr ein paar Fälle, in denen Bärlauch und Herbstzeitlose verwechselt werden – mit lebensgefährlichen Folgen. Mit unserem Kräutergarten wollen wir Interessierte aufklären, worauf sie beim Sammeln von Kräutern oder Heilpflanzen in der Natur achten müssen – und das betrifft natürlich nicht nur die Herbstzeitlose.“
Woran man die echte Kamille erkennt
Denn auch die echte Kamille gehört zusammen mit Arnika zu den am häufigsten verwechselten Pflanzen. „Die echte Kamille erkennt man an ihrem kegelförmigen Kopf“, erläutert Kornelia Seiwald und streckt den Besuchern eine abgezupfte Blüte der „Matricaria Chamomilla“ zwischen Daumen und Zeigefinger entgegen. Dann schlitzt sie die Blüte auf und zeigt einen Hohlraum her, der ein eindeutiges Erkennungszeichen für die echte Kamille ist. „Und lassen Sie sich nicht vom Geruch täuschen, denn auch andere Kamillenarten können genauso riechen wie die echte – aber die entzündungshemmende Wirkung bleibt dann aus oder es kommt sogar zu unerwünschten Wirkungen“, warnt die Expertin. Eine Pflanze geht ihr selbst im Apotheker-Kräutergarten übrigens ab: die schon genannte Arnika, denn die lässt sich hier nicht kultivieren, sie bevorzugt höhere Lagen.
Worauf Achilles seine verwundete Ferse bettete
Die Gruppe ist inzwischen bei den „Frauenleiden“ angekommen. Dort wächst und gedeiht unter anderem der „Frauenmantel“, dessen Wirkstoff sowohl gegen Menstruationsbeschwerden als auch zur Geburtsvorbereitung eingesetzt wird. Seinen Namen verdankt er der charakteristischen Form seiner Blätter, die an die wagenradähnlichen Mäntel aus dem Mittelalter erinnern. Lateinisch heißt er Alchemilla, weil die auf den Blättern gesammelten Tautropfen von den Alchemisten zur Herstellung von Gold verwendet worden sind. „Ob das funktioniert, ist mir unbekannt – ich habe es noch nicht ausprobiert“, antwortet Kornelia Seiwald noch bevor der erste aus der Gruppe die Frage stellt.
Und noch eine Pflanze mit sagenhafter Namensgebung: Die entzündungshemmende und schmerzstillende Schafgarbe mit ihren tausendgliedrigen Blättern war es, die Achilles auf seine verletzte Ferse auftrug – sie hört deshalb auf den lateinischen Namen „Achillea millefolium“.
Pflanze als Blitzableiter?
Die Tour durch den Kräutergarten geht weiter, auf mit Rindenmulch ausgelegten Wegen geht es vorbei am hochgiftigen Fingerhut – dessen Extrakt herzstärkend wirkt – über Johanniskraut und Baldrian, die gegen nervöse Beschwerden helfen, über die Weidenrinde, aus deren Inhaltsstoff Salicin die in Aspirin vorhandene Salicylsäure gewonnen wird, bis hin zur Mariendistel. Sie wächst im Anwendungsbereich „Leber/Galle“ und enthält den einzigen Wirkstoff, der – als Ampulle, die in den Körper injiziert wird – gegen eine Knollenblätterpilzvergiftung (bei der die Leberzellen zersetzt werden) helfen kann, „wenn er rechtzeitig zur Anwendung kommt“, weiß Expertin Kornelia Seiwald.
Zum Abschluss noch ein kleines Rätsel: Welcher Pflanze wurde zu Paracelsus‘ Zeiten eine Schutzwirkung für Häuser – angefangen vom Blitzableiter bis zum Schutz vor Seuchen und Krankheiten – zugeschrieben? Der gemeinen Hauswurz – sie wurde deshalb am Dach gepflanzt.
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