Sepp Schartmüller
Autor im Interview – "Sie glauben nicht, was los ist"

Sepp Schartmüller, pensionierter Rechtsanwalt, ist Autor des Buches "Der Brunnen". | Foto: Privat
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  • Sepp Schartmüller, pensionierter Rechtsanwalt, ist Autor des Buches "Der Brunnen".
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"Der Brunnen" – das Buch von Sepp Schartmüller sorgt für viel Aufsehen.

PREGARTEN. Im November des vorigen Jahres brachte Sepp Schartmüller das Buch "Der Brunnen" heraus, das die Nazizeit in Pregarten thematisiert und in dem Realität und Fiktion verschwimmen. Wir haben den pensionierten Juristen zum Interview gebeten.

Herr Schartmüller, wie hat sich das Buch "Der Brunnen" bislang verkauft?
Beim Druckauftrag war ich noch skeptisch. Ich dachte an die Regionalität des unangenehmen Themas und an die begrenzte Interessentenschicht. Alles daneben! Die Bestellungen kamen beileibe nicht nur aus dem Raum Pregarten, sondern aus dem ganzen Mühlviertel, aus dem Waldviertel, ja sogar aus dem Ausland. Gerade Jüngere haben sich das Buch gekauft, sodass ich bald an eine zweite Auflage denken darf.

Welche Reaktionen haben Sie erhalten?
Sie glauben nicht, was seit dem Erscheinen los ist. Das beginnt bei Anrufen am Sonntagnachmittag, wenn man beim Spaziergang in Pregarten nach Tipps bei der Suche nach dem Brunnen fragt, und geht hin bis zu konspirativen Treffen bei Nacht und Nebel, wo mir Informationen über den Rauchfangkehrermeister Hanausek zugespielt werden, ohne dass Nachbarn davon erfahren sollen.

Das heißt, Sie haben den Nerv der Zeit getroffen.
Offenbar. Die älteren Pregartner haben mir weitere Geschichten über die letzten Kriegstage erzählt, oft unter dem Mantel der Verschwiegenheit. Die Jüngeren haben mich ermuntert, in dieser Sache ja nicht loszulassen und die Freilegung des Brunnens in Mitterfeld, in dem sich möglicherweise Leichen befinden, gefordert.

Wie hat das offizielle Pregarten reagiert?
Es übte sich in Zurückhaltung. Bürgermeister Fritz Robeischl meinte, die Stadtgemeinde werde ihrerseits nicht aktiv werden, aber auch nichts behindern. Notfalls müsse man eben die Grabungskosten übernehmen, wenn das öffentliche Interesse von kompetenter Seite bestätigt werde. Ich bin gespannt, ob es das Thema in den neu gebildeten Kulturausschuss schafft. Das wäre doch eine sinnvolle Aufgabe für den jungen Ausschuss und den neuen Obmann.

Sie sind in der Causa sehr hartnäckig. Warum interessiert Sie das Thema so? Man könnte ja auch sagen: Ach was, lassen wir die Vergangenheit Vergangenheit sein.
Der alte Jurist kann ja nicht aus seiner Haut. Daher interessiert mich in erster Linie die Frage, warum Ferdinand Fröhlich, der NS-Bürgermeister von Pregarten, trotz belegbarer Beweise im Jahr 1947 mit einem Freispruch ungeschoren davonkam, während Mitläufer durchaus empfindliche Haftstrafen verbüßen mussten. Spannend ist auch der bisherige Umgang mit dieser Zeit, das Schweigen und die Motive dafür. Inzwischen kann ich jene verstehen, die nicht mehr darüber reden wollen, genauso aber auch jene, die einen offensiveren Umgang mit dieser Zeit verlangen.

Wünschen Sie sich eine Öffnung des ominösen Brunnens in Mitterfeld? Wer könnte eine derartige Öffnung veranlassen? Und wer müsste das dann bezahlen?
Ich wünsche mir eine öffentliche Diskussion über Sinn und Unsinn einer solchen Öffnung. Das ist vorrangig eine ethische Frage. Wenn man das nur deswegen tut, um einer Leiche eine würdige letzte Ruhestätte zu schaffen, dann ist mir der Aufwand zu groß. Sollte sich aber die Vermutung bewahrheiten, dass der Brunnen die Ruhestätte für mehrere Opfer des Nationalsozialismus ist, stellt sich schon die Frage, ob man einfach weiter darüber asphaltiert. Die Grabung müsste von einer archäologischen Fachfirma vollzogen werden. Das wird schon einiges kosten. Wer das bezahlen soll, ist momentan völlig offen. Das muss natürlich vorher geklärt werden.

Sollte es zu einer Öffnung kommen und sich tatsächlich menschliche Überreste darin befinden, die aus den 1940er-Jahren stammen – was sollte dann passieren? Sollte man ein Mahnmal errichten?
Ich habe eine Stellungnahme des Gerichtsmedizinischen Institutes der Uni Salzburg in Händen. Diese beinhaltet präzise Vorgaben für einen Erfolg einer allfälligen Grabung. Sie bestätigt auch, dass mit heutigen gentechnischen Mitteln alles aufklärbar ist. Dort wird angeregt, daraus ein Seminarprojekt zu machen. Das öffentliche Interesse wird mehrfach bejaht. Dann sind die Historiker am Zug, um die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Da werde ich mich sicher nicht einmischen.

Aufwühlendes Buch über die Nazizeit in Pregarten (21.10.2021)

Nur Grabungen könnten Gewissheit bringen (15.11.2021)

Sepp Schartmüller, pensionierter Rechtsanwalt, ist Autor des Buches "Der Brunnen". | Foto: Privat
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