Von Neumarkt nach Afrika und Brüssel: „Ich schätze die Vielfalt“
Charlotte Kutzenberger ist für die Überprüfung öffentlicher Ausschreibungen in Brüssel zuständig.
NEUMARKT/BRÜSSEL. Das EU-Parlament in Brüssel erscheint vielen Österreichern weit entfernt. Doch es sind dort auch Menschen aus unserer Region zu finden, die aktiv für Europa arbeiten. Eine davon ist Charlotte Kutzenberger, die im BezirksRundschau-Interview von ihrer internationalen Karriere berichtet.
BezirksRundschau: Was verbindet Sie mit Grieskirchen?
Charlotte Kutzenberger: Ich stamme aus Neumarkt/Hausruckkreis und habe dort meine Jugend verbracht. Grieskirchen war für mich als Kind und Jugendliche ein Ort, in dem wir Einkäufe und Arztbesuche erledigten. Nach dem Gymnasium in Wels absolvierte ich das Studium der Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck. Bereits zu dieser Zeit war ich daran interessiert, berufliche Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Aus privaten Gründen kam ich nach Luxemburg. 1995 bestand ich das Auswahlverfahren und wurde 1996 Beamtin der Europäischen Kommission. Ich arbeitete viele Jahre in Luxemburg und ging anschließend zum auswärtigen Dienst der EU. Als Finanzexpertin war ich in Äthiopien und im Kongo für europäische Entwicklungshilfe zuständig.
Welchen Job machen Sie nun in Brüssel?
Seit mehr als zwei Jahren bin ich zurück aus Afrika und im Europäischen Parlament in Brüssel tätig. Aufgrund meiner Auslandserfahrung bin ich nun innerhalb einer Generaldirektion im Parlament für die Überprüfung von öffentlichen Ausschreibungen zuständig – mit dem Ziel erfolgreicher Vertragsabschlüsse.
Was macht besondere Freude an Ihrer Arbeit?
Meine Arbeit ist vornehmlich technischer Natur, dient aber einer transparenten Vertragsvergabe durch das Europäische Parlament, um die vielfältigen Aufgaben des Parlaments zu bewältigen. Ich habe eine sehr abwechslungsreiche berufliche Karriere und schätze die sprachliche und kulturelle Vielfalt, die ich in meiner täglichen Arbeit erleben darf.
Hat sich Ihr Denken über Ihr Heimatland verändert, seit Sie international tätig sind?
Alles, was ich als Jugendliche in Österreich vorfand, erschien mir „normal“. Erst durch das Kennenlernen vieler anderer Länder und Kulturen wurde mir bewusst, wie viel Gutes es in meiner Heimat gibt. Vor allem die fünf Jahre in Afrika machten mir bewusst, wie viele soziale Standards in Österreich und Europa bestehen. Heute weiß ich, dass all dies nicht selbstverständlich ist.
Was bedeutet für Sie „europäische Identität“?
Ja, ich fühle mich als Europäerin und genieße die Freizügigkeitsrechte in der EU. Dies wird mir heute immer wieder auf Reisen und Aufenthalten innerhalb von Europa bewusst. Diese Freizügigkeit gab es noch nicht, als ich meine erste Arbeit 1985 in München antreten wollte. Da war Österreich noch nicht Mitglied der damaligen EWG, und somit gab es große Schwierigkeiten mit der Arbeitserlaubnis. Heute kaum mehr vorstellbar.
In Österreich wird geringe Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl am 25. Mai befürchtet. Warum sollte man Ihrer Meinung nach zur Wahl gehen?
Im EU-Parlament wird über europäische Gesetze abgestimmt, die wiederum in nationales Recht übertragen werden. Sie berühren somit das tägliche Leben jedes europäischen Bürgers. Deshalb ist es so wichtig, zur Wahl zu gehen und die Volksvertreter in Brüssel zu wählen.
Wie eng ist Ihre derzeitige Verbindung zu Österreich?
Meine Eltern sind seit langer Zeit tot, aber ich habe noch Familie in Österreich, die ich auch regelmäßig besuche. Wenn ich heute nach Öster-reich komme, fühle ich mich immer wie im Urlaub und genieße Landschaft, Kultur und gute Mehlspeisen. Ich werde mich via Briefwahl an der Europawahl beteiligen.
Interview: B. Aichinger
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