Leserbrief aus dem Bezirk Eferding
Warum es kein "gutes Deutsch" gibt

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Der aus Norddeutschland stammende Jörg Mußmann arbeitet seit zehn Jahren als Bildungs- und Sprachwissenschaftler im Auftrag der Pädagogischen Hochschule OÖ, die in Linz stationiert ist, und lebt seit sechs Jahren in Stroheim. In seinem Leserbrief erzählt er von spannenden, aber auch schmerzlichen Dingen rund um die Themen Kommunikation und Dialekte.

STROHEIM. Seit mittlerweile zehn Jahren wohne, lebe und arbeite ich, sehr gerne, in Österreich. Auch seit zehn Jahren bilde ich angehende Volksschullehrkräfte an der Hochschule im Bereich der Sprachpädagogik aus. Als norddeutscher "Piefke" aus Hannover dachte ich damals, dass der Schritt zum Übersiedeln nicht so schlimm sei, schließlich wird hier ja auch "Deutsch" gesprochen. Aber auch nach zehn Jahren erlebe ich immer wieder, dass man ein "Anderssprechender" ist.

"Bitte Deutsch sprechen!"

Meine Frau erlebt das noch intensiver. Als Irin spricht sie Englisch, und das ist im ländlichen Gebiet nicht so einfach. Dann wird ihr manchmal entgegnet: "Wir sind hier in Österreich, bitte Deutsch sprechen!". Das denke ich mir dann auch, wenn ich diese Forderung im tiefen Dialekt höre und selbst ich den Österreicher nicht verstehe. Ich werde stattdessen gelobt: "Sie sprechen das 'schöne Deutsch'". Als Sprachwissenschaftler werde ich dann oft gefragt, was "gutes Deutsch" ist. Die Antwort darauf ist überraschend einfach: Es gibt kein objektiv "gutes Deutsch". Sprache ist kein statisches System von Regeln, sondern ein lebendiges, vielfältiges Kontinuum aus Varietäten, die sich stetig wandeln. Hochdeutsch, wie wir es aus der Schule oder dem Fernsehen kennen, ist lediglich eine dieser Varietäten – nicht mehr und nicht weniger.

Hochdeutsch ist nur eine von vielen Varietäten

Im Konzept des sogenannten Standardsprachen-Dialekt-Kontinuums ist Hochdeutsch keine übergeordnete Norm, sondern eine von mehreren Ausprägungen der deutschen Sprache. Dialekte wie Mühlviertlerisch, Bairisch oder Schwäbisch sind ebenso legitime Formen des Deutschen wie das Hochdeutsche. Sie haben ihre eigenen grammatischen Strukturen, ihren eigenen Wortschatz und ihre eigene Aussprache. Tatsächlich existiert "Hochdeutsch" nur als standardisierte Schriftsprache; im Alltag sprechen die meisten Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine regionale Mischform.

Warum gibt es kein "gutes" oder "schlechtes" Deutsch?

Die Idee von „gutem“ oder „schlechtem“ Deutsch basiert oft auf sozialen Vorurteilen und nicht auf sprachwissenschaftlichen Fakten. Jede Sprache und jeder Dialekt erfüllt seinen Zweck: die Kommunikation. Dialekte sind weder primitiv noch veraltet, sondern lebendige Ausdrucksformen kultureller Identität. Wenn jemand behauptet, eine Person spreche "kein richtiges Deutsch", drückt dies meist ein soziales Urteil aus, keine linguistische Wahrheit.

Linguizismus – das Problem hinter der Forderung "Sprich Deutsch!"

Ein besonders problematisches Phänomen zeigt sich, wenn Menschen in Österreich oder Deutschland von anderen fordern, "Deutsch" zu sprechen – sei es in Bezug auf Migranten oder gar auf österreichische Dialektsprecher. Oft verbirgt sich dahinter ein versteckter Linguizismus, also die Diskriminierung auf Basis der Sprache. Ein Beispiel: Ein Österreicher, der Dialekt spricht, wird in Deutschland nicht unbedingt verstanden, auch wenn beide formal "Deutsch" sprechen. Dennoch wird vom Migranten oder Anderssprachigen ein makelloses Hochdeutsch verlangt, das auch für viele Muttersprachler unerreichbar ist.

Warum Vielfalt wichtig ist

Die Vielfalt der deutschen Sprache ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Sie ermöglicht regionale Identität und kulturelle Ausdrucksformen. Wenn wir von anderen fordern, "Deutsch" zu sprechen, sollten wir uns bewusst machen, dass es dieses eine Deutsch nicht gibt. Sprache ist ein Werkzeug, kein statisches Symbol für Zugehörigkeit. Anstatt über "gutes" oder "schlechtes" Deutsch zu urteilen, sollten wir uns der Vielfalt unserer Sprache bewusst machen. Hochdeutsch und Dialekte sind nur unterschiedliche Varietäten. Gleichzeitig müssen wir uns der sozialen Dimension von Sprache bewusst werden und darauf achten, dass Forderungen nach Sprachgebrauch nicht zu einem Ausschluss anderer führen. Sprache ist ein Mittel der Verständigung, kein Instrument der Abgrenzung.

Leserbrief von Jörg Mußmann, Stroheim

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