Gedenk-Ausstellung
Kampf um Kriegsheimkehrer und gegen das Verhungern bis zum Staatsvertrag 1955
- Wer beim Schuttaufräumen nicht mitmachen wollte, wird von den Parteien als "Drückeberger" angesehen: Ausstellungsstücke wie dieser HIlfsaufruf aus Wien zeigen den Weg zur Österreichs Wiederaufbau zwischen 1945 und 1955 nach.
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Wien/Enns. „Aufbau – Hilf mit“ lautet der eindringliche Appell in roter Schrift auf dem Plakat neben Hammer und Sichel. Darunter ist der Aufruf der „der demokratischen Parteien“ SPÖ, ÖVP und KPÖ „an die Bevölkerung der Leopoldstadt“ aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nachzulesen, mit dem die Bewohnerinnen und Bewohner des 2. Wiener Gemeindebezirks zur tatkräftigen Unterstützung der Schutträumaktion der Bezirksvorstehung im zerbomten Wien aufgefordert wurden. Dabei wurden extrem drastische Worte als Ermahnung gefunden: „Nur Feinde des Volkes werden versuchen, sich mit den dümmsten Ausreden von dieser wichtigen Arbeit zu drücken“, war im Text zu lesen: „Stellt die Drückeberger fest! Meldet uns ihre Namen!“
Noch bis 29. November können Interessierte sich davon und von den zehn Jahren in Österreich zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Staatsvertrag im Mai 1955 in einer kleinen, aber eindrucksvollen Ausstellung im oberösterreichischen Enns im Schloss Ennsegg ein Bild machen. Zum Ausklang des heurigen Gedenkjahres 80-70-30 zu Kriegsende, Staatsvertrag und EU-Beitritt werden hier direkt an der Grenze zu Niederösterreich Plakate und Zeitungen in dieser Sammlung zur Schau gestellt. Als sichtbare Einrahmung dienen in den Nischen in dem Saal, dem früheren Roßstall, die Uniformen der vier Besatzungsmächte US-Amerika, Russland, Frankreich und England. „Es ist nur ein kleiner Ausschnitt. Das ist die Spitze des Eisbergs“, sagt der Wiener Sammler uund Jurist Erik Eybl, der die Exponate zur Verfügung gestellt hat. Es ist lediglich ein kleiner Teil seiner Sammlung, die insgesamt 5000 Plakate sowie unzählige Zeitungsausschnitte umfasst.
In Wien waren die Russen, in Oberösterreich noch Krieg
Empfangen werden die Besucher in dem großen Raum von einer „Volkssturm“-Ausrüstung mit Gewehr und einem Aufruf der Nationalsozialisten zum „Volkssturm“ in Wien , als junge Männer schon ab 16 Jahren zur Verteidigung des Heimatbodens aufgefordert wurden, während der Zweite Weltkrieg praktisch bereits verloren war. In Wien waren die Russen schon Anfang April 1945 einmarschiert, während in Oberösterreich noch bis 5. Mai gekämpft wurde und Menschen in den letzten Kriegstagen starben. Darauf verweist Gottfried Kneifel, Obmann des Museumsvereins Lauriacum, der die Ausstellung in Kooperation mit Eybl organisiert hat. Für Kneifel ist das Besondere: „Die Plakate sind damals noch gemalt worden.“
Daneben dokumentiert eine Wand mit Zeitungstiteln (Eybl: „alles Originale“) die von der Besatzungsmacht unterstützte Wiedergeburt freier Medien. Noch lange nach dem Krieg ist im wenige Kilometer entfernten Kronstorf der mit 137 Metern damals höchste Sendemast Europas gestanden, den die US-Amerikaner auch nützten, um weit in die russische Zone jenseits der Enns in Niederösterreich Nachrichten und ihre Weltsicht auszustrahlen.
Wettlauf um Stimmen von "Minderbelasteten"
Dokumentiert wird außerdem der Wahlkampf der Parteien für die zweite Nationalratswahl nach Kriegsende im Herbst 1949. Es ging auch um die Stimmen von 550.000 ehemaligen Kriegsgefangene, die nun auch wählen konnten. Damit entbrannte ein Wettlauf um die Heimkehrer und vor allem um die „Minderbelasteten“. Per Gesetz waren 1947 ehemalige NSDAP-Mitglieder in „Minderbelastete“, der weitaus größte Teil, und „Belastete“ geteilt worden. Die Minderbelasteten durften wählen und wurden von den Parteien entsprechend umworben. Die Gruppe der rund 10 Prozent „Belasteten“ waren hingegen weiter von Wahlen ausgeschlossen.
Die Ausstellung in Enns vermittelt darüber hinaus Einblicke in das tägliche Leben bis 1955. Das war für viele in Österreich schlicht ein Kampf gegen das Verhungern und ums Überleben. Die ausgestellte Tagesration für einen „Wiener Normalverbraucher“ mit rund 950 Kalorien zeigt vor allem für Jugendliche und Schulklassen anno 2025, was Lebensmittelknappheit und ständig drohendes Verhungern bedeuten. Zugleich weisen der legendäre „15er“ Steyr-Traktor in Grün und Illustrierte mit ersten Skistars wie Dagmar Rom schon den Weg in Richtung des großen Aufschwungs.
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