Weihnachtskult im Rossmarkt 1
Als das Christkind weinen musste - eine wehmütige Erinnerung
Nachdem Anfang der 80er Jahre eine Handvoll jugendlicher Querdenker mitten im Zentrum einer von konservativem Einheitsdenken geprägten Bezirksstadt den „Kulturverein Rossmarkt 1“ gründete, entlud sich ihr Widerstand gegen die Monotonie des geisttötenden Grieskirchner Alltagslebens, in lauten sonntäglichen Jazz-Frühschoppen, Konzerten und Kabarett-Abenden vom Feinsten, Lesungen, Ausstellungen, Diskussionen und natürlich zahlreichen feuchtfröhlichen Feiern bis in den Morgen.
Eine legendäre Party, die unter Grieskirchner Freigeistern schnell Kultstatus erreichte, war die jährliche Weihnachtsfeier im Kulturzentrum RM 1.
Der Zwangsbescherung des Christkinds entflohen, füllte sich die alte Gaststube mit jenen, welche die Geistlosigkeit einer sinnentleerten, traditionell-familiären Inszenierung der Weihnachtspassion nicht länger ertragen konnten und sich in die Gemeinschaft Andersdenkender flüchteten. Unerwünschte Geschenke wurden gegen Fassbier, Schnaps oder einen Doppler Rotwein eingetauscht. Eng umschlungen, geeint in feierlichem Angedenken dieses besonderen Festtages, grölte man und frau lauthals und mit vereinter Stimme zu Ambros’ „Heit drah i mi ham“ und „Mir geht es wie dem Jesus“.
Fröhlicher Widerstand gegen die städtische Diktatur einer Normwelt in der kultige Weihnachtspartys oder „saugeile Osterfeste“ einfach nicht vorkommen durften. Irgendwann einmal platzte der Stadt Grieskirchen ihr viel zu enger Kragen. Nach fast 25 Jahren befreite sie sich von dem unbequemen und unbezähmbaren Kulturverein, der sich um keinen Preis der Welt der traditionsverliebten Gleichförmigkeit seiner Heimatstadt unterordnen wollte. Der in ganz Österreich bekannte „Rossmarkt 1“ wurde heimatlos. Weihnachten in Grieskirchen war gerettet. Das Christkind plärrte vor Freude. Alsdann, ein frohes Fest!
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