Sommergespräch: „Ich bleibe ein Optimist“

AK-Präsident Erwin Zangerl kritisiert die geringe Rücksicht der Politik auf die Entwicklung der Menschen in Tirol.
  • AK-Präsident Erwin Zangerl kritisiert die geringe Rücksicht der Politik auf die Entwicklung der Menschen in Tirol.
  • hochgeladen von Sieghard Krabichler

BEZIRKSBLÄTTER: In einer market-Umfrage sind Sie gleich beliebt wie LH Platter und Ihnen wird auch die gleich große Problemlösungskompetenz zugeschrieben. Ein Auftrag für die Zukunft?
Zangerl: „Ja, und eine große Verantwortung. Auch für Landeshauptmann Platter ein Auftrag, so weiterzumachen. Mich freut es, dass meine Arbeit für die Interessen der Beschäftigten anerkannt wird, das ist auch eine Bestätigung für die Arbeit der Kammer und der Funktionäre.“
Als AK-Präsident sind Sie mit vielen Problemen der Menschen vertraut. Wie geht es den ArbeitnehmerInnen heuer?
„Wir hoffen alle, dass es den ArbeitnehmerInnen gut geht, nur die Beratungszahlen sprechen eine andere Sprache. 350.000 Beratungen in ganz Tirol zeigen, dass große Probleme da sind und auch eine gewisse Verunsicherung, speziell der ArbeitnehmerInnen im mittleren Alter.“
Woran liegt das hauptsächlich?
„Vonseiten der Wirtschaft muss die Verunsicherung aufhören, so nach dem Motto ‚dann sind sie braver und ruhiger‘. Den ArbeitnehmerInnen muss eine sichere Zukunft ohne Verunsicherung geboten werden, denn das sichert auch den Wohlstand der Unternehmen.“
Wo wird es schwieriger, wo merken Sie deutliche Verschlechterungen?
„In Tirol stellen die Klein- und Mittelbetriebe die Säulen der Wirtschaft dar, da funktioniert es sehr gut. Aber je größer die Unternehmen, umso anonymer, so auch bei Tourismusgesellschaften, da liegen die größten Probleme.“
Tirol steht aber, was Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskraft anbelangt, gut da. liegt in Ihrer Aussage nicht eine Diskrepanz zur tatsächlichen Lage?
„Nein, das ist sicher alles positiv, aber derzeit 14.000 Arbeitslose kann man nicht wegdiskutieren. Hier sind die Ausbildung, die Vermittlung und das Bestreben, Betriebe anzusiedeln, gefragt. Wir haben zwar eine finanziell gut ausgestattete Standortagentur, aber außer Jubelmeldungen sind wenig Betriebsansiedelungen sichtbar. Gerade in Tirol wären wir in der Lage, den Unternehmen Spitzenbedingungen zu bieten.“
Nun zur Politik. Die Sozialpartner scheinen in Tirol zu wenig miteinander zu reden. Wie sehen Sie das?
„Das täuscht. Mit WK-Präsident Bodenseer ist die Basis sehr gut, es gibt gemeinsame Projekte, nur weiß ich dann nicht, ob ich mit Präsident Bodenseer oder mit dem Raben Jürgen geredet habe. Und er in dieser Verkleidung dann auf die AK eindrischt. Die Wirtschaft sollte sich irgendwann entscheiden, will sie einen Präsidenten oder einen Raben.“
Sind Institutionen wie Kammern oder Bünde sowie Pflichtmitgliedschaften generell noch zeitgemäß?
„Alle Institutionen, die sich den Menschen annehmen, sind wichtiger denn je. Das ist zu oft abhandengekommen, auch in der Politik.“
Thema Einsparungen: Wird die AK ihre Bezirksstellen auch in Zukunft halten können?
„Der Ausbau der Bezirksstellen ist eine der wichtigsten Vorhaben der AK, den Menschen wird vor Ort geholfen, hier wird nicht eingespart.“
Ihr Verhältnis zu LH Platter ist eher kühl, auch innerhalb der ÖVP werden Sie wegen der teilweise VP-feindlichen Haltung kritisiert. Stört Sie das?
„Ich bin Arbeitnehmerfreund. Und ich habe ein korrektes Verhältnis zu Platter. Er bemüht sich sehr, hat aber große Brocken zu erledigen. Ich habe aber manchmal das Gefühl, dass seine Berater nicht immer jene sind, die zum Erfolg von Platter beitragen.“
Landtagswahlen stehen im nächsten Jahr an, die Parteien beginnen den Wahlkampf. Was erwartet der Tiroler AK-Präsident von den zukünftigen Politikern?
„Ich erwarte mir von allen Parteien, dass sie die Menschen wieder in den Mittelpunkt ihrer politischen Arbeit rücken.“
Es wird weit mehrere Gruppierungen geben, die kandidieren, als 2008. Wie sehen Sie diese Vielfalt an Listen und Gruppierungen?
„Durchaus positiv, wir leben in einer Demokratie.“
Wäre die Landespolitik für Präsident Zangerl eine Alternative zur AK-Präsidentschaft?
„Nein, das ist keine Alternative. Wir vertreten schon jetzt die Mehrheit im Land.“
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf in den nächs­ten Jahren in Tirol?
„Das Hauptproblem ist, dass sich die Preise für Leben und Wohnen zu den Einkommen in Tirol immer weiter auseinanderentwickeln. Wir müssen Tirol zukunftsfähig machen. Die ungerechte Förderpolitik, wo die Großen gegenüber den Kleinen stark bevorzugt werden, ist eine zentrale Frage. Auch die größte Gruppe, die Arbeitnehmer, die die meisten Steuern zahlen, gehören gerechter berücksichtigt. Die Kleinstruktur in der Wirtschaft und Landwirtschaft ist für Tirol sehr wichtig. Die Politik muss den Veränderungen in der Bevölkerung stärker Rechnung tragen. Ausbildung darf keine Frage des Einkommens sein, sondern ist eine elementare Frage für Tirols Zukunft.“
Sehen Sie trotz allem optimis­tisch in die Zukunft?
„Natürlich mache ich mir Gedanken über die Zukunft, aber der Optimismus überwiegt.“

Zur Person
Erwin Zangerl ist Jahrgang 1958 und seit 2008 Tiroler AK-Präsident. Er lebt mit seiner Frau Iris und der gemeinsamen Tochter in Zirl. Er war von 1986 bis 2008 Obmann der Personalvertretung der Post, seit 1989 Kammerrat, ab 1991 im Vorstand der Tiroler AK, von 2000 bis 2008 Vizepräsident der Tiroler AK.

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