Sommerserie "Im Gespräch" – „Ja, ich werde kandidieren!“

Jürgen Bodenseer gibt sich kämpferisch und ist als Tiroler Wirtschaftsbundobmann noch lange nicht amtsmüde.
  • Jürgen Bodenseer gibt sich kämpferisch und ist als Tiroler Wirtschaftsbundobmann noch lange nicht amtsmüde.
  • hochgeladen von Sieghard Krabichler

Jürgen Bodenseer steht seit über 20 Jahren dem Tiroler Wirtschaftsbund als Obmann vor, ist seit 2004 Wirtschaftskammerpräsident und Unternehmer. Seine Sicht auf die Wirtschaft und Politik in Tirol erzählte er den Bezirksblättern.

BB: Wird die Tiroler Wirtschaft die aktuelle Börsenachterbahn und Eurokrise aushalten?
BODENSEER:
„Primär glaube ich, dass die Rückstufung der USA der Weltwirtschaft à la longue gut tut. Der Hype der Globalisierung wird sich in den nächsten 15 Jahren verringern und wir müssen uns in Mitteleuropa auf die regionale Stärke rückbesinnen, was ja schon passiert. In Tirol haben wir gute Mitarbeiter, gute Produkte, einen starken Tourismus, wir werden uns besser durchhanteln als andere Regionen.“

Was fehlt generell der Wirtschaft in Tirol für die Zukunft?
BODENSEER:
„Ich finde nicht, dass die Tiroler Wirtschaft Mangelerscheinungen hat. Aber die regionale Zusammenarbeit in den Bereichen Bankwesen, Verkehr oder Technologie mit Bayern und Südtirol sowie der Austausch von Betriebsansiedelungen sind große Wünsche von mir.“

In Tiroler Ballungszentren und speziell in und um Innsbruck prägen viele schlecht bezahlte Handelsarbeitsplätze das Geschehen. Wird das in Zukunft für die regionale Wirtschaft nicht zum Problem?
BODENSEER:
„Schlecht bezahlte Handelsarbeitsplätze sind Gewerkschaftsdiktion. Weil es im Handel viele Teilzeitbeschäftigte gibt, drückt das die Statistik. Zugegeben, der Kollektivvertrag im Handel ist nicht wirklich der beste. Aber genauso wie die Globalisierung schlecht war, ist die Urbanisierung schlecht. Die Täler veröden, die Leute zieht es in die Ballungszentren, hier braucht es neue Visionen. Dass sich das Angebot der Sättigung nähert, ist durchaus gegeben.“

An welche Visionen denken Sie?
BODENSEER:
„Eine Idee von mir wäre ‚das Tal des Ursprungs‘, wo sich der Besucher in einem Abenteuerpark zweihundert Jahre zurückversetzen lassen kann. Sozusagen zurück zur Langsamkeit. Eine Gegend wie das Schmirntal zum Beispiel wäre bestens geeignet, um hier ein tolles Projekt zu verwirklichen.“
Sie werden nicht müde, zu erklären, wie gut es den ArbeitnehmerInnen bei uns gehe. Die Sozialpartner widersprechen und sehen die Armut im Land steigen.

Warum?
BODENSEER:
„Armut ist auch eine Sache der Definition der Einkommensschwellenwerte. Wichtig ist aber, die Inflation darf das Wirtschaftswachstum nicht überholen. Die Lohn-Preis-Spirale dreht sich sehr schnell, darum ist mit einer Lohnerhöhung immer auch eine Anheizung der Kosten verbunden.“

Darum fordern Sie den Schulterschluss der Sozialpartner in Sachen Reformen der Steuerpraxis. Ist diese Forderung realistisch?
BODENSEER:
„Ja, sowohl die Gewerkschaft als auch die Arbeiterkammer haben positive Signale gesendet. Die kalte Progression führt in Lohnsteuerstufen, wo der Gewinner der Lohnerhöhung nur der Staat und nicht der Mitarbeiter ist, und das ist zu bekämpfen.“

Wird es Druck auf die Regierung geben?
BODENSEER:
„Ja. Sowohl von Seiten des Wirtschaftsbundes als auch der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft gibt es Bestrebungen.“
Sie befinden sich seit über 20 Jahren als Obmann an der Spitze des Wirtschaftsbundes. Nicht immer kritiklos, auch aus den eigenen Reihen. Hat der

Obmann noch die Kraft für den Job?
BODENSEER:
„Ein klares Ja, ich bin motiviert und es macht Spaß. Und vor allen Dingen habe ich bei der Basis als praktizierender Unternehmer großen Rückhalt.“

Interne Spannungen im Wirtschaftsbund sind aber vorhanden. So werden Franz Hörl oder Martha Schultz immer wieder als Ihre Nachfolger gehandelt. Wahlen stehen nächstes Jahr an. Werden Sie für den WB-Obmann erneut kandidieren?
BODENSEER:
„Ja, der Bodenseer wird antreten, damit das Säbelrasseln endlich aufhört.“

Und das Thema Landtag? Sie wurden ja 2005 gezwungen, Ihr Mandat niederzulegen und haben Statuten-Reformen gefordert. Passiert ist nichts. Wie sehen Sie das heute?
BODENSEER:
„Es wurde mir eine Änderung der Statuten zugesagt, passiert ist nichts und die ÖVP ist auf diesem Ohr weiterhin taub.“

Wird sich diese Taubheit mit dem neuen Landes-GF Martin Malaun verringern?
BODENSEER:
„Möglich, denn Malaun ist ein guter Mann, den ich sehr schätze.“

Kann die Politik in Tirol als wirtschaftsfreundlich bezeichnet werden?
BODENSEER:
„Eindeutig ja. Ich habe auch mit dem Landeshauptmann ein gutes Verhältnis und es gibt regelmäßige Vieraugengespräche.“

Und wie geht es Ihnen mit der Politik der Frau Wirtschaftslandesrätin?
BODENSEER:
„Patrizia Zoller-Frischauf hat sich politisch sehr gut entwickelt und lässt immer wieder mit innovativen Aussagen aufhorchen.“

Wenn Sie Landeshauptmann von Tirol wären, was würden Sie zuerst ändern?
BODENSEER:
„Eine sehr hypothetische Frage. Ich würde versuchen, den Gemeinden in Tirol mehr finanziellen Handlungsspielraum zu geben, aber sie auch zu überzeugen, dass es Aufgaben gibt, die – gemeinsam gelöst – durchaus Einsparungen bringen würden.“

Wie verbringen Sie den restlichen Sommer?
BODENSEER:
„Ich bin kein großer Urlauber, ich genieße die Freizeit eher in Miniportionen. Ein Familienurlaub kurz vor Schulbeginn ist aber noch geplant.“

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