Sommerserie "Im Gespräch" – „Es reicht einfach nicht mehr“

Immer für die ArbeitnehmerInnen: AK-Präsident Erwin Zangerl
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  • hochgeladen von Sieghard Krabichler

AK-Präsident Erwin Zangerl fordert ein Umdenken der Wirtschaft

Er mahnt vor gesellschaftspolitischen Versäumnissen, kämpft für die ArbeitnehmerInnen und gilt als geachteter Kritiker der Politik: Der Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl im Interview.

BB: „Bei ins seid‘s auf der sicheren Seiten“, lautet Ihre Botschaft in der Werbung. Wo sind die unsicheren Seiten in Tirol?
Zangerl: „An allen Ecken und Enden. So hat etwa die Wirtschaftskrise unglaubliches Misstrauen hinterlassen. Und den vielen Menschen, welchen die Krise den Job gekostet hat, die haben gesehen, wie schnell die unsichere Seite zum Vorschein kommen kann. Nun gilt es, dieses Misstrauen zu beseitigen, was die AK nicht allein schaffen kann, da müssen die Unternehmer mitarbeiten.“

Heftige Kritik hat Wirtschaftskammerpräs. Bodenseer bezüglich der Kampagne „Lass dich nicht zur Schnecke machen“ geäußert. Sind die Arbeitnehmer wirklich in dieser Situation?
Zangerl:
„Wir lassen uns von Bodenseer sicher nicht zum Raben machen. Denn es werden manchmal Praktiken gegenüber ArbeitnehmerInnen angewandt, die aufgezeigt gehören. MitarbeiterInnen, die den Mut haben, Fehler aufzuzeigen, sind bessere Mitarbeiter. Das Arbeitsrecht wird missachtet, es gibt keine Strafen für die Unternehmer. Darum müssen wir den Leuten sagen, dass sie sich wehren sollen.“

Nimmt diese Missachtung zu?
Zangerl: „Natürlich arbeitet der Großteil der Unternehmer korrekt, aber solche Fälle häufen sich. Und Unternehmer, die die Bestimmungen missachten, haben einen Wettbewerbsvorteil. Das kann auch nicht im Interesse der Wirtschaft sein.“

Welchen ArbeitnehmerInnen geht es am schlechtesten in Tirol?
Zangerl:
„Da hat sich nichts geändert. Den Alleinerziehenden und den kinderreichen Familien, da die Kinderbetreuung in Tirol noch immer in den Kinderschuhen steckt. Schlecht geht es auch den Menschen mit ‚schlampigen Arbeitsverhältnissen‘, welche speziell den jungen Menschen die Zukunft verbauen. Und eine hoffnungslose Jugend ist sehr gefährlich für das Land. Hier müssen die Unternehmer in die Pflicht genommen werden. Denn auch die Wirtschaft trägt Verantwortung. Wenn die TirolerInnen kein Geld mehr haben, trifft es die Klein- und Mittelbetriebe, die Menschen geben das Geld in der Region aus.“

Das heißt, Sie sehen die Armut in Tirol in Zukunft steigen?
Zangerl:
„Ja, nur wo wird Armut angesetzt? Die Armutsdefinition für LRin Zoller-Frischauf ist eine andere als die reale. Tatsache ist, es gibt arme Menschen in Tirol, nicht nur die, die sichtbar arm sind, sondern das gilt auch für Pensionisten oder Alleinverdiener, es reicht einfach nicht mehr zum Leben.“

Wo liegt dann der Schlüssel zur Armutsbekämpfung in Tirol?
Zangerl:
„Jegliche Initiative in diese Richtung ist zu begrüßen.
Der Schlüssel liegt im leistbaren Wohnen und in bezahlbaren Grundnahrungsmitteln, doch die Preise steigen und Wohnen in Tirol ist hart an der Grenze zum Leistbaren.“

Themenwechsel Politik: Erwin Zangerl ist ein geachteter Kritiker der politischen Zustände in Tirol, auch der eigenen Partei, die ÖVP wird zum Teil heftig attackiert. Ist das auf Dauer nicht mühsam?
Zangerl (lacht):
„Danke für das Kompliment. Und nein, ich stehe am Standpunkt, zuerst muss in den eigenen Reihen Kritik geäußert werden, wenn es Kritikpunkte gibt. In Tirol müssen wir noch vieles erledigen und das werde ich auch in Zukunft aufzeigen. Ob‘s wem passt oder nicht.“

Aber ist nicht die Gefahr groß, ein zweiter Fritz Dinkhauser zu werden, der mittlerweile als Generalnörgler gilt?
Zangerl:
„Ich versuche, eine sachbezogene Arbeit zu leisten und kritisiere nicht um der Kritik willen. Es ist unsere Aufgabe, auf gewisse Fehlentwicklungen hinzuweisen, dafür sind wir von den ArbeitnehmerInnen gewählt. Die AK-Tirol ist in erster Linie landespolitisch tätig und nicht parteipolitisch.“

In Ihrem AAB-Diskussionspapier – unter meinBezirk.at zum Downloaden – fordern Sie mehr Mut der ÖVP-Abgeordneten, sich endlich ihren WähIer­Innen zu stellen. Passiert das auch in Tirol zu wenig?
Zangerl:
„Diese Frage müsste man den TirolerInnen stellen: „Kennen Sie Ihren Abgeordneten in Ihrem Bezirk? Dieses Ergebnis wäre äußerst interessant.“

Stichwort Bezirk. Einsparungen sind ja groß in Mode. Wie sieht es mit den AK-Bezirksstellen aus? Gibt es hier Bestrebungen, die eine oder andere zu schließen?
Zangerl: „Nein, im Gegenteil. Es war die richtige Entscheidung, die AK in den Bezirken gut zu etablieren, die Anzahl der Hilfesuchenden ist gleich groß wie in Innsbruck. Wir werden selbstverständlich die Bezirksstellen weiterhin betreiben, denn jede Form des Zentralismus ist abzulehnen und schwächt nur die Bezirke und damit die Länder.“

Eine hypothetische Frage: Was würden Sie zuerst ändern, wenn Sie Landeshauptmann wären?
Zangerl (schmunzelt): „Wie viel Platz habe ich zur Verfügung? Nein, das Gegensteuern des teuren Lebens in Tirol hätte für mich Priorität. Da muss den Menschen unter die Arme gegriffen werden. Speziell das Wohnen ist in Tirol viel zu teuer. Es kann nicht sein, dass jemand der ein Haus baut, dann drei Generationen lang verschuldet ist. Und wenn ein Wohnbaureferent Gschwentner sagt, in Tirol sei alles eitel Wonne, so stimmt das einfach nicht.“

Zum Abschluss: Wie verbringen Sie – gerade jung verheiratet – Ihren restlichen Sommer?
Zangerl:
„Die Flitterwochen werden jetzt nachgeholt, ansonsten muss ich zu Hause ein paar Dinge erledigen. Aber als Tiroler schätze ich die Qualität unseres Landes. Nur müssen wir darauf schauen, dass wir uns unser Land auch weiterhin leisten können. In allen Bereichen.“

AAB-Diskussionspapier zum Download (ca. 2,7 MB)

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