Modediagnose
Nicht jeder Zappelphilipp hat tatsächlich ADHS
Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) bezeichnet Schwierigkeiten, sich lange zu konzentrieren und ruhig sitzen zu bleiben. In den USA erhält mittlerweile jedes zehnte Kind die Diagnose ADHS. Doch nicht immer ist ein Zappelphilipp auch tatsächlich von diesem Syndrom betroffen. Seriösen Schätzungen zufolge leiden nur rund vier bis sieben Prozent der Kinder und Jugendlichen tatsächlich an dieser Symptomatik, wobei Buben deutlich häufiger davon betroffen sind als Mädchen.
Wunschdiagnose der Eltern?
Oft wird die Diagnose von den Eltern eingefordert. „Wenn ihr Kind unruhig ist oder sich schlecht konzentrieren kann, denken viele Eltern sofort, es könnte unter ADHS leiden. Die Diagnose ist recht populär geworden, auch wegen der postulierten Einfachheit der Behandlung: ‚Mein Kind hat ADHS und braucht eine Tablette‘ ist leichter zu verkraften als ‚Mein Kind ist verhaltensgestört und braucht eine Psychotherapie‘“ meint Peter Voitl, Facharzt für Pädiatrie und Gründer des Kindergesundheitszentrums Donaustadt in Wien. Das spiegele sich auch im Verbrauch von Psychopharmaka bei Kindern wider, so der Experte: „Laut Hauptverband der Sozialversicherungen hat österreichweit der Verbrauch von Psychopharmaka bei jener Zielgruppe in den Jahren 2006 bis 2008 um 50 Prozent zugenommen, wobei der Großteil auf ADHS-Medikamente entfällt. Und das obwohl die Langzeit-Nebenwirkungen bei Kindern bisher kaum untersucht wurden“. Tatsächlich davon betroffene Patienten herauszufiltern und adäquat zu behandeln, hat somit einen großen Stellenwert. Massive Verhaltensauffälligkeiten können auch andere Ursachen haben und etwa durch die Intelligenz bedingt sein. "Entweder sind die Kinder sehr intelligent und unterfordert oder weniger intelligent und überfordert. Mögliche Ursachen umfassen überdies das Sozialverhalten oder die Wahrnehmung – darum braucht es eine präzise Testung, um festzustellen, ob die Probleme überhaupt aus einer Aufmerksamkeitsstörung resultieren“, betont der Experte.
Tatsächlich ADHS
Nach eingehender Diagnostik muss die gesamte Familie in die Therapie einbezogen werden. „In jedem Fall brauchen die Eltern eine psychotherapeutische Unterstützung und eine Familienberatung. Es ist nicht einfach, mit einem verhaltensauffälligen Kind umgehen zu lernen", so Voitl.
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