Tiroler Künstlerschaft Kunstpavillon
Dancing at the Edge of the World - Riccardo Giacconi
INNSBRUCK. Das Programm Kunstpavillon & Neue Galerie Innsbruck 2021/22 trägt den Titel "Dancing at the Edge of the World" und bezieht sich dabei auf die gleichnamige Essay-Sammlung von Ursula K. Le Guin. In dieser skizziert die Science-Fiction Autorin alternative soziale und gesellschaftliche Möglichkeitsräume, die nicht in einer kolonialen, patriachalen und xenophoben Erzählstruktur verankert sind.
In einer pandemischen Gegenwart scheinen virulente gesellschaftspolitische Themen und die große Frage des Miteinanders aus dem Blickfeld gerückt zu sein. Der Nationalstaat übernimmt die Rolle des Krisenmanagers, während sich Visionen einer rückwärtsgewandten Zukunft verhärten, zieht eine historische Amnesie durch breite Teile der Gesellschaft.
Options
Den Anfang macht die Ausstellung Options von Riccardo Giacconi. Er stellt Bezüge zwischen der von Mussolini und Hitler umgesetzten Südtiroler Umsiedlung und dem gegenwärtigen politischen Klima in Europa her
Als forschungsbasierter Werkkorpus orientiert sich Options an den Ereignissen zwischen 1939 und 1943, als der ursprünglich deutschsprachigen Gemeinde in Südtirol die Möglichkeit gegeben wurde, entweder ins benachbarte Nazi-Österreich (und andere Territorien im Dritten Reich) auszuwandern oder im faschistischen Italien zu bleiben und zwanghaft in die italienische Kultur des Mainstreams integriert zu werden und dabei sowohl Sprache wie kulturelles Erbe zu verlieren.
Vereinbarung zwischen Mussolini und Hitler
Dieses nach einer Vereinbarung zwischen Mussolini und Hitler in Kraft gesetzte System wurde "Option" genannt. Riccardo Giacconis gleichnamiges Projekt basiert auf Forschungen von Archiv- und Propaganda-Materialien aus der Ära. Der Künstler studierte Poster, Flugblätter, Zeitungsartikel und politische Pamphlete aus und über Südtirol.
"Options" befasst sich außerdem mit den Nachwirkungen der Option, darunter mit Zeitperioden, die von Spannung, Konflikt und Terrorismus zwischen Gemeinschaften in Südtirol gekennzeichnet waren, und verwendet Archivmaterialien und weiträumige Forschung in situ, darunter Interviews mit Historiker, Aktivisten, Politiker, Autoren und verschiedene Praktiker. Mit dem Südtiroler Landesgebiet und der Grenze zwischen Italien und Österreich als Fallstudie hinterfragt die Ausstellung Vorstellungen von Bürgerschaft, Grenzen, Identität, Sprachgemeinschaften, "Heimat", Nativismus, Minorität und Migration. Die Periode der Südtiroler Option und die Zeit danach können als Paradigma dafür gelesen werden, wie solche Ideen konstruiert sind, wie sie manipuliert, instrumentalisiert und fiktionalisiert werden und wie sie durch nachfolgende Launen der Machtinstitutionen wieder für richtig erklärt werden - und wie solche Ideen trotzdem konkrete, dramatische und unauslöschliche Konsequenzen für Menschen nach sich ziehen.
Konstellation zwischen zwei Augenblicken
Das Projekt etabliert Resonanzen zwischen diesen Ideen - und der Art und Weise, wie sie im linguistischen und visuellen Diskurs der Periode der Südtiroler Option genutzt wurden - und dem Einsatz der gleichen Ideen in den zeitgenössischen, politischen Diskursen in Europa. In diesem Sinn wird "Options" nicht als historische Untersuchung konfiguriert, sondern als eine Konstellation zwischen zwei Augenblicken in der Zeit - als Kommentar über den heutigen politischen Diskurs Europas durch die Linse eines vergangenen Ereignisses.
Biographie
Riccardo Giacconi hat Bildende Kunst an der IUAV Universität in Venedig studiert. Seine Arbeiten wurden in verschiedenen Instituten ausgestellt:
- Grazer Kunstverein (Graz)
- ar/ge kunst (Bozen)
- MAC (Belfast)
- WUK Kunsthalle Exnergasse (Wien)
- FRAC Champagne-Ardenne (Reims)
- tranzitdisplay (Prag)
- Fondazione Sandretto Re Rebaudengo (Turin)
- 6. internationale Biennale für junge Kunst (Moskau)
Er war Artist in Residence im Centre international d'art et du paysage (Vassiviére, Frankreich), lugar a dudas (Cali, Kolumbien), MACRO Museum für zeitgenössische Kunst in Rom, La Box (Bourges, Frankreich) und Künstlerhaus Büchsenhausen (Innsbruck). Giacconi präsentierte seine Filme auf mehreren Festivals, darunter das New York Film Festival, das Venice International Film Festival, das International Film Festival Rotterdam, Visions du Réel und FID Marseille, wo er 2015 den Grand Prix des internationalen Wettbewerbs gewann. Er ist Mitbegründer des kollektiven Hörfestivals "Helicotrema" und des Audio Studios für für Geschichtenerzählen "Botafuega".
Ausstellungen verlängert bis 26. März 2022
Öffnungszeiten Kunstpavillon
Mi - FR: 12:00 - 18:00 Uhr
SA: 11:00 - 15:00 Uhr
SO und Feiertag: geschlossen
Tiroler Künstlerschaft
Kunstpavillon
Rennweg 8a
6020 Innsbruck
office@kuenstlerschaft.at
https://www.kuenstlerschaft.at/en/
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