Ein grausamer Teil mexikanischer Geschichte und was Innsbruck damit zu tun hat.

Ausstellungsansicht, Foto: Verena Nagl.
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Die aktuelle Ausstellung „Tlatelolco… Winter Games“ des spanische Künstlers Fernando Sánchez Castillo im Kunstraum Innsbruck widmet sich der blutigen Niederschlagung protestierender Studenten in Mexiko-Stadt am 2. Oktober 1968.

An diesem Tag formierten sich, kurz vor dem Beginn der Olympischen Sommerspiele, unterschiedliche Studentengruppen auf dem „Plaza de las Tres Culturas“ im Stadtteil Tlatelolco um ein politisches Signal zu setzen. Die meist jungen Teilnehmer demonstrierten gegen die Geldausgaben für die Olympischen Spiele und für mehr Mitbestimmung und gerechte Verteilung der Mittel für Infrastruktur und Bildung. Die Kundgebung, die sich in Auflösung befand, eskalierte durch einen plötzlichen Schusswechsel, der das Militär traf und eine offensive Reaktion provozierte, wodurch das Feuer auf die Studenten eröffnet wurde.
Die Anzahl der Todesopfer ist derzeit noch nicht offiziell bestätigt, es wird von ca. 300 Toten und zahlreichen Festnahmen ausgegangen und bis heute blieben fast 2.000 Personen verschwunden. Gegenwärtig belegen inoffizielle Dokumente, dass die ersten Schüsse von den Dächern durch Spezialeinheiten der Regierung abgegeben wurden.
Der Titelzusatz „Winter Games“ bezieht sich auf Innsbruck, selbst 2-malige Olympia Stadt im Winter, aber auch jener Ort, an den die Eltern der 43 ermordeten Studierenden die Asche zur finalen DNA Analyse schickte. Jedoch waren die menschlichen Überreste derart verbrannt, dass nur 2 Personen identifiziert wurden.
Castillos Arbeit ist ein Versuch, die Erzählungen der Historie neu zu schreiben oder uns zumindest ihre Komplexitäten und Spuren bewusster zu machen und zu zeigen, dass Geschichte aus einer Position der Macht heraus konstruiert wird. Die Ausstellung beinhaltet Archivmaterial, sowie auf Teppiche gedruckte Skizzen, die die Bewegung der demonstrierenden Studierenden durch Mexiko City, sowie am Universitätsgelände zeigen bzw. die Skizze, die den Vorfall des Schusswechsels durch dritte belegt.

Castillo setzt seine Reihe von Monumenten für anonyme Helden mit einer Statue eines unbekannten Studenten, festgenommen in Tlatelolco, fort. Dessen Abbild entlehnte der Künstler einem Foto des Ereignisses, das den jungen Mann zeigt, gezwungen mit dem Gesicht zur Wand, hoch gehaltenen Händen und runter gelassenen Hosen an der Wand zu stehen. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Demonstranten unbewaffnet waren und nicht flüchten konnten. Diese Geste invertiert die übliche und offizielle Rhetorik der Erinnerung. Das Denkmal lenkt unsere Aufmerksamkeit auch auf eine weniger offensichtliche, aber trotzdem wichtige Tatsache in Bezug auf die Unterdrückung von Tlatelolco: die große Zahl von Personen, die während des Ereignisses und danach inhaftiert wurden.

Im Zentrum der Ausstellung steht ein Video, das den Flug einer Drohne über Tlatelolco zeigt. Auf Basis der vorhandenen Dokumentation vollzieht es den Flug eines Helikopters über den Schauplatz am Tag der Vorkommnisse nach, als eine Art fiktive Nachstellung von Geschichte. Das Video illustriert eine Lichtaktion auf der Plaza, die mit grünen und roten Leuchtfackeln die Pyrotechnik nachahmt, welche den Beginn der Militäraktion im Jahr 1968 signalisierte, und kulminiert in einem weißen Licht, das die symbolische Komposition der mexikanischen Flagge abbildet – eine posthume Hommage. Dreiundvierzig Granaten wurden für die Produktion des Videos eingesetzt, dieselbe Zahl, wie jene der Todesopfer des 2. Oktober, eine Chiffre, die in einer bedeutungsvollen Koinzidenz ebenso mit der Zahl jener Studenten korrespondiert, die im September 2014 in Ayotzinapa verschwanden, wodurch die Würdigung auf die gegenwärtigen Opfer einer Geschichte ausgeweitet wird, die sich im Kreis dreht.

Andere Arbeiten, Dokumente, Bücher und Bilder komplettieren dieses Projekt. Die Ausstellung „Tlatelolco… Winter Games“ von Fernando Sánchez Castillo ist noch bis zum 4. Februar 2017 im Kunstraum Innsbruck zu besichtigen.

In Zusammenarbeit mit der Sala Arte Público Siqueiros und dem Centro Cultural Universitario Tlatelolco – Memorial 68, Mexico

Sarah Pfeifer
unter Hinzunahme von Karin Pernegger

Kunstraum Innsbruck
Maria-Theresien-Str. 34
6020 Innsbruck

Geöffnet: Di - Fr 12 - 18 Uhr und Sa 10 - 15 Uhr.

Weitere Infos unter: www.kunstraum-innsbruck.at

Wo: Kunstraum Innsbruck, Maria Theresien Straße 34, Arkadenhof, 6020 Innsbruck auf Karte anzeigen
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