Kunst wird Partitur: Wie sehen Bilder von Musik aus? Zwei bemerkenswerte Künstlerpositionen.

Ausstellungsansicht Jorinde Voigt: Song of the Earth - Chapter 1: Radical Relaxation - Stress and Freedom links: Devine Territory, 2016 rechts: Radical Relaxation - Stress und Freiheit, 2016. Foto: Verena Nagl
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  • Ausstellungsansicht Jorinde Voigt: Song of the Earth - Chapter 1: Radical Relaxation - Stress and Freedom links: Devine Territory, 2016 rechts: Radical Relaxation - Stress und Freiheit, 2016. Foto: Verena Nagl
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Jorinde Voigt und Christian Marclay präsentieren im Kunstraum Innsbruck ihre neu geschaffenen Werkserien unter dem Übertitel Kunst wird Partitur in denen sie bildende Kunst und Musik verbinden. Die Ausstellung vereint Kunstwerke aus verschiedenen Medien, die in Kooperation mit Klangspuren Schwaz, Freunde Guter Musik Berlin e.V. und Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof in Berlin zur Uraufführung kamen.

Die Arbeitsweisen der Berliner Künstlerin Jorinde Voigt und des schweiz-amerikanischen Künstlers Christian Marclay könnten unterschiedlicher nicht sein, doch bilden sie beide auf ihre Weise Musik in einer besonderen Form ab. Sie teilen die Idee, in grafischen und in musikalischen Übertragungen die Welt akribisch abzubilden. Die entstandenen Partituren funktionieren wie „normale“ Bilder, die ebenso von Musikern in konkrete Töne umgesetzt werden können.
Im ersten Moment erinnert Jorinde Voigts Partitur Radical Relaxation – Stress and Freedom, das erste Kapitel von Song of the Earth, an eine magische Traumlandschaft aus fließenden, farbigen Formen, die sich durch den Raum zieht. Als Inspirationsquelle diente der Künstlerin und ausgebildeten Cellistin, der Essay „Stress und Freiheit“ von Peter Sloterdijk und seiner Herleitung von Rousseaus Freiheitsgedanken. Die siebenteilige Arbeit, als Faksimile zu sehen, ist eine exakte Notation für ein Ensemble, worauf die eingetragenen Zahlen der unterschiedlichen Musiker hindeuten. Jedes der sieben Blätter entspricht einer Spieldauer von je drei Minuten und ordnet jedem zeichnerischen Element eine unterschiedliche Instrumentengruppe zu. Um das Werk vollständig zu erfassen bietet sich ein Click auf die Homepage www.kunstraum-innsbruck.at an, um direkt vor der Partitur stehend, die musikalische Interpretation des Ensembles zeitkratzer zu hören. Ebenso aufschlussreich ist das Video von der Aufnahme in Berlin, in dem die Künstlerin die Musiker einweist und dann persönlich durch die Ausstellung im Kunstraum Innsbruck führt. The Shift, das zweite Kapitel von Song of the Earth, beschäftigt sich mit der eigenen Praxis und hinterfragt die Existenz und die Motivation künstlerischen Handelns. Beide Kapitel bilden den Beginn der 8-teiligen Werkserie Song of the Earth, die sich derzeit im Entstehen befindet. Ebenfalls in Vorbereitung ist eine limitierte und signierte Künstlerschallplatte zu Chapter 1: Radical Relaxation – Stress and Freedom mit zwei vertonten Versionen des ersten Kapitels und einem ausklappbaren Leporello der Reproduktion der Originalzeichnungen.
Ganz anders geht Christian Marclay vor: Auf höchst spielerische Art und Weise nimmt er Samples aus Comic-Büchern um zeichnerische Partituren zu schaffen. Diese dienen Sängern und Musikern als performative Anleitung zur Interpretation. So mixt Christian Marclay Popkultur neu, in dem er mit fotografischen Fragmenten, Filmausschnitten und Teilen aus Comics arbeitet. Für seine Arbeit ZOOM ZOOM fotografierte er Lautmalereien auf Oberflächen von Alltagsobjekten wie Werbeplakate, Produktverpackungen, Gebäuden und ähnlichem. Die entstandene Dia-Show funktioniert als Partitur für eine Vokalperformance. Die Manga Scroll ist ein Rollbild mit ca. 20 m Länge und zeigt aneinandergereihte Lautmalereien, entnommen aus Manga-Comics, die ursprünglich in Japan erschienen sind. Christian Marclay löst die klangenergetischen Wörter aus ihrem Kontext und verbindet diese zu einer Komposition, die stimmlich interpretiert zur Vokalperformance wird. Auch die Film-Collage Screen Play funktioniert als Partitur für Musiker, in der sorgfältig ausgewählte Schwaz-Weiß-Filmsequenzen von bunten, computeranimierten Graphiken überlagert werden. Für die Improvisation und Interpretation erhalten die Musiker über Bildschirme visuell Emotionen, Rhythmus, Tonhöhen, Lautstärke und Dauer vermittelt. Das Publikum verfolgt eine große Videoprojektion im Rücken des Ensembles. Die zeichnerische Partitur To Be Continued die in Innsbruck zur Uraufführung kam, collagiert Versatzstücken aus herkömmlichen Comic-Büchern. Das schweizerische ensemBle baBel interpretiert die 48 Seiten der Publikation, die in limitierter Auflage im Kunstraum Innsbruck und bei Klangspuren Schwaz erhältlich ist.
Beide Künstlerpositionen geben einen reizvollen Einblick, in das Resultat einer fruchtbaren Auseinandersetzung mit bildender Kunst und Musik. Jorinde Voigt und Christian Marclay entwickeln ihre individuellen und unverwechselbaren Klangwelten, die zum visuellen wie auch auditiven Eintauchen und Erfahren einladen.

Sarah Pfeifer

KLANGSPUREN SCHWAZ UND KUNSTRAUM INNSBRUCK
KUNST WIRD PARTITUR
Jorinde Voigt: Song of the Earth
Chapter 1: Radical Relaxation (Stress + Freedom)
Chapter 2: The Shift
und
Christian Marclay: Graphic Scores
17. September – 12. November 2016

in Kooperation mit Freunde Guter Musik Berlin e.V. und Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof Berlin und freundlicher Unterstützung von dem Hauptstadtkulturfond und Schering Stiftung sowie der Pro Helvetia.

Kunstraum Innsbruck
Maria-Theresien-Str. 34
6020 Innsbruck
Geöffnet: Di. bis Fr. 12 bis 18 Uhr und Sa. 10 bis 15 Uhr.
Weitere Infos unter: www.kunstraum-innsbruck.at

Wo: Kunstraum Innsbruck, Maria Theresien Straße 34, Arkadenhof, 6020 Innsbruck auf Karte anzeigen
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