Das Leben, das im Computer steckt

Computersucht | Foto: Foto: istock

Immer mehr Österreicher verfallen der Onlinesucht – eine ernstzunehmende Krankheit

Man setzt sich vor den Computer und schwupp sind drei Stunden vergangen. Jeder, der schon einmal im Internet gesurft hat, kennt das. Nimmt das „Online-sein“ aber Überhand, so kann daraus eine Sucht entstehen, die genauso gefährdent ist, wie andere Süchte.

(vk). Vor allem immer mehr Jugendliche und Kinder sitzen stundenlang vor dem Computer und unterhalten sich mit Online-Spielen oder Kommunikationsnetzwerken wie Facebook, Twitter und Co. Wird immer mehr Zeit vor dem Computer verbracht und kommen dazu noch persönliche Probleme, kann die Onlinesucht entstehen. „Die Onlinesucht ist ein sehr komplexes Phänomen. Sie kommt nie alleine“, erklärt Univ. Prof. Dr. Michael Musalek, Leiter vom Anton-Proksch-Institut in Wien und Experte in Sachen Onlinesucht. Für die Diagnose von Onlinesucht spielt die Dauer vor dem Computer eigentlich keine Rolle. „Die Erfahrung zeigt aber, dass Onlinesüchtige zwischen 8 und 14 Stunden oder sogar mehr im Internet verbringen“, so Prof. Dr. Musalek. Die Folgen sind vor allem für junge Menschen weitreichend. „In der Jugend lernt man die sozialen Kompetenzen. Wenn sich Jugendliche gerade in dieser Lernphase abschotten, können sie kein soziales Verhalten erlernen,“ weiß der Experte. Durch die Sucht kann aber auch auf das Schlafen vergessen werden, was zu Schlaf-rhythmusstörungen führen kann. Da Süchtige vergessen zu essen und zu trinken, sind beispielsweise auch Nierenschädigungen möglich.

Therapien gegen die Sucht
Für die Therapie ist es grundlegend, dass der Süchtige die Behandlung auch vollziehen will. „Das schwierige an der Behandlung von Onlinesucht ist, dass eine Abstinenz, also vollkommener Verzicht auf Internet, nicht möglich ist“, so Prof. Dr. Musalek. Es wird also nur teilwese auf das Internet verzichtet. Vor allem müssen aber auch jene Störungen behandelt werden, die neben der Onlinesucht bestehen und sozusagen der Motor für die Sucht sind. Dazu gehören meist Kommunikationsstörungen, Schlafstörungen, Angst, Depressionen und auch soziale Probleme. Dies kann mitunter viel Zeit in Anspruch nehmen. „Soziales Verhalten kann nicht von heute auf morgen erlernt werden, das muss – wie wir alle das einmal erlernt haben – schrittweise erfolgen.“, sagt Prof. Dr. Musalek.

Woran erkennt man eine Sucht
Warnzeichen sind, wenn sich jemand immer mehr zurückzieht, nicht mehr zugänglich ist, stundenlang im Zimmer bleibt, die Freunde vernachlässigt und manchmal auch ein Leistungseinbruch in der Schule. Fällt Eltern ein solches Verhalten auf, sollten sie verständnisvoll auf den Jugendlichen zugehen und versuchen, das Problem mit ihm zu besprechen. „Strafmaßnahmen nutzen in dieser Situation nichts, da sich der Jugendliche dann nur noch mehr zurückzieht und sich mit seinen Problemen allein gelassen fühlt“, kennt Prof. Dr. Musalek die Praxis. Kann ein Jugendlicher nach einem solchen Gespräch das Online-sein nicht reduzieren, sollte eine Ambulanz aufgesucht werden. Denn auch hier gilt: Desto früher die Krankheit behandelt wird, desto besser kann geholfen werden.

Der Sucht vorbeugen
„Entscheidend ist, dass die Bevölkerung darüber informiert wird, dass es diese Krankheit gibt“, stellt Prof. Dr Musalek klar. Auch in Schulen sollte der Umgang mit dem Computer gelehrt werden. „So wie man den Führerschein macht, sollte auch der Umgang mit dem Internet beigebracht werden,“ so Prof. Dr Musalek. Die suchtgefährdendsten Seiten im Internet seien laut Musalek Online-Glücks- und -Rollenspiele.

Zahl der Onlinesüchtigen steigt
In Österreich gibt es zwar noch keine Studie über Onlinesucht, rechnet man die Ergebnisse von anderen Ländern aber hoch, kommt man auf eine Zahl von 60.000 bis 80.000 Onlinesüchtigen in Österreich. Was man mit Sicherheit weiß, ist, dass die Zahl der Süchtigen zunehmen wird, da die höhere Verfügbarkeit unmittelbar mit einem höheren Suchtaufkommen zusammenhängt.

Zur Sache

Ab wann leide ich an einer Sucht?
Es gibt sechs Kriterien, die eine Sucht kennzeichnen – egal, ob Alkohol-, Nikotin-, Online- oder andere Süchte. Treffen drei der folgenden Kriterien zu, so kann man von einer Sucht sprechen:

1. Starkes Verlangen: Man muss unbedingt online sein

2. Kontrollverlust: Der Betroffene kann die Zeit und die Häufigkeit, die er online verbringt, nicht mehr kontrollieren.

3. Dosissteigerung: Ein Onlinesüchtiger muss immer mehr Zeit im Internet verbringen, um seinen Drang zu befriedigen.

4. Entzugserscheinungen: Kann ein Süchtiger seine Sucht nicht ausleben, kann es zu Spannungsgefühlen, Unruhe, Angst und Schlafstörungen kommen. Manche beginnen auch zu schwitzen.

5. psychische Abhängigkeit: Man weiß, dass dieses Verhalten nicht gesund ist, kann aber einfach nicht aufhören.

6. Einengung: Das Leben ist rein auf das Suchtmittel zentriert. Alles andere rückt in den Hintergrund. Der Freundeskreis wird vernachlässigt und man isoliert sich von der Außenwelt.

Erschienen am 21.10.2009

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