Wortreicher Farbrausch

Ein Leben als Hochglanzmagazinkopien: Tamara Burghart, Michaela Adrigan, Michaela Senn in „(Un)Sichtbare Monster“. | Foto: tON/NOt
  • Ein Leben als Hochglanzmagazinkopien: Tamara Burghart, Michaela Adrigan, Michaela Senn in „(Un)Sichtbare Monster“.
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Wo tON/NOt draufsteht, da darf man sich stets Mut zum Risiko erwarten, und eine gewisse Lust an der Provokation und Überzeichnung obendrein, damit es nur ja nicht zu behaglich wird auf den Zuschauersitzen. Das Leben da draußen ist schließlich kein Ponyhof. Welchem Stall die Frauenfiguren der aktuellen Produktion „(Un)Sichtbare Monster“ entstammen, mag man sich gar nicht erst ausmalen. Immerhin stand Chuck Palahniuks Roman „Fratze“ (im Original: Invisible Monster) dafür Pate. Jener Roman also, den er noch vor Fight Club geschrieben hatte und der aufgrund seines verstörenden Inhalts lange keinen Verleger fand. Bei tON/NOt wird daraus nun eine farbassoziative Performance, deren Ursprünge vielleicht auch in den realen oder virtuellen Instagram-Messages zu finden sind, die Christa Pertl im Vorraum des stimmungsvollen Kater Noster-Kellergewölbes zu einigermaßen irritierenden Lachsgrau-Postern verdichtet hat. Kylie Piranha (alias Martin Fritz im zyklamfarbenen Hängerchen), die ungekrönte Königin sämtlicher Nagellacktrends seit den späten Achtzigern, ist dort ebenfalls schon zugange, erteilt jenen, die sich in ihre Nähe wagen, kostenlos aber selbstverständlich nicht umsonst Farb-und Typberatung, inklusive einem Probeanstrich am kleinen Finger, sodass man sich noch Tage später, wenn der Lack schon wieder leise abblättert, sofort an sie und die drei Fifth Element-Frauen (Michaela Adrigan, Tamara Burghart, Michaela Senn) erinnert, die uns anschließend im Halbdunkel des Gewölbes in knapp einer Stunde wort- und assoziationsreich ihre mondänen Daseinsver(w)irrungen darlegen werden. Manche habe schon für weniger getötet: Bianca Martini, Kylie Piranha, Kira Royal sind jedenfalls erbitterte Nebenbuhlerinnen im Kampf um das nächste Blitzlicht Aufmerksamkeit. Eine muss also dran glauben, und das ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag. Doch ihr farbverströmender effektvoller Abgang provoziert so immerhin die Frage aller Fragen, nämlich welcher Lippenstift, welcher Nagellack, welcher Instagramfilter denn nun am besten zum jeweils erwählten Sommerdrink passen mag. Was aufs Erste fast banal anmutet, erweist sich tatsächlich als einigermaßen raffinierte Dekonstruktion. Denn mit eben dieser rauschhaften Farbmetaphorik bringen die vier Autor/innen und Performer/innen die vermeintlich formstabile Fassade aus Trend- und Style-Versatzstücken überaus gekonnt zum Einsturz. Im Universum der unbegrenzten Farb- und Konsummöglichkeiten hat letztlich jede Wahl die Sprengkraft eines existenziellen Debakels. Und immer bleibt das Gefühl zurück, Wichtigeres und Besseres versäumt zu haben, wie etwa das, was man Leben und oder die eigene Wahrheit nennt.

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