Insolvenzverfahren
112 Unternehmen mit 23 Millionen Euro insolvent

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Neben dem massiven Anstieg an Unternehmensinsolvenzen sind auch die geschätzten Passiva deutlich gestiegen. Laut aktueller KSV1870 Insolvenzhochrechnung waren im ersten Halbjahr diesen Jahres in Kärnten 112 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen.

KÄRNTEN. Das sind um 143,5 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres - und etwa 46 Insolvenzfälle weniger als im Jahr 2019, dem letzten Jahr vor Ausbruch der Corona-Krise. Die Hälfte aller Firmenpleiten betrifft den Handel, die Bauwirtschaft, die Unternehmensbezogene Dienstleistungen und die Tourismusbranche/Gastronomie. Parallel dazu haben sich auch die vorläufigen Passiva mit 23 Mio. Euro verdoppelt. Die bis dato größte Firmenpleite betrifft die Hispano Suiza Engineering GmbH, Villach mit Passiva von 4,5 Mio. Euro.

112 Unternehmen mit 23 Millionen Euro insolvent

Im ersten Halbjahr diesen Jahres wurden 51 Insolvenzverfahren über Kärntner Unternehmen eröffnet. Zusätzlich führten 61 weitere Insolvenzanträge mangels Vermögens der Schuldner nicht zu eröffneten Verfahren. "In Summe sind 112 Unternehmen mit Verbindlichkeiten von 23 Millionen Euro insolvent", berichtet Barbara Wiesler-Hofer. Mehr als die Hälfte der April-Juni eröffneten Fälle wurden aufgrund ihrer Anträge eröffnet. Es zeigt sich, dass Sozialversicherungsträger und Finanzämter nun wieder Insolvenzanträge stellen. Gegenüber dem letzten "Normaljahr" 2019 bedeutet das Ergebnis von 112 insolventen Unternehmen ein Minus von 29 Prozent. "Die Insolvenzen befinden sich nach wie vor auf sehr niedrigem Niveau", so Wiesler-Hofer.

Passiva verdoppelt

Parallel zur Entwicklung der Firmenpleiten fallen auch die vorläufigen Passiva deutlich höher aus als im ersten Halbjahr 2021. Die Passiva haben sich verdoppelt (+ 109 %) und betragen 23 Millionen Euro. Dies lässt sich im Wesentlichen auf zwei Fälle zurückführen: Das Konkursverfahren der Hispano Suiza Engineering GmbH, Villach (Passiva 4,5 Mio. Euro) und das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung der Innerkremser Seilbahnengesellschaft m.b.H. & Co Kommanditgesellschaft, Kremsbrücke (Passiva 3,3 Mio. Euro). "Trotz des Anstiegs im Vergleich zum Vorjahr, sind die Passiva im ersten Halbjahr 2022 nicht auffällig", so Wiesler-Hofer. Nach wie vor dominieren kleine Betriebe aus dem Bereich des Handels, der Bauwirtschaft, der unternehmensbezogenen Dienstleistungen, und der Tourismusbranche/Gastronomie das Kärntner Insolvenzgeschehen.

Kärnten auf Platz fünf im Ranking

Im österreichweiten Durchschnitt sind die Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2022 um rund 118 Prozent gestiegen. Es verzeichnen alle neun Bundesländer deutlich mehr Unternehmensinsolvenzen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Kärnten belegt im Bundesländervergleich mit 112 insolventen Firmen und einem Plus von 143,5 Prozent nach Vorarlberg (+ 193,8 %), Oberösterreich (+ 170,7 %), Niederösterreich (+ 167,9 %) und Salzburg (+ 150,0 %) die fünftgrößte Steigerung.

Entwicklung findet Fortsetzung

Die vielfältigen Krisensituationen werden immer mehr zur "echten Herkulesaufgabe" für die heimische Wirtschaft: "Obwohl die Sorgen der Unternehmen aktuell eher größer als kleiner werden, zeigen sich die Betriebe durchaus optimistisch, den Berg an Herausforderungen zu bewältigen. Trotzdem ist davon auszugehen, dass die jüngsten Insolvenzentwicklungen in Richtung Jahresende ihre Fortsetzung finden werden", erklärt Wiesler-Hofer. Demnach ist aus heutiger Sicht zu erwarten, dass die Zahl von 300-320 Unternehmensinsolvenzen am Jahresende erreicht wird – erstmals seit Ausbruch der Corona-Krise, womit "Vorkrisenniveau" erreicht wäre.

Privatkonkurse: Plus 29,5 Prozent in Kärnten

Trotz steigender Fallzahlen und höherer Passiva ist die Teuerungswelle aktuell kein Auslöser von Privatkonkursen. Laut aktueller KSV1870 Insolvenzhochrechnung wurden im ersten Halbjahr 2022 in Kärnten 303 Schuldenregulierungsverfahren eröffnet – das entspricht einem Plus von 29,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2019, dem letzten "Normaljahr" vor der Corona-Pandemie, sind das um etwa 64 Fälle weniger. Parallel zu den gestiegenen Privatkonkursen sind auch die vorläufigen Passiva deutlich angewachsen – und zwar um 55 Prozent.

Vorkrisenniveau noch nicht erreicht

"Das Vorkrisenniveau ist im Bereich des Privatkonkurses zwar noch nicht zur Gänze erreicht, dennoch zeigen die aktuellen Ergebnisse, dass die im vergangenen Herbst losgelöste Trendumkehr im heurigen Jahr ihre Fortsetzung gefunden hat. Ein Grund dafür ist auch die letztjährige Insolvenznovelle, die eine deutlich leichtere Entschuldungsmöglichkeit für Schuldner mit sich gebracht hat", analysiert Barbara Wiesler-Hofer, die jüngsten Ergebnisse. Trotz der zuletzt teils stark gestiegenen Zahl an eröffneten Schuldenregulierungsverfahren sind die Inflation oder die momentane Teuerungswelle, die über die Haushalte hereinbricht, noch kein Grund für vermehrte Konkurse von Privatpersonen. "Es verhält sich hier ähnlich wie bei der Pandemie. Ein Privatkonkurs baut sich im Regelfall über einen längeren Zeitraum auf und wird eher selten durch ein plötzlich eintretendes Ereignis ausgelöst", so Wiesler-Hofer.

Männer und Selbständige

Laut KSV1870 Analyse gingen in Kärnten durchschnittlich 60 Prozent aller Privatkonkurse im ersten Halbjahr 2022 auf das Konto von Männern, in 40 Prozent der Fälle sind Frauen betroffen. Im Bereich der ehemaligen Selbständigen (30 %) machen Männer mehr als zwei Drittel der Betroffenen aus.

Verzögerte Reaktion auf Teuerungswelle möglich

Die anhaltenden und teils horrenden Preissteigerungen der jüngeren Vergangenheit machen auch vor den privaten Haushalten nicht stopp. "Stellten während der Corona-Krise vor allem der Faktor Kurzarbeit bzw. Arbeitslosigkeit zahlreiche Haushalte vor große Probleme, so sind es aktuell die Inflation und die zum Teil völlig aus den Fugen geratenen Preisexplosionen", so Wiesler-Hofer. Wie sehr die aktuelle Situation rund um das Thema der Preissteigerungen private Haushalte in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigen und damit in weiterer Folge auch zum Faktor im Bereich des Privatkonkurses kommen wird, bleibt abzuwarten.

Auswirkung auf das heimische  Insolvenzwesen

Erfahrungsgemäß wirken sich derartige massive Einschnitte im Regelfall erst mit etwas Verzögerung auf das heimische Insolvenzwesen aus. Unabhängig davon ist jedenfalls davon auszugehen, dass die jüngsten Entwicklungen in Sachen Privatkonkurse auch im zweiten Halbjahr 2022 ihre Fortsetzung finden werden und mit Blickrichtung Jahresende erstmals seit dem Jahr 2019 Vorkrisenniveau erreicht werden könnte. Das wären in etwa 700 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren in Kärnten.

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