Filmland Kärnten
Es war einmal im Kino – Nachruf auf Klaus Pertl und Horst Dieter Sihler

Leinwand auf der Essl-Brücke in Hermagor für den Film "Reparaturbier". Regie: Peter Citti. DB: Markus Domainko & Peter Citti. Gailtalfilm 2022 | Foto: Gailtalfilm 2022
  • Leinwand auf der Essl-Brücke in Hermagor für den Film "Reparaturbier". Regie: Peter Citti. DB: Markus Domainko & Peter Citti. Gailtalfilm 2022
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Klaus Pertl und Horst Dieter Sihler kannte ich schon aus den 1970er Jahren. Klaus Pertl war ein „Kinomensch“ der harten Schule, der in eine Kino- und Schaustellerfamilie hineingeboren wurde. Er war der perfekte Gesprächspartner, wenn es um die Kinotechnik ging, die damals natürlich noch analog war. Filme und Technik, machen aber noch lange keinen Kinomenschen aus! Nein, es gehört viel mehr dazu. Es ist das berüchtigte Kinofieber, das diese Spezies gepackt hat, denn zum Kino gehören die genau Kenntnisse des Orts, das Aufsuchen von Abspielstellen und seien sie noch so versteckt und obskur, heruntergekommen und verrufen. So jemand geht im Sonntagsstaat zu eleganten Galapremieren und erfreut sich am neuesten James Bond-Film, aber er scheut nicht davor zurück, um sich am Wochenende eine zünftige Schlägerei in einem klapprigen Landkino zu gönnen, in dem ein italienischer C-Film gezeigt wird.
Natürlich ist Klaus Pertl immer mit der Zeit gegangen, er war bei jeder technischen Entwicklung der Medien Film und Fernsehen dabei, das breite Interesse für beide Medien ist für einen „Kinomenschen“ selbstverständlich, sowohl formal, wie inhaltlich, wobei die Form und der Inhalt gleichberechtigt angesehen werden.
Natürlich sind die Kinomenschen auch eifrige Jäger und Sammler, jedes noch so kleine Detail, das einmal in einem Kino oder in einem Fernsehstudio wichtig oder auch unwichtig war, wird vor der Verschrottung gerettet und wie eine Reliquie aufbewahrt.
So wird es wohl auch bei dem Kinomenschen Klaus Pertl gewesen sein, als er das Kinomuseum Klagenfurt gegründet hat.

Dort habe ich ihn, gut 40 Jahre nach den bleiernen 1970er Jahren, während einer langen Nacht der Museen wieder getroffen. Vermeintlich war er nicht da und ich nützte die günstige Gelegenheit, um einen Film in den 35 mm Ernemann-Projektor einzuspannen und runterzuspielen.
Als Klaus Pertl den Filmton und den schnurrenden Projektor hörte, ist er natürlich sofort herbeigeeilt. Zum Gaudium des überraschten Publikums haben wir dann gemeinsam noch einen Ölwechsel erledigt und dabei das Malteserkreuzgetriebe gereinigt. Eine Flasche Champagner war immer dabei, wozu lebte ich damals in Paris. Filmmenschen unter sich! Merci! Salut!

Mit Horst Dieter Sihler hatte ich schon mehr Probleme. Bekanntlich hat er 1977 den Verein Aktion der Gute Film/Kärnten übernommen, später Aktion Film Österreich. Zwei Jahr zu vor hatten schon eine Handvoll Filmverrückte Teenager das Schüler-Kino-Feldkirchen gegründet, lange ein Dorn im scharfen Filmkritikerauge von HDS. Gezeigt wurde im Schüler-Kino-Feldkirchen alles was Spaß machte. Damals waren es in erster Linie italienische B- und C-Western, italienische Schundfilme, das Blut floss von der Leinwand. Manchmal auch ein paar Komödien und nachmittags Kinderfilme. Alle Filme wurden über die Aktion der Gute Film bezogen, die damals einzige Möglichkeit für die nichtgewerbliche Vorführung Filme zu beziehen. Als HDS die Aktion der Gute Film/Kärnten übernahm sollte sich das schlagartig ändern. Denn in schulmeisterlichster Weise wollte er uns vorschreiben was nun auf die Leinwand kommt. Anti-Kapitalismus wäre das neue Zauberwort der Filmleidenschaft. Filme aus Osteuropa sollten her, das ganze möglichst im Selbstimport, in Originalfassung mit deutschen Untertiteln, was damals für die Kinogeher am Land, aber auch in den Städten Klagenfurt und Villach völlig ungewohnt war.

Sehr schnell kam es zu bösen Konflikten und einem katastrophalen Besuchereinbruch. Das bis dahin sehr beliebte Film-Abo im Volkskino, wurde praktisch pulverisiert und leider auch der verhängnisvolle Wahlspruch Umsatz ist Gewinn und die Untugend die lokalen Kinobetreiber zum Feindbild zu stilisieren, führten zu einer Krise. Anspruchsvolle Filme konnte kaum mehr aufgeführt werden. Eine Krise, die lange nicht behoben werden konnte.
Das Schüler-Kino-Feldkirchen hat diesen Streit nicht mitgemacht. Nach nur einigen Wochen gab es wieder die gewohnten Synchronfassungen und ab 1978, wir waren inzwischen Sechzehn gab es Tod in Venedig von Visconti zu sehen. Viele Filmfreunde aus Klagenfurt und ein paar aus Villach sind nach Feldkirchen gepilgert.

HDS, oder Feltrinelli, wie wir ihn damals nannten, er fühlte sich sehr geschmeichelt, habe ich Jahrzehnte aus den Augen verloren. Ich war längst im Ausland und in der Filmbranche angekommen. Nur ganz ab und zu habe ich ihn bei einem Filmfestival gesehen und das auch nur aus der Ferne. Wir haben nie wieder miteinander gesprochen.

HDS mag ein großer Cineast gewesen sein, der alle Höhen und Tiefen des Kinos in Kärnten mitgemacht hat, was ihn auch mit Klaus Pertl verbindet. Aber eine Kritik sei mir hier gestattet, Horst Dieter Sihler hat das Neue Kärntner Kino, wie es seit 1997 immer wieder von sehr jungen einheimischen Filmemacher*innen zu aktivieren versucht wurde, nie beachtet.
HDS hatte eine regelmäßige Seite in „Die Brücke-Kärntens Kulturzeitschrift“, er hat nicht einmal über die neuen Filmemacher*innen geschrieben. Wieso das so ist? In einem Interview hat er es einmal so formuliert: Wenn die jungen Leute ihn fragen, wie sie ihre Filme machen sollen, dann sage ich ihnen, sie sollen sich an Serge Eisenstein orientieren. ? Völliger Schwachsinn! Eisenstein hat seine Filme innerhalb der mächtigen sowjetischen Filmindustrie gedreht. Der gesamte österreichische Film kann/konnte der Mosfilm nie auch nur den kleinen Finger reichen. Dass es die Nouvelle Vague und New Hollywood gibt ist ihm nie über die Lippen gekommen.

Hat HDS alles falsch gemacht? NEIN! Denn Horst Dieter Sihler war ein unermüdlicher Kämpfer für die Filmkunst im Allgemeinen und für den osteuropäischen Film, den er so schätzte. Er war beseelt von dem Traum, den „alternativen Film“, wie er die Filmkunst nannte nach Klagenfurt zu bringen. Er war einer von vielen Kärntner Intellektuellen die mit einer Hassliebe zu Kärnten verbunden sind/waren und fortgegangen sind, aber HDS ist nach Kärnten zurückgekehrt, um hier für seine Idee vom „unabhängigen Film“ zu streiten.
Er hat es nicht geschafft.

Der osteuropäische Film hat sich nach der Wende von 1989 komplett gewandelt und wieder neu erfunden. Der osteuropäische Film ist moderner und internationaler denn je, der weltweit geschätzt wird, außer in Deutschland und in Österreich und schon gar nicht in Kärnten.
Horst Dieter Sihler bleibt in Erinnerung als ein unbeugsamer Streiter für seine Sache, als ein unmöglicher Querulant, wenn es um die guten oder die schlechten Filme ging, ein ewig Unbequemer in der Kärntner Kulturszene, als ein Altlinker, der von der neuen Linken nichts wissen wollte, vier sehr lesenswerte Büchen alle erschienen im Wieser Verlag und natürlich dasNeue Volkskino in Klagenfurt.

Gibt es doch noch ein versöhnliches Ende zwischen Horst Dieter Sihler, alias Feltrinelli und mir?
Gibt es. 2023 habe ich den Roman Särge für den Bachmannpreis veröffentlicht in dem HDS ein, wie ich denke, treffendes literarisches Denkmal gesetzt wird.

Mit Klaus Pertl und Horst Dieter Sihler verliert das Kino aus Kärnten und auch die Literatur aus Kärnten zwei schillernde Persönlichkeiten. Wir werden uns noch lange an die beiden erinnern. Doch für Trübsal ist keine Zeit, das Kinomuseum Klagenfurt muss weiterbestehen und wie wir von Giuseppe Tornatore wissen: Das Kino stirbt nie!

Klaus Pertl & Horst Dieter Silher, Merci, la vie!

Grüße aus Hermagor, Peter Citti

Literatur:
Buch zu Horst Dieter Sihler: Särge für den Bachmannpreis, Peter Citti, epubli, Berlin 2023
Buch zu Horst Dieter Sihler: Nur eine Illusion, Christine Trapp, neobooks, Berlin, 2018, nur als ebook verfügbar.
Doku zu Horst Dieter Sihler: Der Kinoflüsterer. Mitschnitt einer Lesung mit Dieter Sihler. Gestaltung und Kamera: Chris Haderer, Ö 2018
LendhafenkiNO, von Robert Schabus, 2013
Die Bücher von Horst Dieter Sihler sind im Wieser Verlag, Klagenfurt erschienen.
Buch zum Kinomuseum Klagenfurt und Klaus Pertl: Särge für den Bachmannpreis, Peter Citti, epubli, Berlin 2023
Film mit Klaus Pertl: Krampus und die goldene Rute, GB/USA 2018. In dem Film hat Klaus Pertl zwei kurze Auftritte, außerdem ist das Kinomuseum Klagenfurt ausführlich zu sehen. Derzeit nicht auf VoD verfügbar.

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