„Der Bedarf ist leider da“

Renate Magerle spricht im BB-Interview über den Umgang mit Frauen im Bezirk und über ihr Engagement als Soroptimistin. | Foto: privat
  • Renate Magerle spricht im BB-Interview über den Umgang mit Frauen im Bezirk und über ihr Engagement als Soroptimistin.
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In einer zehnteiligen Interview-Reihe während der Sommerwochen bitten wir interessante Personen aus dem Bezirk vors Bezirksblätter-Mikrophon.

ST. JOHANN (jomo). Renate Magerle, heute Unternehmensberaterin und Wirtschaftscoach, war 1979 gemeinsam mit einer Handvoll engagierter Frauen Mitbegründerin des Soroptimist Clubs Kitzbühel.

Der Soroptimist Club ist der einzige weibliche Serviceclub im Bezirk und sieht sich als eine lebendige, dynamische Organisation für berufstätige Frauen von heute. Der Club agiert auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene und nimmt aktiv an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen der Gesellschaft teil. Die Mitglieder wollen vor allem die Stellung der Frau verbessern sowie Gleichheit, Entwicklung und Frieden fördern. Auf Initiative des Clubs wurde auch das erste Mädchen- und Frauenberatungszentrum im Bezirk in St. Johann errichtet.

BEZIRKSBLATT: Die Soroptimistinnen setzen sich u. a. dafür ein, das Leben von Mädchen und Frauen positiv zu verändern. Wie schaut das im Bezirk aus?
MAGERLE:
„Durch Bewusstmachen, Engagieren und Umsetzen wollen wir Möglichkeiten schaffen, um das Leben von Frauen und Mädchen mit Hilfe unseres globalen Netzwerkes positiv zu verändern – diese Vision wollen wir auch im Bezirk umsetzen. Wir engagieren uns dabei nicht nur karitativ, sondern bringen Themen zur Sprache und fordern Diskussionen ein.“

Ein wichtiges Thema für ihren Club ist die Gleichberechtigung. Ist der Bezirk „frauenfreundlich“?
MAGERLE:
„Es gibt keine ‚Frauenfreundlichkeit‘. Frauen laufen einfach so mit. Tirol ist als Land ja auch machohaft. Die Frauen sind das leider gewöhnt oder ihnen fällt es gar nicht mehr auf. Hier sind die Mütter gefordert, die müssten schon früh auf ihre Söhne Einfluss nehmen, um bei ihnen ein echtes partnerschaftliches Denken zu bewirken.“

Auf Initiative der Soroptimistinnen wurde das Frauenberatungszentrum im Bezirk ins Leben gerufen. Ihr Resümee bis heute?
MAGERLE:
„Das war ein wichtiger und richtiger Schritt, zu unserem 30-jährigen Jubiläum nicht ein Fest zu schmeißen, sondern eine Anlaufsstelle für Frauen und Mädchen zu schaffen. Das Beratungspensum nimmt laufend zu. Die zwei teilzeitbeschäftigten Diplomsozialarbeiterinnen helfen bei Kleinigkeiten, wie der Arbeitnehmerveranlagung, aber betreuen auch schwerst traumatisierte Frauen.“

Man könnte annehmen, dass Frauen in der heutigen Zeit emanzipiert sind. Warum lassen sich viele trotzdem in eine Opferrolle drängen?
MAGERLE:
„Frauen sind in den Strukturen gefangen. Sie müssen Kinder und Arbeit vereinbaren, müssen tagtäglich funktionieren – da bleibt oft keine Kraft mehr zum kämpfen, wenn sie psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind. Auch die Erziehung spielt eine Rolle. Mädchen bekommen oft schon von klein auf zu hören ‚das kannst du nicht!‘ und ‚du musst lieb und brav sein‘.“

Das Beratungszentrum wird vor allem durch die Soroptimistinnen und durch Spenden finanziert. Fühlen Sie sich von der Politik manchmal im Stich gelassen?
MAGERLE:
„Ja, sehr sogar. Einige Gemeinden stehen uns wohlwollend gegenüber. Manche Gemeinden haben aber unser Förderansuchen schlichtweg ignoriert. Auch vom Land Tirol haben wir bis heute noch keinen Cent bekommen. Ich habe LH Günther Platter beim ÖVP-Tag im Frühjahr persönlich darauf angesprochen, weil er in großen Tönen verkündet hat, dass jeder Bezirk ein Frauenberatungszentrum braucht und, dass das vom Land natürlich unterstützt wird – bis jetzt können wir noch keine Zusage in den Händen halten...
Aber aus diesem Anlass möchte ich mich auch bei jenen bedanken, die uns unterstützen. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Spende bzw. Förderung, sondern ist eine Wertschätzung für die Mädchen- und Frauenarbeit! Ein großes Dankeschön!“

Seit dem Frühjahr gibt es erstmals eine Notwohnung für Frauen im Bezirk. Wie groß ist der Bedarf?
MAGERLE:
„Der Bedarf ist leider da. Eine ExpertInnengruppe des Europarates, die 1997 einen Bericht und Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen veröffentlichte, stellte fest, dass sogar ein Platz pro 7.500 EinwohnerInnen notwendig wäre! In der Übergangswohnung können zwei Frauen mit max. fünf Kindern gleichzeitig bis zu einem halben Jahr eine sichere Bleibe finden.“

Die Soroptmistinnen engagieren sich auch auf internationaler Ebene – was sind die wichtigsten Projekte?
MAGERLE:
„Auf EU-Ebene wird das Projekt ‚Soropotimist go for water – safe water for safe live‘ forciert. Bis heute konnten die Clubs über 1,5 Mio. Euro für Wasserprojekte aufbringen. International wird mit dem Projekt ‚SIerra‘ eines der ärmsten Länder der Welt unterstützt. Vor allem Frauen sollen in Sierra Leone Bildung und Fertigkeiten erhalten, damit sie ihren Lebensunterhalt verdienen können und die Kinder in die Schule gehen können. Als zentrales weltweites Thema setzen wir uns dafür ein, dass Frauen Zugang zu Bildung haben und Führungsfähigkeiten entwickeln.“

Zurück nach Österreich. Die Debatte über eine Änderung der Bundeshymne ist gerade wieder im laufen – sollen die „Töchter“ im Text Einzug halten?
MAGERLE:
„Eigentlich dürfte sich diese Frage gar nicht stellen! Es ist selbstverständlich, dass die Töchter mit hinein gehören.“

Welche Projekte werden die Soroptimistinnen im Bezirk in Zukunft verfolgen?
MAGERLE:
„Unser Hauptprojekt wird sicher der Ausbau des Mädchen- und Frauenberatungszentrums im Bezirk bleiben. Wir werden uns aber auch weiterhin für hilfsbedürftige Familien und Frauen engagieren und das Frauen-Netzwerk weiter ausbauen. Von 16. bis 17. September organisieren wir wieder einen Flohmarkt – damit wir zu Geld kommen!“

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