Im Bezirksblätter-Gespräch
"Keine Angst vor Visionen"

Michael Wolkenstein stand Rede und Antwort. | Foto: Schilling
  • Michael Wolkenstein stand Rede und Antwort.
  • Foto: Schilling
  • hochgeladen von Nadja Schilling

Interview mit Filmproduzent Michael Wolkenstein anlässlich des Filmfestivals Kitzbühel 2020.
KITZBÜHEL (navi). Die BEZIRKSBLÄTTER haben den Oscar-nominierten Filmproduzenten, Präsidenten des Vereins der Freunde des Filmfestivals Kitzbühel Michael Wolkenstein (geb. 1940) in Kitzbühel zum Interview getroffen. Wolkenstein ist u. a. Gründer der SATEL Film und produzierte mit seiner Firma zahlreiche Erfolgsfilme (Kino u. a. "Der Schüler Gerber", TV), aber auch Kultserien wie „Kottan ermittelt“ oder die „Piefke-Saga“.

BEZIRKSBLÄTTER: Vorab: Sie waren Oscar-nominiert?
WOLKENSTEIN:
"Für den Film '38 – Auch das war Wien' in der Regie von Wolfgang Glück gab es im Jahr 1986 die erste Oscar-Nominierung für einen österreichischen Film."

Wenn man Sie googelt, ist man überfordert angesichts der Aufzählung all Ihrer Filmproduktionen, Auszeichnungen, Mitwirkung in Vorständen von Vereinen, Verbänden – und zuguterletzt auch ein Linienpilotenschein. Wie kommen Sie zu ihrer Funktion beim Filmfestival in Kitzbühel?
„Ich bin seit langem mit Kitzbühel verbunden, zum Teil auch hier ansässig, und ich kenne die Familie Reisch seit Jahrzehnten. Eines Tages bin ich von Michael Reisch - berufsbedingt - angesprochen worden. Ich weiß es noch heute: Als er mich anrief und sagte, dass er vorhabe, ein Filmfestival in Kitzbühel zu gründen, war meine erste Reaktion: 'Bist Du verrückt?'. Dann schilderte er mir alles mit sprühendem Enthusiasmus und einem glasklaren Konzept, so dass ich ihm meine Unterstützung zugesagt habe. Ich bin unter anderem Vorstandsmitglied und Treasurer der FIAPF (Fédération Internationale des Associations de Producteurs de Films). Wir sind diejenigen, die Internationale Festivals akkreditieren und die Regelungen festlegen. Mein Rat war damals: 'Macht es bitte von Beginn an regelkonform, wenn Ihr international sein wollt!' Dann kam schon das erste Festival, und mit ihm auch die Idee, einen Verein der Freunde und einen Beirat zu gründen, wo ich den Vorsitz übernommen habe.“

Wie hat sich das Festival in den bisherigen Jahren entwickelt?
„Bereits beim ersten Filmfestival hat mich fasziniert, mit welchem Mut und Engagement diese jungen Leute alles begonnen haben. Die namhafte Jury-Besetzung gilt als Anerkennung, dass hier etwas los ist! FFKB ist nicht nur ein Film-Schauplatz, sondern in erster Linie ein Meetingpoint für Filmemacher, eine Plattform zum Austausch zwischen der Jugend und den 'Alten Hasen' der Filmindustrie. Richtige Leute zu kennen und gute Kontakte zu haben, ist in unserer Branche überlebenswichtig. Filme zu produzieren kostet viel Geld, und selbst eine brillante Filmidee ist nichts wert, wenn diese keine finanzielle Unterstützung von Förderern, Investoren und Sponsoren bekommt.“

Woran soll Ihrer Meinung nach das FFKB noch arbeiten?
"Ich habe zwei Wünsche: Der erste wäre, das heimische Publikum ins Kino zu bringen. Viele haben wahrscheinlich Schwellenangst vor Arthouse-Filmen oder exklusiven Veranstaltungen. Sie denken, dass das Filmfestival nur für Leute bestimmt sei, die der Filmbranche nahe sind. Au contraire - ganz im Gegenteil! Unser Ziel ist, möglichst viele Einheimische zu animieren, ins Kino zu gehen. Natürlich hat Kitzbühel einen großen Nachteil, der vielleicht sogar ein Vorteil ist: Kitzbühel ist keine Universitäts- oder Hochschulstadt. Nun: Bei diversen Filmfestivals unter ähnlichen Bedingungen funktioniert es ja auch. Der zweite Wunsch wäre, dass die Leute sich auch Dokumentar- und Kurzfilme anschauen. Diese sind oft sehr gut, wesentlich aufwendiger gemacht als Fernseh-Dokus, und erzählen oft herzzerbrechende Geschichten aus dem realen Leben, wo man sich ohne Schaueffekte nur auf die Erzählung konzentriert, vielleicht den Wissenshorizont erweitert und zum Nachdenken anregt. Das muss man nicht nur bedienen, sondern auch schmackhaft machen.“

Wie sehen Sie die Weiterentwicklung für die Filmindustrie im Schatten der Pandemie?
„Da muss man zwei Dinge unterscheiden: den Produktions- und den Vertriebsbereich. Die Produktion ist schwierig, aber möglich. Sie wird um etliches teurer durch die Hygienemaßnamen, aber das ist bereits im Anrollen. Das Zweite - was mich persönlich nachdenklich stimmt – ist, dass durch Corona und Social Distancing das 'Erlebnis Kino' verlorengeht. Bei zehn Leuten im Kinosaal hält ein Kinobetreiber nicht lange durch. Es ist sicher bequem, daheim in Pantoffeln Video-on-Demand, Netflix und ähnliches zu konsumieren. Ich bewerte es weder negativ noch positiv, nur fürchte beziehungsweise hoffe ich, dass dies keine Umdrehung der Sehgewohnheiten ergibt. Auf der anderen Seite wird jeder zugeben, dass selbst ein großer Bildschirm keine Leinwand ersetzen kann, auch nicht das soziale und Gemeinschaftserlebnis. Es bleibt zu hoffen, dass dies sich nicht derartig wandelt. Das Filmtheater, das Kino, war schon immer die Messlatte, der Maßstab und die Lokomotive. So soll es auch bleiben.“

Es gibt unzählige Filmfestivals weltweit. Wo würden Sie das FFKB einordnen?
„Viele Filmfestivals bieten eine Bühne für Filme, die sonst nicht auf kommerzielle Leinwände kämen, im Sinne eines Geschäftsmodells. Es gibt auch um die 200 kompetitive Filmfestivals, die sich um Anschauen, Innovation, Bewertung und Prämierung kümmern. Das Filmfestival in Kitzbühel ist klein und wertvoll - und mit gutem Recht dabei, weil es hier unter anderem zum Meetingpoint für den Nachwuchs geworden ist. Die Jury und viele prominente Gäste, die sich nach Filmpräsentationen im Filmtheater, im Autokino sowie beim Kino am Berg, - hier in Kitzbühel, von Bergen umarmt - herzlich willkommen und umsorgt fühlen, sind weitere Besonderheiten dieser Location. Erwähnenswert ist auch die Drehbuchklausur, die ein wichtiger Bestandteil des Festival ist, da sie jungen Autoren die Weiterentwicklung der Bücher in einem dreiwöchigen Seminar ermöglicht und das Drehbuch ist ja die Grundlage für jeden Film."

Sie haben auch einen Linienpilotenschein sowie ein Bedarfsflugunternehmen. Ist es ein Hobby, welches Ihrem Namen zu verdanken ist?
„Ja, das ist mein Hobby, das mir einen weiten Überblick verschafft, meinen Kopf von der Tagesroutine befreit und mich das Leben global sehen und bewerten lässt. Das Fliegen war aber nicht nur eine Leidenschaft, sondern auch ein ernsthafter 'Zweitberuf". Wir Menschen können ja nicht fliegen, aber - im übertragenen Sinn - sollen wir es versuchen, sprich: keine Angst vor Visionen haben, große Ziele erreichen zu können. In diesem Sinn wünsche ich dem Filmfestival in Kitzbühel einen hohen und weiten Flug für die Zukunft!“

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.