Das Vibrissen-Dilemma
Eine haarige Debatte um die Tasthaare
Die Tainacher Tierärztin Dr. Claudia Kreil-Ouschan über das Verbot des Scherens und Abschneiden der Tasthaare: "Bei gewissen Rassen verkleben die Tasthaare und können sich entzünden."
GRAFENSTEIN. In Fachkreisen werden sie "Vibrissen genannt. Dabei handelt es sich um die Sinus-, Tast- oder Sinneshaare. Diese sind ein wichtiger Teil des taktilen sensorischen Apparats bei nahezu allen Säugetieren, nur der Mensch hat keine. Laut dem österreichischen Tierschutzgesetz ist das Abschneiden der Tasthaare strengstens verboten – das sorgt bei Tierärzten und Hundefrisören für Diskussionen, aber auch für Verunsicherung.
Verklebungen sind möglich
"Man kann dazu keine generelle Aussage treffen. Natürlich sind die Tasthaare für gewisse Rassen extrem wichtig, für andere haben sie kaum eine Bedeutung", sagt Tierärztin Dr. Claudia Kreil-Ouschan. Die Tainacherin betreibt die Praxis Fellcheck in Grafenstein und hat sich auf das Gebiet Dermatologie spezialisiert. Sie spricht sich für eine Diversifizierung aus, denn bei gewissen Rassen kann es zu Verklebungen und in weiterer Folge zu Entzündungen der Haut kommen.
Gesetz spricht von "Teilamputation"
Bei den Rassen Pudel, Lagotto Romagnolo und Malteser rät die Expertin genau hinzuschauen. Aufgrund ihres nachwachsenden Fells müssen diese nämlich geschoren werden. Zudem ist das Scheren und Schneiden der Haare – und das Stehenlassen der Tasthaare – im Schnauzenbereich sehr schwer, nur ausgesprochen brave Tiere lassen diese langwierige Prozedur über sich ergehen. "Es handelt sich hier um ein Gesetz, bei dem wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen ist“, sagt Kreil-Ouschan. Wer gegen das Tierschutzgesetz verstößt, riskiert Strafen. Die Tierärztin spricht sich gegen ein Anzeigen von Hundehaltern aus. Bei gewissen Rassen seien Atteste nötig, dass ein Kürzen der Haare im Schnauzenbereich bei ausgewählten Fällen medizinisch notwendig ist.
Ihr Patient – ein Romagnolo
"Die Vibrissen haben sehr wohl eine Bedeutung, diese wird aber manchmal überschätzt. Wenn Katzen sich z.B. bei Kerzen die Tasthaare verbrennen, dann irritiert sie das ein bis zwei Tage, danach finden sie sich in ihrer Umgebung aber wieder tadellos zurecht", sagt Kreil-Ouschan.
Die Tierärztin hat u. a. einen der gerade so angesagten Romagnolo als Patienten. Bei ihm verkleben die Haare an der Schnauze, werden diese nicht geschnitten. "Der Patient hat bei der Suchleistung ohne Vibrissen kein Problem – diese Rasse wird seit geraumer Zeit zur Trüffelsuche verwendet", sagt Kreil-Ouschan.
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