Dreimal Hölle und retour

Karl Nessmann schrieb das persönliche Fachbuch "Dreimal Hölle und retour" (Verlag myMorawa) | Foto: Lehner
2Bilder
  • Karl Nessmann schrieb das persönliche Fachbuch "Dreimal Hölle und retour" (Verlag myMorawa)
  • Foto: Lehner
  • hochgeladen von Christian Lehner

KLAGENFURT (chl). Karl Nessmann war Medien- und Kommunikationswissenschaftler an der Uni Klagenfurt. In seinem Buch "Dreimal Hölle und retour!" schreibt er über seine Burn-out-Erkrankung, seine Depression und Sucht. Für die WOCHE-Leser beschreibt er den Weg dorthin und zurück.

Der Weg ins Burn-out: "Ich gehöre offenbar zu jenen, die ein zufriedenes Leben geführt haben: erfolgreich auf der Uni und in der Gesellschaft, höhere Position, sportlich, glückliche Familie und eine Frau, mit der ich nach 40 Jahren immer noch zusammen bin. Man denkt sich: So einem kann das nicht passieren. Ist mir aber passiert, weil ich Muster verfolgte, die typisch sind für Menschen, die ein Burn-out erleiden: innere Antreiber wie ,das muss jetzt sein', ,ich muss pünktlich sein', ,ich muss das und das noch erreichen' … Also Persönlichkeitsmuster, die ich mir im Laufe des Lebens erworben habe.
In meinem Beruf war ich sehr überlastet als Hochschullehrer in einem Modestudium wie Publizistik mit tausend Studenten. Es brennen aber nicht alle Hochschullehrer aus, der Knackpunkt war wieder ich selbst, da ich auch hier ein typisches Muster verfolgt habe: der Hilfsbereite. Ich war der, der für jeden Studenten ein Ohr gehabt und sich Zeit genommen hat. Dazu war ich noch der Ehrgeizige, was erst recht zu meiner Überforderung beigetragen hatte.
Ähnlich war es in der Familie und im Freundeskreis: Auch da wollte ich für alle da sein.
Die Batterie wird leer und das Aufladen funktioniert nicht mehr wie die Jahrzehnte davor: Zwei, drei Tage Urlaub und ein Jahresurlaub von zwei Wochen haben nicht mehr gereicht, da die Batterie defekt war. Einer mit Burn-out braucht sechs Wochen Auszeit oder Reha. Das habe ich natürlich nicht gemacht.
Du fühlst dich leer, alles dreht sich im Kreis, man kann sich nicht mehr konzentrieren, man vergisst. Und auf der körperlichen Ebene beginnt es ebenfalls zu zwicken. Ich hatte einen starken Nervenschmerz in der Brust und reagierte entsprechend einem anerzogenen Muster: Ein Indianer kennt keinen Schmerz."

Der Weg in die Depression: "Trotz der körperlichen, geistigen und seelischen Symptome habe ich nicht reagiert, nichts unternommen, stattdessen kippte ich in eine Depression. Bis vor hundert Jahren nannte man eine Depression Melancholie, also Schwermut: Auf allen drei Ebenen fühlst du Schwermut, eine tiefe Traurigkeit. Und wo du im Burn-out ein kleines Loch in der Seele gespürt hast, fühlst du jetzt einen schweren Klumpen.
Die Folge davon ist, dass man sich sozial zurückzieht. Geistig werden die Gedankenkreise immer stärker, was bei mir zu einem Zählzwang und extremen Entscheidungsschwierigkeiten führte. Du stehst im Geschäft und schaffst es nicht, drei Sachen einzukaufen. Die Schwermut äußerte sich auch in meiner Körperhaltung: Ich habe begonnen, in gebückter Haltung nach unten zu schauen, mit nach vorne hängenden Schultern und Beinen wie Blei."

Der Weg in die Sucht: Viele Menschen greifen in einer Krise auf Suchtmittel zurück. Bei mir war es der Alkohol, denn den war ich als Genussmittel gewohnt. Der Konsum von Suchtmitteln führt kurzfristig zu einer Erleichterung: Die Schwere der Depression fällt ab und du fühlst dich kurzfristig leichter. Aber irgendwann beginnst du, diese scheinbare Entspannung immer öfter zu brauchen. Und so kommt zur Depression die Sucht. Die Sucht hat einen eigenen Verlauf: Zuerst hast du das Verlangen nach immer mehr, dann folgt die Steigerung der Dosis und schließlich der Zwang: Du brauchst es unbedingt. Dazu kommt noch die Schlaflosigkeit, die dich um zwei Uhr früh zum Kühlschrank treibt. Und eines Tages folgt der Kontrollverlust, da kippst du dir so viel rein, dass du nicht mehr du selbst bist. Begleitet werden die verschiedenen Stufen von Entzugserscheinungen, die sich beispielsweise durch Zittern äußern. Was zur Folge hat, dass du dein Bier verschüttest und daher etwas Stärkeres brauchst, um weiter trinken zu können.
Sucht ist eine eigene Krankheit, der Übergang vom Missbrauch zur Krankheit ist fließend." 

Der Weg zurück: "Ohne Hilfe schaffst du es nicht! Ich hatte das Glück, eine Frau und eine Familie zu haben, die hinter mir gestanden sind. Meine Frau hat mich eingewiesen, dafür werde ich ewig dankbar sein. Zur Hilfe gehören klarerweise die Ärzte, die Therapie, die Reha. Und auch eine Portion Glück: Ich hätte ja an Verletzungen aufgrund meines Kontrollverlustes schon hundert Mal irgendwo verbluten oder sonst etwas können.
Mir zu Hilfe gekommen ist aber auch meine Persönlichkeitsstruktur: Aufgeben tut man einen Brief, aber nicht ich mich selbst."

Karl Nessmans Ratschläge für die Burn-Out-Prävention:
1. Achte auf Signale des Körpers! (Nessmann: "Bei mir war es Nervenschmerz.")
2. Achte auf Signale der Seele bzw. deiner Gefühle! ("Mir sagte sie: Meine Seele will baumeln, ich will mehr Ruhe und Frieden.")
3. Achte darauf, was der Verstand dir sagen will! ("Bei mir: Pass auf, dass du nicht in eine Gletscherspalte fällst.")
4. Achte auf verbale-nonverbale Signale der Umwelt, von Freunden, Kollegen ("Mach eine Pause, Urlaub, Auszeit.")
Zu guter Letzt rät Nessmann: "Im Zweifelsfall orientiere dich an deinem Bauchgefühl, an deiner Intuition und folge der Stimme deines Herzens!"
Bildlich ausgedrückt, so Nessmann, fand er den Spruch auf einem Gkückskeks sehr treffend: "Wenn man anfängt, seinem Passfoto ähnlich zu sehen, sollte man dringend Urlaub machen."

Nessmann über seine Arbeit am Buch:  "Das Buch zu schreiben war einerseits eine Form von Selbsttherapie. Als Wissenschaftler wollte ich aber kein reines Outing-Buch verfassen, daher habe ich meine persönlichen Erfahrungen ergänzt und untermauert durch wissenschaftliche und fachliche Aspekte. Daher wurde es ein persönliches Fachbuch.
Mit dem Schreiben begonnen habe ich, nachdem ich etwa zwei Jahre trocken war, daran recherchiert und geschrieben habe ich ebenfalls um die zwei Jahre."
Zum Buchtitel: "Weil ich die drei Höllen dieser Krankheiten durchgemacht habe – und retour, weil mein Hauptanliegen war, auch die Wege aus der Krise aufzuzeigen. Und zwar durchaus auch dahingehend, um zu zeigen, wieviel einem Betroffenen zur Verfügung steht, herauszukommen."
Das Outing selbst ist Nessmann nicht leicht gefallen. "Das Manuskript ist seit vier Jahren fertig, vor zwei Jahren hat mir ein Freund einen Schubser gegeben, um es endlich herauszubringen, aber erst jetzt getraue ich damit an die Öffentlichkeit."
Zeit und Geduld: "Du musst dir Zeit geben für die Heilung, was besonders schwierig ist, wenn man gewohnt ist, mittendrin im Hamsterrad zu stecken.
Du brauchst allein schon Zeit, um die Hilfsangebote - wie Gespräch, Entspannung, autogenes Training, Natur, Bewegung, Sport, Yoga, Musiktherapie etc. – annehmen und ausprobieren zu können. Denn eines ist klar: Du musst echt viel ausprobieren, bis du deine eigene Methode, deinen eigenen Weg gefunden hast. Für mich das Richtige war das Trommeln, Musik, das Zurückfinden zum Sport."

"Dreimal Hölle und retour!"
Karl Nessmann nennt sein Buch ein "persönliches Fachbuch". Er analysiert darin die Ergebnisse der Forschung und bringt diese in Bezug zur persönlichen Krankengeschichte, erklärt Ursachen, Symptome und Folgen von Burn-out, Depression und Sucht und liefert konkrete Hinweise über ganzheitliche Behandlungsmethoden für Körper, Geist und Seele für den Weg zurück ins Leben. Ein Erste-Hilfe-ABC und hilfreiche Fragen zur Selbstreflexion fassen die Ausführungen zusammen. Erschienen im Verlag myMorawa.
Buchpräsentation mit dem Autor: 18. Oktober, 19 Uhr, Kärntner Buchhandlung (Morawa), Neuer Platz, Klagenfurt

Karl Nessmann schrieb das persönliche Fachbuch "Dreimal Hölle und retour" (Verlag myMorawa) | Foto: Lehner
Karl Nessmann schrieb das persönliche Fachbuch "Dreimal Hölle und retour" (Verlag myMorawa) | Foto: myMorawa
Anzeige
Die LAGANA-Küche lädt zum Brunch auf Kärntens schönster Flussterrasse. | Foto: Simone Attisani
3

voco Villach und LAGANA
Lässig ins Wochenende starten

In „Kärntens schönstem Wohnzimmer“ verwöhnt das LAGANA ab 4. Mai jeden Samstag mit einem exklusiven Lifestyle-Brunch. KÄRNTEN. Den Beats von DJ David Lima auf der Flussterrasse lauschen und sich dabei einen Brunchdrink gönnen: Der Samstags-Brunch „Trés Chic“ verwöhnt während der warmen Monate. „Très chic“ Aus der „Très-chic-Karte“ wählen die Gäste aus verschiedenen Á-la-carte-Gerichten mit französischem Charme. Das LAGANA-Küchenteam ließ der Kreativität freien Lauf, es warten raffinierte...

Anzeige
Mitspielen und "Fleurie Lounge Set 4-teilig" gewinnen! | Foto: Hagebau Mössler
1

Woche Quiz
Hagebau Mössler Wertgutscheine gewinnen. Jetzt mitspielen!

Jetzt mitmachen und gewinnen: Wir verlosen im Mai wöchentlich € 50,00 Wertgutscheine von Hagebau Mössler in Villach Landskron und am Monatsende unter allen Teilnehmern als Hauptpreis ein „Garden Impressions Outdoor“ Gartenmöbel-Set. "Hier hilft man sich", so das Motto des Unternehmens. Hagebau Mössler in Villach Landskron ist DER serviceorientierte Baumarkt für die Bereiche Heimwerken und Wohnen. Hier finden Heimwerker und Profis Top-Angebote von Bodenbelägen und Türen sowie Werkzeuge,...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.