Hilfsprojekt
Zwei Wochen freiwillig im Operationsaal im tiefsten Nigeria
40 Operationen in fünf Tagen – und das ohne jegliches Entgelt: Der Kremser Chirurg Tobias Steirer erfüllte sich mit einem zweiwöchigen freiwilligen Hilfseinsatz einen lang gehegten Traum und verhalf damit einer Menge Menschen zur Genesung. Mit dabei war die gelernte OP-Schwester und nunmehrige KL-Universitätsdozentin Hanna Mayer.
KREMS. Es ist ein groß angelegtes Hifsprojekt, das Emeka Emeakaroha aus Nigeria ins Leben gerufen hat: von Schulen bishin zur medizinischen Versorgung. Emeakaroha kam 1995 nach Österreich und ist nun Pfarrer von Obergrafendorf. Emeka gehört einer Royal Family an und ist ist Sohn des Dorfvorstandes von Umunohu, einem Ort mit 5.000 Einwohnern, der über keine städtische Infrastruktur verfügt.
Medizinische Schwerpunktaktionen
Immer wieder werden andere medizinische Schwerpunktaktionen ins Leben gerufen, welche in Nigeria mit Plakaten angekündigt werden und massenhaft Hilfesuchende in das Krankenhaus locken. Im Zuge des Projekts reiste auch schon der Mediziner Clemens Vass (Licht für die Welt) nach Nigeria, um 120 Augenoperationen in vier Tagen durchzuführen.
Nun richtete sich der Fokus auf die Chirurgie.
Was ist die Motivation?
Tobias Steirer ist Allgemeinchirurg mit Schwerpunkt Hand- und Venenchirurgie, betreibt eine Praxis in der Oberen Landstraße in Krems und erzählt, wie er zu diesem Einsatz gekommen ist: "Pfarrer Emeka kam eines Tages als Begleitperson zu mir in die Ordination, drückte mir einen Folder in die Hand – einen Jahresbericht des Projekts, den ich lange zuhause herumliegen hatte. Auch wenn er einen alten Wunsch wieder erweckt hat, so habe ich ihn erst einmal auf die Seite gelegt."
Mit "Ärzte ohne Grenzen" habe Tobias Steirer zwar immer wieder geliebäugelt, aber dieses Projekt hätte ihn zu lange verpflichtet, Emekas Projekt schien hingegen unkompliziert. Darum kontaktierte der Chirurg den Pfarrer, traf sich zwei Mal mit ihm und entschied: "Ich bin dabei!"
"Es war etwas, was ich immer schon machen wollte, bevor ich Familie hatte, es war mir immer ein Anliegen. Nun war es plötzlich da", freute sich der Arzt, der sonst nur noch in der Privatmedizin tätig ist, "ich reise gern und viel, erlebe gerne Abenteuer und lasse mich auf Dinge ein, von denen ich nicht genau weiß, wie sie werden."
Zwei Wochen unter Polizeischutz
Aufregendes gab es tatsächlich, denn ohne Polizeieskorte mit Maschinengewehren konnte er in Nigeria keinen Schritt tun.
Den Flug und Spesen bezahlte Tobias Steirer, sowie die anderen Projektteilnehmer, selbst. Bis auf Sonntag, ging es die ganze Woche durch von 9 bis 18 Uhr, bloß eine halbe Stunde Mittagspause war ihm vergönnt.
"Der ganze Wartebereich, ein langer Gang, war stets gesteckt voll mit Leuten, sie kamen von weit her", erzählt Tobias Steirer, "die zwei Wochen, die wir dort waren, war die medizinische Versorgung gratis, sonst kostet sie."
Großer Run auf die OPs
Im Regelbetrieb versorgen zwei nigerianische Ärzte die Menschen vor Ort. Parallel zum Einsatz wurden auch OPs wie Blinddarmoperationen und Kaiserschnitte durchgeführt.
Die Zuweisung erfolgte während des zweiwöchigen Einsatzes durch die ansässigen Spitalsärzte. Tobias Steirer konnte dort seinem Spezialgebiet Handchirurgie fröhnen, korrigierte aber auch Narbentumore (Keloide), zum Beispiel rekonstruierte der Arzt, der auch in der plastischen Chirurgie bewandert ist, Ohren.
Steirer berichtet: "Der Vorteil ist, Handchirurgie funktioniert ohne Vollnarkose, nur mit Regionalanästhäsie. Karpaltunnelsyndrome, Narbenkorrektur nach Verbrennungen, Ganglien – Zysten, die sich vom Handgelenk ausstülpen, auch Bibelzysten genannt, oder Schaumverödungen bei Venen standen dort auf der Tagesordnung."
Der Arzt schwärmt: "Noch nie habe ich so ein positives, lebensfrohes Volk erlebt, Stress gibt es keinen, sie sind sehr entspannt. Die Leute sind dankbar und angenehm."
Materialspenden gesammelt
Der Arzt flog nicht einfach mit den wichtigsten Reiseaccessoires, sondern mit schwerem Übergepäck. "Wir haben im Vorfeld monatelang Materialspenden gesammelt: 80 Packungen Kompressionsstrümpfe, Verbandsmaterial, Medikamente von der Vindobona-Apotheke in Wien gespendet, Material der Firma Lohmann & Rauscher und Spenden von Spitälern."
Anfang Jänner traf sich das Team um Kisten einzupacken und schließlich brachte jeder Reisende eine Kiste mit Hilfsgütern nach Nigeria mit.
OP-Schwester in Afrika
Mit dabei im Team war auch Hanna Mayer, eine gelernte OP-Schwester, die nun an der Karl Landsteiner Universität Pflegewissenschaften unterrichtet. Sie war schon das dritte Mal dabei. Die letzten Jahre stellte sie sich mit Kinderchirurgen in den Operationssaal.
"Sie ist eine großartige Krankenschwester mit Fingerfertigkeit, die ihresgleichen sucht", berichtet der Arzt von der guten Zusammenarbeit, "wir hatten ungefähr 40 Operationen in fünf Tagen, und Hanna Mayer leistete auch in der Nachversorgung Großes."
Brillenstraße
In Umunohu wird von Zeit zu Zeit auch ein Brillenprojekt gestartet, für das auch Optiker anreisen, die ausmessen, eingeschleifen, die Daten im System erfassen, und fertige Brillen zur Verfügung stellen. Und der Bedarf ist riesig, pro Brillenprojekt werden 2.000 Patienten durch die Brillenstraße geschleust.
Schule und mehr Soziales
Bahnbrechend sei auch das Schulprojekt, das mit Spenden aus Österreich aktuell 900 Kindern Schulbildung ermöglicht. Die Schulplätze werden über Patenschaften finanziert, mit 100 Euro im Jahr kann ein Pate das Schulgeld für ein Kind, finanzieren. Zurzeit laufen 600 Patenschaften, was Emeka mit Freude erfüllt: Es entsprangen dieser Schule schon eine Medizinstudentin und eine Pharmaziestudentin.
Auch ein Frauenhaus, ein Wohnheim für Geistliche Schwestern und andere soziale Einrichtungen sind in diesem Projekt enthalten.
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