Amtsarzt & BH beschwören
"Impfen! Aus Rücksicht vor sich selbst und den Nächsten"

"Man vergleicht eine Maserninfektion durchaus mit einer HIV-Infektion von der Wirkung auf das Immunsystem her", weiß Dr. Stefano Longato.
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  • "Man vergleicht eine Maserninfektion durchaus mit einer HIV-Infektion von der Wirkung auf das Immunsystem her", weiß Dr. Stefano Longato.
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Auch im heurigen Winter gab es wieder einige Masernverdachtsfälle im Bezirk Kufstein, mit vier tatsächlich Erkrankten kann sich die BH Kufstein über einen "relativ glimpflichen" Verlauf freuen. Beim "Impftag" am 24. April beraten und impfen die Amtsärzte der Bezirkshauptmannschaften in ganz Tirol, teils bis 19 Uhr.

KUFSTEIN (nos). Amtsarzt Dr. Stefano Longato, Claudia Huber-Wurzenrainer (Gesundheitsrecht, BH Kufstein) und Bezirkshauptmann Christoph Platzgummer ziehen im Gespräch mit den BEZIRKSBLÄTTERN eine Bilanz über die Masernfälle des heurigen Winters und die Impfmoral im Bezirk.

Vier akute Masernerkrankungen wurden der BH Kufstein heuer gemeldet, im Vergleich zum Jahr 2017 verlief die Ansteckung also "relativ glimpflich", wie Amtsarzt Longato resümmiert. So paradox es klingen mag, spielten der Gesundheitsbehörde die elf verifizierten Erkrankungen 2017 dabei durchaus in die Hände: "Wenn eine Infektionswelle auftritt und darüber berichtet wird, dann werden die Menschen aufmerksam und lassen sich eher impfen", wissen Dr. Longato und Claudia Huber-Wurzenrainer aus Erfahrung.

Wenn nicht geimpft wird, kommen die Krankheiten zurück

"Irgendwie hat man das Gefühl: 'Aus den Augen, aus dem Sinn'. Die Leute haben lange nichts mehr von diesen epidemiologischen Erkrankungen gehört, waren lange nicht mehr damit konfrontiert, und dann lässt automatisch die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung nach. Dann denkt man gar nicht mehr daran, dass es so etwas noch gibt. Wir sind aber in den letzten Jahren immer stärker damit konfrontiert worden, dass dem eben nicht so ist", stellt BH Christoph Platzgummer fest, "wenn man die Vorsorgemaßnahmen unterlässt, dann haben wir diese Krankheiten selbstverständlich auch wieder bei uns."
Nicht nur für den Bezirkshauptmann ist es auch eine Frage der Eigenverantwortung, für sich selbst und die Umgebung, sich gegen Infektionskrankheiten impfen zu lassen.

"2017 war sicher schlimmer als heuer, muss man sagen. Da hatten wir elf verifizierte Fälle, heuer hatten wir vier. Die heurigen Fälle beim Kinderarzt in Jenbach waren Kontaktpersonen, die hat man abfangen können, bevor es zu einer Infektion gekommen ist – zum Glück. Das ist eine der Vorsorgemaßnahmen, die bei rechtzeitigem Eingreifen auf jeden Fall funktionieren können", führt Dr. Longato aus. Von der "kleinen Masernepidemie" 2017 habe man in diesem Winter profitieren können, da sich aufgrund dessen Viele haben impfen lassen. "Zum Glück hat es uns nicht so schlimm erwischt wie die Salzburger, oder die Grazer, die hat es wirklich auf dem falschen Fuß erwischt", sagt der Amtsarzt, "hätte 2017 nicht nachgewirkt, hätte es uns genauso stark treffen können wie in Graz oder in Salzburg."

Meldepflicht, Bescheid & Konsequenzen

Die Masern sind eine meldepflichtige Infektionskrankheit nach dem Epidemiegesetz, erklärt Claudia Huber-Wurzenrainer. Das heißt bestimmte Personengruppen, etwa Ärzte, Krankenhauspersonal, Labore, Schul- oder Kindergartenleiter sind verpflichtet, Verdachtsfälle an die BH zu melden. Die Inkubationszeit, also die Zeit zwischen dem Aufschnappen des Virus und dem Ausbruch der Masern, beträgt 21 Tage. Viel Zeit zur Weiterverbreitung, zumal die Masernviren auch über feinste Tröpfchen beim Husten in die Umgebung gelangen können und sich rund zwei Stunden lang im Raum halten können, wie der Mediziner ausführt. Wer mit Erkrankten oder unter Masernverdacht Stehenden in Kontakt kommt, wird von der BH darüber informiert. Die direkt Betroffenen erhalten einen Bescheid der Behörde, der eine Absonderung (Quarantäne) oder eine "Verkehrsbeschränkung" für die Inkubationszeit bzw. die Dauer der Erkrankung beinhalten kann, so die Gesundheitsrechtsexpertin. "Der Verstoß dagegen ist ein verwaltungsrechtlicher, bei Erkrankten sogar gerichtlicher Straftatbestand, die Verwaltungsstrafe beträgt 2.180 Euro", so Huber-Wurzenrainer, "es geht hier um die Gefährdung durch ansteckende Krankheiten." 50 solcher Bescheide an Erkrankte und Kontaktpersonen waren 2017 notwendig, kontaktiert wurden rund 400 Personen.

Ohne Meldung multipliziert sich das Problem

"Wenn eine solche Infektionserkrankung oder der entsprechende Verdacht nicht gemeldet wird, hat man das Problem rasch dupliziert und dann in einem viel größeren Ausmaß", gibt BH Platzgummer zu bedenken, "Vielen scheint nicht bewusst zu sein, wie schnell das gehen kann."
Werden infizierte Kinder in die Schule geschickt, oder nutzen Träger etwa öffentliche Verkehrsmittel, hat die BH alle Hände voll zu tun, um mögliche Kontaktpersonen aufzuspüren und zu informieren, damit die Ausbreitung verhindert werden kann.

Dabei stößt die BH freilich an ihre Grenzen. Im Wartezimmer des Arztes oder in der Krankenhausambulanz lässt sich ein Großteil der Betroffenen zumindest noch annähernd identifizieren. Was Berufsgruppen mit einem erhöhten Risiko angeht, etwa Krankenhauspersonal, sei man "in Kufstein wirklich gut aufgestellt", was die Meldung und Information angeht, etwa über die Betriebsärzte, weiß Dr. Longato. So kann verhindert werden, dass das Gesundheitspersonal zum Multiplikator wird.
Eine solche Infektion sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden, betont BH Platzgummer. Neben dem Gesundheitsrisiko kann sie auch dazu führen, dass ganze Betriebe vorübergehend stillgelegt werden müssten. Diese schwerwiegende und eventuell für ein Unternehmen existenzbedrohende Entscheidung liegt bei der Behörde.

"Wir fragen auch ab, wie die Therapie verläuft", ergänzt Longato, "und auch, ob sich andere Erkrankungen ergeben, da die Masern durchaus eine Eintrittspforte bilden können, weil sie das Immunsystem der Patienten stark schwächen. Wir fragen also nach, ob es zu Zusatzerkrankungen kam und auch nach der Schwere." Rund ein Jahr lang kann diese "extreme" Anfälligkeit nach einer Masernerkrankung noch dauern, weiß der Mediziner.

"Man vergleicht eine Maserninfektion durchaus mit einer HIV-Infektion von der Wirkung auf das Immunsystem her."

Dr. Stefano Longato, Leiter Gesundheitsamt BH Kufstein

Viele Erwachsene haben sich mit ihrem Impfpass und der Gültigkeit ihres Impfstatus schon lange nicht mehr auseinander gesetzt, wie BH Platzgummer auch im eigenen Bekanntenkreis schon feststellen musste.

"Impftag" zu Masern & Co am 24. April

Zudem sind Kindheitserinnerungen trügerisch – Masern, Röteln, was war das vor einigen Jahrzehnten?
Nicht zuletzt deshalb beraten die Amtsärzte der Tiroler Bezirkshauptmannschaften zum "Impftag" am 24. April bis in den Abend hinein und bieten direkt vor Ort eine – ohnehin in Tirol kostenlose – Masernimpfung an. Auch die Kontrolle des Impfpasses ist hier dann möglich. "Die meisten Impfungen sind ja auch nicht ein Leben lang gültig. Man sollte sich selber an der Nase nehmen und immer wieder nachschauen", rät Dr. Longato.

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"Man vergleicht eine Maserninfektion durchaus mit einer HIV-Infektion von der Wirkung auf das Immunsystem her", weiß Dr. Stefano Longato.
Amtsarzt Dr. Stefano Longato, Claudia Huber-Wurzenrainer (Abt. Gesundheitsrecht, BH Kufstein) und BH Christoph Platzgummer (v.l.) im Gespräch.
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