Auch Rattenberg betroffen
Widerstand gegen Schließungspläne bei Bezirksgerichten

Schon 2012 wurde über eine Schließung des Bezirksgerichts in Rattenberg diskutiert, nun steht es wieder auf der Agenda des Justizministeriums. | Foto: Happacher
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Bereits Mitte Oktober wurde bekannt, dass das Bundesministerium für Justiz beabsichtige, Bezirksgerichte zu schließen. In Tirol wurden bereits in der Vergangenheit die Standorte Hopfgarten im Brixental, Matrei in Osttirol, Ried in Tirol und Steinach am Brenner zugesperrt, nun sind fünf weitere von einer möglichen Schließung betroffen: Telfs, Zell am Ziller, Landeck, Rattenberg und Silz. Schon 2012 wurde darüber debattiert und von Radfeld aus sogar eine Petition zum Erhalt des Standorts Rattenberg gestartet.

RATTENBERG/TIROL (nos). Immer mehr Stimmen sprechen sich strikt gegen eine Schließung aus, unter anderem die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Selma Yildirim, die in der Justiz-Budgetkürzung eine Gefahr für den Rechtsstaat sieht. Auch NEOS-Justizsprecher NR Johannes Margreiter positioniert sich klar: "Die Bezirksgerichte decken vor allem jene Rechtsbereiche ab, in denen die Fürsorgefunktion für Menschen im Vordergrund steht, die im besonderen Maß hilfsbedürftig sind, seien dies Fragen des Unterhaltes, der Obsorge oder des Erwachsenenschutzes!"
VP und Grüne bringen einen Dringlichkeitsantrag im Landtag ein, um den Erhalt zu sichern.

"Keine weitere Zentralisierung"

Nicht nur Politiker wehren sich gegen die Schließung auch die Bürger selbst kämpfen teilweise für den Erhalt "ihres" Bezirksgerichts, so habe die Marktgemeinde Telfs etwa eine Bürgerinitiative gestartet. 
Die SPÖ-Abgeordnete Yildirim verurteilt die Budgetkürzungen im Justizbereich und spricht sich gegen eine Zentralisierung der Gerichte aus: „Schritt für Schritt wird hier Infrastruktur abgezogen, es werden Arbeitsplätze aus den Tälern in die Ballungszentren verlagert und so außerdem zusätzlicher Verkehr produziert“, meint Yildirim.
Generell wirft sie der ehemaligen Regierung ein "aushungern" der Justiz vor. Es würden Mitarbeiter im Kanzleibereich fehlen und in manchen Bezirksgerichten herrsche ein "Notfallmodus". Die SPÖ fordert bundesweit 100 zusätzliche Richter, 100 neue Staatsanwälte und 400 neue Mitarbeiter im Verwaltungsbereich. Zudem ist im "SPÖ-Aktionsplan" die Rede von Jugendgerichtszentren, Justizakademie zur Richterfortbildung, FH-Lehrgang für Rechtspfleger und einer Reform des sogenannten Maßnahmenvollzugs.
Solange sich der Zugang zum Recht für die Bevölkerung nicht verbessere, sei eine Schließung oder Neuordnung der Standorte nicht vertretbar, meint NEOS-Justizsprecher Margreiter. Auch an den genannten Einsparungen, die durch die Gerichtsschließungen erzielt werden sollen, zweifelt er.

"Gegen diesen Schnellschuss"

ÖVP und Grüne brachten dazu einen Dringlichkeitsantrag ein: "Wir sind klar gegen diesen Schnellschuss aus dem Wiener Justizministerium“, so die Justizsprecherinnen Cornelia Hagele (VP) und Stephanie Jicha (Grüne). Wien ist als einzelnes Bundesland nicht von Schließungen betroffen. „Das geht schon gar nicht, der Wasserkopf Wien bleibt wie immer verschont und in den Ländern wird wieder ausgedünnt“, so Hagele. Im Oberland könnten manche Bezirken überhaupt kein Bezirksgericht mehr geben: "Dies könnte durch eine Zusammenführung der Gerichte Silz, Imst und Landeck in Imst drohen“, fürchtet Jicha.
Einstimmig hat der Tiroler Landtag am 21. November diesen Antrag beschlossen, in dem er vom Bund ein klares Bekenntnis zum Erhalt der bisherigen Gerichtsstruktur einfordert. "Die durchgesickerten Pläne aus dem Justizministerium sorgen zu Recht für Kopfschütteln. Im Landtag herrschte erfreulicherweise gestern über alle Parteigrenzen hinweg breiter Konsens darüber, dass eine weitere Schließungswelle nicht in Frage kommen darf", meint Hagele.

Die Zuständigkeiten des Bezirksgerichts Rattenberg

Der Gerichtssprengel Rattenberg umfasst insgesamt zwölf Gemeinden: Alpbach, Angerberg, Brandenberg, Breitenbach am Inn, Brixlegg, Kramsach, Kundl, Münster, Radfeld, Rattenberg, Reith im Alpbachtal und Wildschönau.
Die Bezirksgerichte sind im Zivilrechtsbereich zur Entscheidung in erster Instanz für alle Rechtssachen mit einem Streitwert bis 15.000 Euro sowie - unabhängig vom Streitwert - für bestimmte Arten von Rechtssachen (insbesondere familien- und mietrechtliche Streitigkeiten) zuständig.
Im Strafrechtsbereich sind die Bezirksgerichte zur Entscheidung über alle Vergehen, für die eine bloße Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß ein Jahr nicht übersteigt, zuständig (z.B. fahrlässige Körperverletzung, Diebstahl).

Der Gerichtsbezirk Rattenberg geht auf das Gebiet des Land- und Stadtgerichts Rattenberg zurück, das 1506 Teil Tirols wurde. In seiner heutigen Form wurde der Gerichtsbezirk durch eine 1849 beschlossene Kundmachung der Landes-Gerichts-Einführungs-Kommission geschaffen und umfasste ursprünglich 14 Gemeinden – mit 1. Juli 1970 übernahm Schwaz die Gemeinden Bruck am Ziller und Steinberg am Rofan vom Gerichtsbezirk Rattenberg.

Historisches Gebäude in Rattenberg

Das heutige Gerichtsgebäude in der sogenannten „Neuen Zeile“ mit dem reich­gegliederten Erker und am Fuße des aus Hagauer Marmor (Kramsach) bestehenden Erkerzopfes findet man die eingemeißelte Jahrzahl 1535. Über diesem Erker befindet sich ein Glockentürmchen in spätgotischer Form. Der Innenhof mit einer alten gewendelten Treppenanlage besteht ebenfalls aus einem gotischen Kern.
Bis zum Jahre 1813 diente das Gebäude der Stadt als Rathaus, anschließend wurde es im Tauschwege der Landesregierung überlassen.
Es zeigte sich bald, dass die vorhandenen Räume für die Gerichtsbarkeit nicht ausreichten, daher wurde im Jahr 1836 das angrenzende Gebäude dazugekauft – die Häuser erscheinen heutzutage als ein Ganzes. Im Jahre 1855 wurde am Gerichtsgebäude noch einmal eine markante Änderung durchgeführt, denn es gab keine andere Möglichkeit, als die Landstraße an das Gerichtsge­bäude heranzuführen, indem es tunnelartig durchbrochen wurde, um eine Durchfahrt für die damaligen Fuhrwerke zu ermöglichen. Dieses Tor wurde Neu-Tor, später auch Gerichtstor genannt.

Der alte Kern des Gebäudes, ein gotischer Innenhof mit Treppenanlage und überwölbten Umgängen wurde restauriert und in den ursprünglichen Zustand versetzt. Die Marmorsäulen des Innenhofes mussten steinmetzmäßig bearbeitet werden. Neben der gotischen Wendeltreppe, die nur noch als Fluchtweg benützt wird, kam ein neues Treppenhaus in Stahlbetonwendelkonstruktion mit Glaswand zur Ausführung. Und so konnte das vorhandene Hauptstiegenhaus herausgenommen werden. Dies ergab außerdem die Möglichkeit, die ehemalige Fußgängerpassage im Gebäude zu verlegen. Die alten, sanierungsbedürftigen Gewölbe im ehemaligen Zellentrakt durften mit Zustimmung des Bundesdenkmalamtes abgetragen werden. Der Großteil der restlichen Deckenkonstruktionen ergab auch, dass diese den statischen Anforderungen nicht entsprechen. Die bestehende Dachstuhlkonstruktion erhielt eine neue Vollschalung mit roter Biberschwanzeindeckung.
Im Zuge der Sanierungsarbeiten kam man zum Entschluss, die Fenster, die nicht mehr den Richtlinien entsprachen, zu erneuern. Der gesamte Fassadenverputz musste abgeschlagen werden, und die Fassade wurde mit einem Thermoputz versehen. Die neue Heizanlage wird mit Fernwärme der Gemeinde Rattenberg versorgt.

Das Gebäude besteht aus dem Erdgeschoss mit drei Obergeschossen. Im Erdgeschoss sind neben der Fußgängerpassage ein Geschäftslokal, eine Einlaufstelle und ein Versteigerungsraum mit Lager untergebracht. Im ersten und zweiten Obergeschoss findet man Büros, Grundbuch und Verhandlungssäle. Das dritte Obergeschoss dient vor allem dem Wohnen, außerdem liegen noch der Sozialraum und das Archiv auf dieser Ebene.

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