Alles, bloß kein 0815-Bier

Christoph Bichler setzt für seinen "Bierol"-Sud mit "Fisser Gerste" die erste Maische an.
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  • Christoph Bichler setzt für seinen "Bierol"-Sud mit "Fisser Gerste" die erste Maische an.
  • hochgeladen von Sebastian Noggler

BEZIRK (nos). Klein, fein und ein wenig anders – so zeigt sich das Brauerhandwerk heute im Bezirk Kufstein. Es gibt sie noch, die Bier brauenden Enthusiasten, die sich nicht mit den gängigen Sorten und Geschmäckern der Brauindustrie zufrieden geben wollen und ihren eigenen Weg gehen, trotz aller Konkurrenz der "Großen" und aus dem nahen Bayern. Zum Internationalen Tag des Bieres am 3. August gibt's darum von den BEZIRKSBLÄTTERN einen Blick über die aktuelle Brauszene.

Ein wenig Biergeschichte aus dem Bezirk Kufstein

Die goldenen Zeiten der Brauereilandschaft im Bezirk sind eigentlich schon seit Jahrzehnten, wenn nicht noch länger, passé. In ihrer Blütezeit zählte man allein in der Stadt Rattenberg fünf Brauereien auf engstem Raum – im 15. Jahrhundert. Auch in der Festungsstadt fanden sich einst vier Brauereien. Eine der wenigen heutigen Spuren davon ist das ehemalige Hotel Egger, in dem sich noch immer ein "Bräustüberl" befindet – die Heimat von "Egger Bier". Im Jahr 1675 wurde die Vorstadtbrauerei Gwercher in Kufstein gegründet und 1868 von der Familie Egger übernommen. Seit 1978 wird in Unterradlberg, in Niederösterreich gebraut. Johann Kirschner war der erste Dampfbrauer in Kundl 1658. Die Kundler Brauerei wurde 1948 geschlossen, aus ihr ging die "Biochemie" hervor. Josef Steinbacher betrieb als Wirt und Vorsteher der Dorfgemeinde Kufstein-Wörgl, bzw ab 1911 Bürgermeister der Marktgemeinde Wörgl, die Gründung einer Genossenschaftsbrauerei.
Die zwei in Rattenberg noch bestehenden Brauerein „Ledererbräu“, Besitzer Nikolaus Huber, und „Krämerbräu“, Besitzer Georg Weber, haben die Bierproduktion 1911 eingestellt und sich durch mehrjährige Verträge an die Kundler Aktienbrauerei gebunden. Die bevorstehende Konkurrenz durch die demnächst in Betrieb kommende Genossenschaftsbrauerei in Wörgl hat die Vertreter der Kundler Brauerei bewogen, den hiesigen Bräuern günstige Abschlussbedingungen zu gewähren. Damit ist das einst in Rattenberg blühende Brauereigewerbe erloschen. 70 Jahre zuvor bestanden hier noch fünf Brauereien: die Klosterbrauerei der P.P. Serviten, der Klausbräu, sowie das Platzbräu, Krämer- und Ledererbräu, wie Wolfgang Kluibenschädl (tirolensien.at) zusammenfasst.

Die Nische besetzen und nicht stehen bleiben

Mit dem Trend zum alternativen Biergeschmack, abseits von klassischem Pilsner, Märzen und Lager, haben die Jungbrauer von "Bierol" in Schwoich in den vergangenen Jahren stark an Fahrt aufgenommen. Die 2014 gegründete Craftbeer Brauerei ist enorm experimentierfreudig was Hopfensorten oder natürliche Zusätze angeht. Da darf's dann auch mal Marille oder Haselnuss sein, in Kooperation mit einer Tiroler Lebensmittel- und Bäckereikette entwickelten die drei Bierbegeisterten ein "Baker's Ale", für das Brotreste eingemaischt werden.
Ihren neuesten Streich bereiten Christoph Bichler, Max Karner und Marko Nikolic auch gerade vor: Ein Bier mit einem Teil "Fisser Imperial"-Gerste, einer alten heimischen Gerstensorte, die beinah in Vergessenheit geraten war und über Jahrhunderte perfekt ans alpine Klima angepasst wurde. Seit Jahren sind sie in Kontakt mit einem Landwirt aus Fiss, der für sie die stark Eiweiß haltige Gerste pflanzt. Seitdem wird getüftelt, um die perfekte Maische und daraus den richtigen Sud zu finden. So regional wie möglich hätte Bichler seine Zutaten gern, was beim Wasser aus der eigenen Quelle das kleinste, beim Aromahopfen aber das größte Problem darstellt. Hier kommt er um den Import nicht herum.
In der Innviertler Gemeinde St. Pantaleon (OÖ) hat die Salzburger Stieglbrauerei 2015 Österreichs erstes "Biergut" eröffnet. Mit einer Bio-Landwirtschaft, einer Vollholz-Brauerei und der hauseigenen Mälzerei ist das Gut wohl einzigartig in Europa. Hier werden Urgetreidesorten angebaut, die dann gleich vor Ort zu hochwertigen Malzen veredelt werden, um daraus die charaktervollen Wildshuter Biere zu brauen. Darauf sind natürlich auch bereits andere Kreativbrauer aufmerksam geworden und nutzen diese einmalige Gelegenheit, eigenes Getreide am Biergut vermälzen zu lassen.
Eine dieser Brauereien ist „Bierol“. Sie haben sich entschieden, ihre Tiroler Braugerste in Wildshut vermälzen zu lassen. Zufall ist das natürlich keiner, denn Christoph Bichler von Bierol und Stiegl-Kreativbraumeister Markus Trinker verbindet eine echte „Braufreundschaft“. „Die gemeinsame Liebe und Begeisterung fürs Bier verbindet einfach, wenn daraus auch noch neue Synergien entstehen, arbeitet man natürlich gerne zusammen“, erklärt Trinker und ergänzt „hier in Wildshut haben wir mit unserer eigenen Mälzerei die Möglichkeit, Malze individuell herzustellen und freuen uns, wenn auch andere innovative Bierbrauer diese Gelegenheit nutzen, bei uns ihr Getreide veredeln zu lassen.“
Im konkreten Fall haben die Tiroler Brau-Kollegen eine alte Urgetreidesorte mit dem Namen „Fisser Imperial“ mitgebracht. Mit dem daraus gewonnenen Malz soll eine neue, ganz besondere Bierkreation entstehen, wie in diesem Fall ein Bier aus rein regionalen Zutaten. Bereits bei der Anlieferung der Gerste brachte Christoph Bichler von "Bierol" seine Begeisterung für das Biergut auf den Punkt: „Ich bin nicht nur von den Wildshuter Bieren begeistert, sondern von der gesamten Philosophie, die hier umgesetzt wird. Vor allem fasziniert mich die gelebte Kreislaufwirtschaft, die wir ab 2020 in kleinem Rahmen auch bei uns am Bauernhof leben möchten. Gut Wildshut nimmt da eine echte Vorbildfunktion für alle Brauereien ein.“
In der Stiegl-eigenen Bio-Landwirtschaft angebauten Urgetreidesorten wie etwa die "Alpine Pfauengerste" oder der "Laufener Landweizen" vor Ort vermälzt, um daraus die Wildshuter Bierspezialitäten zu brauen. Daneben bietet Stiegl aber auch kreativen Bierbrauern die Möglichkeit, eigenes Getreide in kleineren Mengen  – Chargengrößen von 500 bis 2000 Kilogramm – in der Spezialmälzerei veredeln zu lassen.

Und während die braunen Glasflaschen mit dem "Bierol"-Logo mittlerweile weitum beinah in aller Munde sind und die Zusammenarbeit mit "Riedel Glas" zu gebrandeten "Spiegelau"-Craftbeer-Gläsern führte, haben sich die Schwoicher auch hier nicht ausgeruht. So gibt's nun erstmals ein "Pale Ale" in der Dose. Die Kollegen von "Camba" aus Bayern bringen das Schwoicher "Hardigatti" in die festivalgerechte Aluverpackung. Die Flaschen dagegen füllen die "Bierol"-Burschen selbst ab, sowohl für sich, als auch hin und wieder als Lohnabfüller im Auftrag Anderer – wie das Helle Bier aus reinen Biozutaten, darunter Gerste aus der LLA Rotholz. Natürlich sind die vielfältigen Biervarianten der Schwoicher auch in Fassform und damit frisch vom Hahn zu finden, nicht nur im hauseigenen "Taproom".

Garagenbrauerei mit Kristallwasser

Sie ist zwar nicht die größte, aber eine der besten, wie manche Bierkenner behaupten: Jos Mosers "Kristall-Brauerei" in Alpbach. Schon in jungen Jahren interessierte sich der gelernte Maschinentechniker für die Bierherstellung, damals diente die eigene Küche als „Versuchslabor“ für seine ersten Brauexperimente. „Das war eine klebrige Angelegenheit auf engstem Raum“, erinnert sich Jos, der nach 20 Jahren Hausexperimenten eine dreijährige Ausbildung zum Bierbrauer absolvierte. Da wurde seine Küche endgültig zu klein und professionelle Gerätschaft sollte die provisorischen Küchentöpfe ablösen. Die Garage seines Bruders bot alles was Moser dazu brauchte: mehr Platz. Seit 2006 gibt es nun die kleine „Garagenbrauerei“ in der eine Jahresmenge von ca. 1.500 hl bestes unfiltriertes Kristallbräu-Bier erzeugt wird. Um ganz nach eigenen Ideen zu brauen entwickelte er ein ausgeklügeltes Heizungssystem, plante und baute jedes einzelne Braufass. Und auch die Leitungen, in denen das Bier zirkuliert, hat er von eigener Hand selbst entworfen. Der Name "Kristallbier" stammt vom Alpbacher Kristallwasser mit dem er braut. Und da wird's nicht nur "klassisches" Bier, sondern schin auch mal was spezielles, zum Beispiel das "Adventbier" für den Rattenberger Christkindlmarkt oder sein "Bierpunsch", eine heiße Alternative zum Glühwein.

Vater & Sohn Staatsmeister

Diplom-Biersommelier, Brau- uund Mälzermeister Alois Loder jun. braut seit August 2017 Bio-Starkbiere für die Bio-Bieressig-Manufaktur seiner Mutter Petra in Walchsee. Auf's Brauen gekommen ist er nicht zuletzt durch seinen Vater Alois sen., der in einer Hobby-Kleinstbrauerei an seinen Gerstensäften tüftelte. Dabei ist es ihnen gelungen, seit 2010 bei den Staatsmeisterschaften der Klein- und Heimbrauer insgesamt vier Staatsmeistertitel für Märzen, Dunkles Lagerbier, Helles Weißbier und Dunkles Weißbier zu erringen. Das hat auch mit außergewöhnlich guten, vielfach ausgezeichneten Lehrmeistern, perfekter handwerklicher Brautechnik und mit Familientradition zu tun, die sie mit dem "Loderbräu", Ludwig Thomas "Münchnerinnen" der Hallertau und dem ältesten Kloster Münchens verbindet.
Durch diese "bierige Vorbelastung" und die Liebe zur Essigmanufaktur kam die Familie auf's Bieressig-Brauen. "Andreas Fischerauer, ein absoluter Spezialist für Essige aller Art, war mit seiner Professionalität und seinem Erfahrungsschatz für uns zum Start der Bieressig-Manufaktur sehr wertvoll", erklärt Petra Loder. Fischeraur schuf in Pischelsdorf (Steiermark) ein modernes Zentrum für Essig und Senf aus aller Welt.
Die natürliche und handwerkliche Komponente der Manufaktur, die sechs bis neun Monate in Anspruch nimmt, unterscheidet ihren Bieressig stark von der 14-tägigen, industriellen Schnell-Produktion. "Wir öffnen Interessierten gerne die Türen zu unserer reinen Handwerks-Brauerei und zur Bieressig-Manufaktur", so die Familie. Bei der internationalen DLG-Qualitätsprüfung im Dezember 2017 in Frankfurt am Main vergab die "Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft DLG e.V." dreimal "Gold" an Lodersche Bieressigspezialitäten. Und die sind darüber hinaus auch Bio-zertifiziert.

Und die Familie arbeitet nicht nur mit hauseigenen Bieren, um sie zu hochwertigem Essig zu veredeln. Aktuell verfügbar sind sortenreine, naturtrübe Bieressige aus dem BIO Triple-Bockbier "Horny Betty" (Brauerei Gusswerk), einem BIO Weißbier-Doppelbock Hell, (Loder Bräu), einem BIO Weißbier-Doppelbock Dunkel (Loder Bräu), einem Märzen-Festbier (Loder Bräu), einem Irish-Stout (Loder Bräu), dem Indian Pale Ale (Bierol), dem Double Mountain Pale Ale (Bierol), einem Böhmischen Pils (Loder Bräu), einem Münchner Dunkel (Loder Bräu), dem Lager Dunkel "Aloisius" (Loder Bräu), dem Original Guinness-Bier (Guinness-Brauerei), dem Gauderbock (Brauerei Zillertal) sowie ein BIO Bier-Balsamico-Essig aus der prämierten Triple-Bio-Bockbier-Spezialität (Brauerei Gusswerk) und einem BIO Traubenmost aus der BIO-Trebiano- und BIO-Lambrusco-Traube aus Modena.

Und die Auswahl wird ständig vergrößert, so sind neben BIO Weißbier-Doppelbock Dunkel und Hell und BIO Weißbier-Doppelbock "Anno 9" (alle Loder Bräu) auch das Mountain Pale Ale (Bierol) und das erste österreichische BIO-Glutenfreie Bier (Gusswerk) von Reinhold Barta, dem ersten Hauben-Braumeister Österreichs nach Gault Millau 2017 in Produktion.

Die Walchseer Manufaktur zeigt sich offen für Neues, wenn es qualitativ hochwertig ist: "Ab einer Biermenge von einem Hektoliter können wir bei Staatsmeisterschaften oder Awards prämierte oder mit DLG-Gold ausgezeichnete Stark- und Bockbiere innerhalb eines Jahres zu einer besonderen Bieressig-Spezialität brauen und reifen lassen. Eine einjährige Nachreifung in speziell ausgewählten Holzfässern, aus Kirsche, Akazie, Maulbeere, Kastanie, Esche oder Eiche – einzeln oder in Kombination, gibt dem Bieressig auf Wunsch noch eine nuancenreiche und einzigartige Note."

Ein außergewöhnlicher Bierladen

In einem urigen Bauernhof mitten in Kramsach erkunden Bierliebhaber die internationalen Gewässer feinsten Gerstensaftes, denn Monika Atzl-Klingler betreibt hier ihre „Bieraterie“. In einer kleinen Stube mit niedriger Decke und gemütlichem Kachelofen hat sie sich einen Ort geschaffen, in dem sich alles rund um's Bier dreht. Der alte Bauernhof gehörte ihrer Urgroßmutter, nun befindet sich hier ein ungewöhnlicher Craftbeer-Shop. „Bier hat mich immer schon interessiert. Irgendwann habe ich festgestellt, dass es unglaublich viele Sorten gibt, die ich alle entdeckten wollte“, erzählt Monika Atzl-Klingler. Im Laufe der Zeit machte sie die Ausbildung zur Bier-Sommeliére und meldete das Gewerbe an, um ihr Hobby weiter zu vertiefen. Denn hauptberuflich ist die Bierliebhaberin Volksschullehrerin, weshalb die Bieraterie für Laufkundschaft auch nur Freitag abends und Samstag vormittags geöffnet hat.

Pale Ale, Porter, Weizenbier und vieles mehr: Die farbenfrohen Etiketten tragen klingende Namen und kunstvolle Embleme. Und darunter findet man wahre Raritäten, wie das Waldbier aus Obertrum, das zum Beispiel mit Wacholderbeeren oder Fichtenharz eingebraut wurde. Über 30 verschiedene Sorten hat sie im Angebot: „Ich versuche immer etwas Neues zu finden.“

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