VCÖ-Mobilitätspreis 2015 geht an Serfauser "Begegnungszone"

Das innovative Verkehrskonzept "Serfaus z'liab" wurde mit dem VCÖ-Mobilitätspreis Tirol ausgezeichnet: (v.l.) Alexander Jug (ÖBB Personenverkehr AG), Bgm. Paul Greiter, LH-Stv. Ingrid Felipe und Markus Gansterer (VCÖ) | Foto: pro.media
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  • Das innovative Verkehrskonzept "Serfaus z'liab" wurde mit dem VCÖ-Mobilitätspreis Tirol ausgezeichnet: (v.l.) Alexander Jug (ÖBB Personenverkehr AG), Bgm. Paul Greiter, LH-Stv. Ingrid Felipe und Markus Gansterer (VCÖ)
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SERFAUS/INNSBRUCK. Die Gemeinde Serfaus wurde in Innsbruck von LHStvin. Ingrid Felipe, vom Verkehrsexperten Markus Gansterer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ), und von ÖBB-Regionalmanager Alexander Jug mit dem VCÖ-Mobilitätspreis Tirol ausgezeichnet.
Der VCÖ-Mobilitätspreis Tirol stand unter dem Motto „Mobilität im Wandel“. Gesellschaftliche Entwicklungen und Trends ändern das Mobilitätsverhalten und damit die Anforderungen an das Mobilitätsangebot in den Gemeinden und Städten. In Tirol ist jede zweite Autofahrt kürzer als fünf Kilometer. Radfahren, Gehen sowie die Kombination Öffentlicher Verkehr & Rad haben in Tirol ein großes Potenzial, betont der VCÖ.
„Gesellschaftliche Entwicklungen und Trends verändern das Mobilitätsverhalten und damit die Anforderungen an das Mobilitätsangebot – insbesondere auch in den Gemeinden und Städten“, stellt VCÖ-Experte Markus Gansterer fest. Eine der großen gesellschaftlichen Entwicklungen ist der demografische Wandel und die damit zunehmende Anzahl älterer Menschen. In Tirol werden im Jahr 2030 rund 87.000 Menschen 75 Jahre oder älter sein, um rund 26.000 mehr als heute, macht der VCÖ aufmerksam. Ältere Menschen andere Ansprüche an das Mobilitätsangebot. So ist Barrierefreiheit für ältere Menschen zentral.
Zudem nimmt die Bedeutung der umweltfreundlichen Mobilitätsangebote in einer älter werdenden Gesellschaft zu. In Tirol machen die über 74-Jährigen jede dritte Erledigung im Alltag zu Fuß, die 20- bis 60-Jährigen legen nur ein Sechstel ihrer Strecken per Pedes zurück, informiert der VCÖ.
Deutlich wichtiger für die Mobilität im Alter wird der Öffentliche Verkehr, dessen Anteil bei den älteren Menschen mit 15 Prozent etwa doppelt so hoch ist wie bei den 20- bis 60-Jährigen. „Das Fahrrad wiederum ist ein Verkehrsmittel für alle Altersgruppen. Die älteren Menschen legen jede neunte Strecke im Alltag mit dem Rad zurück, ebenso die 20- bis 60-Jährigen“, so VCÖ-Experte Gansterer. Das Land Tirol bietet laut LHStvin Felipe dabei mit dem österreichweit einzigartigen SeniorInnenticket ein gutes und sehr preiswertes Angebot um 250 Euro für 61-75-Jährige Menschen und um 125 Euro für Menschen über 75.
Der VCÖ betont, dass ein weiterer Ausbau der Infrastruktur für das Radfahren sehr wichtig ist. Gerade für ältere Menschen ist es wichtig, dass es am Land mehr Radwege gibt. Zudem können Gemeinden und Städte durch Verkehrsberuhigung und mit Tempo 30 statt 50 sichere Bedingungen zum Radfahren auf der herkömmlichen Fahrbahn schaffen. „Wir kommen diesem Bedarf mit dem Ausbau des Radwege an zahlreichen neuralgischen Stellen entgegen, die wir als Konjunkturpaket vorziehen“, sagt Ingrid Felipe und verweist auf die anstehende Ertüchtigung des Inntal-Radwegs und an den Ausbau der Radwege auf zwei Innsbrucker Brücken, die bisher Gefahrenstellen waren. Im Frühsommer ist außerdem der Radweg von St. Johann bis Fieberbrunn eröffnet worden, der mit 1,2 Mio. Euro budgetiert war und in Rekordzeit von unter einem Jahr gebaut wurde.

Mobilitätswandel bei jungen Menschen

Bei jüngeren Menschen wiederum ist das Auto kein Status Symbol mehr. „Auto nutzen statt besitzen“ ist ein zunehmender Trend. Carsharing wird damit in Zukunft wichtiger. Eine weitere gesellschaftliche Entwicklung hat Einfluss auf das Mobilitätsverhalten: Der Anteil der Single-Haushalte steigt. In Tirol ist bereits jeder dritte Haushalt ein Single-Haushalt. Bis zum Jahr 2030 prognostiziert die Statistik Austria einen Anstieg der Single-Haushalte von derzeit 107.000 auf 134.000. „Damit sinkt der Bedarf an Pkw-Stellplätzen bei Wohnhäusern. Umso wichtiger ist es, die Pkw-Stellplatzverpflichtung zu reformieren und zu lockern“, betont VCÖ-Experte Gansterer.
Besonders dringend ist eine Lockerung der Pkw-Stellplatzverpflichtung für Innsbruck: Hier werden bereits 68 Prozent der Alltagswege ohne Auto zu Fuß, mit dem Rad und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt. Und der Pkw-Motorisierungsgrad ist in Innsbruck seit dem Jahr 2012 von 452 auf 444 Pkw / 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner gesunken. Die Pkw-Stellplatzverpflichtung erhöht die Kosten des Wohnbaus und verteuert damit das Wohnen. So kostet die Errichtung eines Tiefgaragenplatzes zwischen 15.000 und 25.000 Euro, der Anteil einer Tiefgarage an den Gesamtkosten für eine durchschnittliche Wohnung beträgt etwa elf Prozent, macht der VCÖ aufmerksam. Eine Studie der Wirtschaftskammer Tirol sieht bei der Stellplatzverpflichtung mit 50 bis 250 Euro pro Quadratmeter das größte Sparpotenzial im Wohnbereich. Bereits eine Vorschreibung von 1,75 Stellplätzen pro Wohnung statt einem Stellplatz erhöht die Miete um zehn Prozent.

Viele sehr kurze Autofahrten in Tirol

Das Auto wird in Tirol nicht nur für längere Strecken genutzt. Der VCÖ weist darauf hin, dass jede sechste Autofahrt in Tirol kürzer als eineinhalb Kilometer ist und jede zweite Autofahrt kürzer als fünf Kilometer und sieben von zehn Autofahrten kürzer als zehn Kilometer. Distanzen bis einen Kilometer werden dort gerne zu Fuß gegangen, wo es angenehm zu gehen ist. „Mit Verkehrsberuhigung, schönen, breiten und barrierefreien Gehwegen sowie mit Begegnungszonen kann der Anteil des Gehens stark erhöht werden“, betont VCÖ-Experte Gansterer. Werden im Ort viele Alltagserledigungen zu Fuß gemacht, dann stärkt das die Nahversorgung und erhöht die Lebensqualität im Ort. Und die Gemeinschaft im Ort wird gestärkt. Wer zu Fuß geht, trifft Nachbarn und Bekannte und plaudert mit ihnen. Wer mit dem Auto fährt, fährt an ihnen vorbei.
Bei Strecken bis fünf Kilometern ist das Fahrrad ein ideales Verkehrsmittel, mit einem Elektro-Fahrrad sind auch Distanzen von zehn Kilometern ohne Schweißperlen gut zu schaffen. Der VCÖ weist darauf hin, dass es in Tirol bereits mehr als 20.000 Elektro-Fahrräder gibt. Für die Zukunft ist mit einer starken Zunahme von Elektro-Fahrrädern zu rechnen.

Der Umwelt z'liab mit der Bahn

Ein Mobilitätstrend der Zukunft ist die Multimodalität, also die Nutzung eines vielfältigen Mobilitätsangebots. Je nach Zweck wird die am besten geeignete Mobilität gewählt. Die Kombination von Gehen oder Radfahren mit dem Öffentlichen Verkehr hat ein großes Potenzial, die Mobilitätskosten zu verringern und gleichzeitig die Umweltbilanz der Mobilität zu verbessern.
In den Gemeinden und Städten sollen daher Haltestellen und Bahnhöfe optimal zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sein. Beim heurigen VCÖ-Bahntest ist fast die Hälfte der Tiroler Fahrgäste zu Fuß oder mit dem Rad zum Zug gekommen. Wichtig sind zudem ausreichend, qualitätsvolle Fahrradabstellmöglichkeiten bei Haltestellen und Bahnhöfen. "Immer mehr vor allem junge Kunden besitzen heute kein eigenes Auto mehr. Damit wird eine umweltschonende Anreise mit der Bahn zum Urlaubsziel deutlich interessanter. Gemeinsam mit unseren Partnern im Mobilitätsbereich ist es das erklärte Ziel durch einen guten Mix aus Bahn- und Busverbindungen noch mehr Kunden von Urlaubsreisen mit den ÖBB zu überzeugen. Damit passend zum Siegerprojekt „Serfaus z‘liab“ der lange Weg in den Urlaub „der Umwelt z‘liab“ mit den ÖBB erfolgt, so ÖBB Regionalleiter Alexander Jug.

Sichere Schulwege ermöglichen das Gehen und Radfahren zur Schule

Den höchsten Anteil an ihrer Mobilität hat das Gehen bei den 6- bis 9-Jährigen, die Hälfte ihrer Alltagswege gehen die Kinder zu Fuß. Die 10- bis 14-Jährigen legen 45 Prozent ihrer Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurück. Gerade der Schulweg ist eine gute Möglichkeit, auf einen Teil der täglichen gesunden Portion Bewegung zu kommen. Wichtig ist, dass Gemeinden und Städte das Wohn- und Schulumfeld so gestalten, dass Kinder selbstständig und sicher zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule kommen können. Der VCÖ hat daher die Aktion „Sicherer Schulweg“ gestartet: Eltern können im Internet unter www.vcoe.at Gefahren- und Problemstellen am Schulweg ihres Kindes in eine Online-Karte eintragen. Der VCÖ leitet die Einträge an die zuständigen Stellen weiter.

VCÖ-Mobilitätspreis Tirol an Gemeinde Serfaus

Die Gemeinde Serfaus ist der diesjährige Gewinner des VCÖ-Mobilitätspreis Tirol. LHStvin Ingrid Felipe, der VCÖ und Alexander Jug (ÖBB-Personenverkehr AG) überreichten den VCÖ-Mobilitätspreis Tirol an Bürgermeister Paul Greiter. Unter dem Motto „Serfaus z’liab“ erfolgte im Sommer der Startschuss zur Ausdehnung der Verkehrsberuhigung auf die Sommermonate. In Serfaus gab es bereits im Winter Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung. Hintergrund der Ausdehnung: Die Nächtigungen in den Sommermonaten sind in Serfaus seit dem Jahr 2005 um 53 Prozent auf rund 376.000 gestiegen.
Der Verkehr hat stark zugenommen, was die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger von Serfaus beeinträchtigte und den Erfolg des Tourismus gefährdete: Die Gäste wollen Ruhe und saubere Luft und nicht Verkehrsabgase und Verkehrslärm. Im Sommer 2013 und 2014 wurden umfangreiche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung gesetzt. Es gab ein Fahrverbot für Ferien- und Tagesgäste, Pendler und Lieferanten. Die einheimische Bevölkerung wurde mit Bewusstseinsmaßnahmen motiviert, unnötige Autofahrten zu vermeiden.
Im Juni 2015 wurde dann Serfaus zur Begegnungszone. Es gilt Tempolimit 20 km/h, Fußgängerinnen und Fußgänger können die Straße überall queren, es sind alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt, Parken ist nur auf gekennzeichneten Flächen möglich und nebeneinander Radfahren ist erlaubt. Serfaus ist heute einer der größten Begegnungszonen Österreichs. Im Ortskern wurden Bänke und Rastplätze geschaffen, die zum Verweilen einladen und ein gemütliches Flanieren durch den Ort ermöglichen. Tagesgäste können am Ortseingang kostenlos parken und sie werden dann – ebenfalls kostenlos – mit der Dorfbahn in das Zentrum von Serfaus gebracht. Zusätzlich wurde das Mobilitätsangebot erweitert, es stehen an drei Self-Service-Stationen Leihfahrräder zur Verfügung, die einfach per Smartphone ausgeliehen werden können.
„Immer mehr vor allem junge Kunden besitzen heute kein eigenes Auto mehr. Damit wird eine umweltschonende Anreise mit der Bahn zum Urlaubsziel deutlich interessanter. Gemeinsam mit unseren Partnern im Mobilitätsbereich ist es das erklärte Ziel durch einen guten Mix aus Bahn- und Busverbindungen noch mehr Menschen von Urlaubsreisen mit den ÖBB zu überzeugen. Damit passend zum Siegerprojekt „Serfaus z‘liab“ der lange Weg in den Urlaub „der Umwelt z‘liab“ mit den ÖBB erfolgt“, so ÖBB Regionalleiter Alexander Jug. Der VCÖ-Mobilitätspreis Tirol wird vom VCÖ in Kooperation mit dem Land Tirol und den ÖBB durchgeführt und vom Verkehrsverbund Tirol und der TIWAG unterstützt.

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