Gedenken an 1938: Zweiter Bezirk und Drittes Reich
Die Ausstellung im Bezirksmuseum beschäftigt sich mit den Folgen des "Anschlusses" in der Leopoldstadt.
LEOPOLDSTADT. Am 12. März 1938 marschierte die Wehrmacht in Österreich ein. Genau 80 Jahre später eröffnet im Bezirksmuseum Leopoldstadt eine Ausstellung, die sich mit den Ursachen und Folgen der NS-Terrorherrschaft auseinandersetzt.
Die Leopoldstadt mit ihrem hohen Anteil an jüdischen Bewohnern war vom Anschluss sofort und unmittelbar betroffen. In der Zwischenkriegszeit hatte sich hier eine blühende kulturelle Szene entwickelt, mit Theatern und Konzerten, erzählt der Leiter des Bezirksmuseums, Georg Friedler, – dominiert von jüdischen Künstlern: "Das alles war mit einem Schlag weg." Die jüdischen Bewohner wurden deportiert und ermordet, ihre Wohnungen "arisiert" und an Nazis und Sympathisanten vergeben – "die Bevölkerung wurde ausgetauscht, der Bezirk hat seinen Charakter verloren", sagt die Historikerin und ehemalige Leiterin des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), Brigitte Bailer-Galanda. Die hochrangige Forscherin, die sich intensiv mit der NS-Zeit und ihren Opfern auseinandergesetzt hat, hat die Ausstellung im Bezirksmuseum kuratiert – weil sie sich ihrem Heimatbezirk verbunden fühlt und sie mit Friedler schon lange befreundet ist.
Material aus dem Dokumentationsarchiv
Das Material für die Schau, die sich vom Antisemitismus vor der NS-Machtübernahme bis zu den Zerstörungen 1945 erstreckt, stammt zum großen Teil aus dem DÖW. Behandelt werden die Anschlusspogrome – unmittelbar nach der Machtübernahme wurden Juden verhaftet oder misshandelt, jüdische Geschäfte zerstört und beschmiert. Ein Teil der Ausstellung widmet sich dem Schicksal einzelner Leopoldstädter NS-Opfer. Die Verfolgung begann sofort – im ersten Transport nach Dachau am 1. April waren zehn Prozent Leopoldstädter, so Bailer-Galanda. Behandelt wird aber die Judenverfolgung durch die gesamte Nazizeit: "Das Anschlusspogrom war ja erst der Auftakt zum Massenmord, und die Leopoldstadt hat eine große Rolle gespielt: Das größte Sammellager der Deportationsopfer war in der Sperlgasse. Es gab sehr viele Sammelwohnungen im Bezirk."
Zeigen soll die Ausstellung, wie im März 1938 binnen Stunden unglaubliche Brutalität und Bösartigkeit ausbrechen konnte und wie die NS-Propaganda diese Stimmung angeheizt hat. "Mir ist wichtig, dass klar ist, wie leicht man Menschen aufhetzen, wie leicht die Stimmung kippen und dass es wieder passieren kann", so Bailer-Galanda. Eine wichtige Botschaft, denn auf Social Media sieht sie bekannte Mechanismen: "Wenn man sich historische Texte ansieht, gruselt es einen – weil die Argumentationsweise der heutigen so ähnlich ist."
Zur Sache:
Die Ausstellung "Anschluss 1938" wird am 12. März um 18.30 Uhr eröffnet. Brigitte Bailer-Galanda macht drei kostenlose Führungen: Am 11. April um 17.30 Uhr, am 16. Mai und am 13. Juni um jeweils 17 Uhr. Fragen sind danach willkommen. Das Bezirksmuseum Leopoldstadt in der Karmelitergasse 9 ist Mittwoch von 16–18.30 Uhr und Sonntag von 10–13 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.
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