Zeitzeuge
Panzerfahrer Josef Miny erzählt vom Krieg

Josef Miny, damals und heute. | Foto: privat
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Josef Miny erlebte die letzten Kriegsjahre als junger Soldat an der Ostfront und war drei Jahre in russischer Gefangenschaft. Der StadtRundschau hat der 96-Jährige von seinen Erlebnissen erzählt.

LINZ. Früher hat Josef Miny nie über den Krieg geredet. Seit einiger Zeit aber träumt er immer öfter davon. Manchmal fällt er beim Reden sogar ins Russische, das er während seiner dreijährigen Kriegsgefangenschaft gelernt hat. Der heute 96-jährige Alberndorfer kann sich trotz seines Alters an viele Details erinnern, an Namen, Orte, Begegnungen und technische Details der Panzer und Kanonen. 

Ein Knecht aus Alberndorf

Josef Miny, Sohn eines Strohdeckers, wurde 1925 geboren und kam nach der Schule als Knecht auf einen Hof in Alberndorf. Im Februar 1942 musste er zur vormilitärischen Ausbildung nach Steyr, später zum Arbeitsdienst bevor er im Herbst 1943 noch 17-jährig zu den Panzern eingezogen wurde. Der SS entging er nur knapp. Sein Vorgesetzter beim Arbeitsdienst hatte ihn vor einem Rekrutierungskommando gewarnt, sodass er sich rechtzeitig wegschleichen konnte. Aufgrund seiner Körpergröße wäre er wohl eingezogen worden. Aber das wollte er nicht. "Die SS waren die richtigen Nazis", sagt Miny, der bereits wusste, wozu diese imstande waren. Der Knecht eines anderen Hofes machte nämlich Transportfahrten ins Konzentrationslager Mauthausen und hatte von den Gräuel dort erzählt. 

Im Panzer an die Front

Nach seiner Ausbildung zum Panzerfahrer in St. Pölten ging es zuerst nach Litauen, später nach Polen. Bei den Panzern hatte man Vorteile: Man musste nie zu Fuß gehen und die Verpflegung war besser als bei der Infanterie. "Das sind die ärmsten Hunde, die es im Krieg gibt", erzählt Miny. Außerdem ist eine Panzereinheit nicht immer im Einsatz, weil das viel zu teuer wäre. Das Fahren ist ihm leicht gefallen. "Das war genauso wie ein Auto, nur dass man die Knüppel hat." Nur an Munition und Benzin hat es ständig gefehlt. Viel Widerstand hat die Einheit aber ohnehin nicht mehr geleistet. Übergelaufen ist aber auch keiner, selbst als die Russen einmal Flugzettel abgeworfen haben: "Deutscher Soldat, komm zu uns, es gibt Pudding", war darauf zu lesen. Über den Kriegsverlauf hat man trotz der guten Kameradschaft aus Angst nicht gesprochen. "Man denkt sich immer, wenn nur ich durchkomme", erinnert sich Miny. 

Suche nach dem Bruder

Dass Miny durchkommt, stand mehr als einmal auf Messers Schneide. "Ich habe mir oft viel erlaubt“, erzählt er. Einmal hatte er gehört, dass sein Bruder mit seiner Einheit in der Nähe lagern würde. Daraufhin schlich er sich in der Früh weg, um ihn zu suchen, was nicht ungefährlich war. Die Feldgendarmerie hätte ihn an Ort und Stelle erschießen können, wenn sie ihn erwischt hätte. Und tatsächlich entging er den "Kettenhunden" nur knapp. Ein Offizier hatte ihn gesehen und dem Flüchtenden nachgeschossen, allerdings nur mit einer Pistole, deren Reichweite begrenzt war. Miny brach den Ausflug ab und sah seinen Bruder nicht mehr. Dieser ist später in der Gefangenschaft gestorben.

Befehle und Verbrechen

Einmal hätte er schwer verwundete russische Gefangene erschießen sollen, aber er hatte sich geweigert. Der Offizier drohte, ihn wegen Befehlsverweigerung zu melden, hat das aber dann doch nicht gemacht. Andere haben gemordet: Ein Foto zeigt einen Polen, den Minys Einheit aufgehängt hat. Mehrmals waren zuvor deutsche Wachposten umgebracht worden. Die Bewohner des nahegelegenen Dorfes wurden verhört und verrieten schließlich den Dorfarzt als Partisanenführer. "Der hat für sein eigenes Land gekämpft, aber wir nicht", sagt Miny heute anerkennend. 

Im Oktober 1944 war er auf Heimaturlaub und wollte sich nicht mehr zum Dienst zurückmelden. Der Vater aber hatte das nicht zugelassen. Wieder in St. Pölten angekommen, sagte der Oberst nur „wieder einer mehr“, da noch immer acht Heimaturlauber abgegangen und auch nicht mehr aufgetaucht sind.

Das Kriegsende in Böhmen

Das Kriegsende hat Josef Miny in Groß Petrowitz in Böhmen erlebt. Zivilisten hatten sie von der Kapitulation der Wehrmacht informiert. Daraufhin haben sie ihre verbliebenen Panzer stehengelassen und sich zu Fuß Richtung Süden aufgemacht. Weit kamen sie aber nicht. Am 10. Mai, zwei Tage nach Kriegsende, wurden sie von Tschechen aufgegriffen, verprügelt und an die Russen übergeben. Die brachten Miny und seine Kameraden zuerst ins befreite Auschwitz. Auch dort hat sich Miny heimlich weggeschlichen. „Jeder Zaun hat einmal wo ein Loch“, sagt er. Er ist nach Birkenau gegangen und hat das Lager mit eigenen Augen gesehen. In Auschwitz wurde ihm das ganze Ausmaß des Holocausts, die Öfen und Gaskammern, bewusst. Nach einem Monat ging es weiter nach Russland.

Drei Jahre im Kohlenbergwerk

Die nächsten drei Jahre verbrachte Josef Miny in Stalinogorsk, dem heutigen Nowomoskowsk, etwa 200 Kilometer südlich von Moskau. Nachdem sie ihr eigenes Barackenlager aufgebaut hatten, mussten die Gefangenen täglich im Kohlenbergwerks schuften. Etwa die Hälfte überlebte das Lager nicht, vor allem die Unterernährung raffte sie dahin. "Im ersten Winter hat es die Jungen und die Alten erwischt", sagt Miny. Die Toten hatte man nackt in eine Grube geworfen, weil man das Hemd noch brauchte. Miny selbst lag drei Wochen mit der Ruhr im Spital. An gewalttätige Übergriffe der Russen kann er sich aber nicht erinnern.

Ein besonderer Löffel

Im Bergwerk mussten auch viele Zivilisten strafweise arbeiten, sie standen jedoch nicht unter Bewachung, wie die Deutschen. Mit ihnen hatte sich Miny gut verstanden. Besonders mit einer etwa gleichaltrigen Wolgadeutschen, die er um einen Löffel gebeten hatte. Am nächsten Tag hatte sie einen vom Schwarzmarkt besorgt und gegen eine Brotration von 50 Gramm eingetauscht. 

Heimkehr 1948

Von zu Hause hörte Miny erst nach zwei Jahren. Ein weiteres Jahr später wurden die Österreicher dann heimgeschickt. 48 Kilo hatte Miny, als er endlich am Linzer Bahnhof ankam und von seinem Bruder abgeholt wurde. Obwohl nur ein paar Jahre vergangen waren, hat er ihn nicht mehr erkannt. Auf dem Bauernhof in Alberndorf lebt er noch heute. Der Bauer war im Krieg gefallen, und 1950 hat Josef Miny seine Witwe geheiratet. Mit dem Löffel aus Russland isst er immer noch.

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