Doppelinterview
ÖVP Linz: "Wir sind ein Stachel im Fleisch der Stadtpolitik"

Elisabeth Manhal ist keine Unbekannte. Sie war bereits von 1997 bis 2009 und 2013 bis 2015 Linzer Gemeinderätin. | Foto: BRS/Diabl
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Die designierte Klubobfrau Elisabeth Manhal und der scheidende Klubobmann Martin Hajart im Interview kurz vor der Staffelübergabe im ÖVP-Rathausklub. Ein Gespräch über persönliche Corona-Erfahrungen, die Allmacht der SPÖ, Proporz, autofreien Hauptplatz, den Pöstlingberg und vieles mehr.

LINZ. Am 2. Juli übernimmt die Landtagsabgeordnete Elisabeth Manhal die Spitze des ÖVP-Rathausklubs. Der bisherige Klubobmann Martin Hajart ist seit Anfang Juni Büroleiter von Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander und verlässt die Politik. Wir haben beide am Rande der Landtagssitzung vom 19. Juni im oö. Kulturquartier getroffen.

Wie haben Sie die Corona-Zeit persönlich erlebt?

Martin Hajart: Ich habe mit meiner Frau den üblichen Hamsterkauf absolviert und bin dann am selben Tag vom Büro der Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander angerufen worden, ob ich nicht in den Krisenstab kommen möchte. Ab diesem Zeitpunkt war ich Teil des Ganzen. Es war eine sehr heftige Zeit, in der ich viele Menschen kennenlernen durfte, die Großartiges geleistet haben. Und ich bin nach wie vor sehr beeindruckt, was da in kürzester Zeit alles auf die Beine gestellt worden ist.

Elisabeth Manhal: Ich war zumindest zu Beginn privat sehr gefordert. Ich habe drei Kinder, die alle die Volksschule besuchen, weshalb das Thema Homeschooling bei uns sehr dominant und teilweise auch spannungsgeladen war. Es hat sich dann aber gut eingespielt. Beruflich habe diese Zeit genützt, um strukturelle Gedanken anzustellen und mich ein bisschen zu sortieren. In der Mitte der Corona-Hauptzeit hat mich dann der Anruf von Bernhard Baier (Linzer ÖVP-Obamnn, Anm.) erreicht, ob ich die Nachfolge von Martin Hajart antreten will.

Es gibt viel Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung, besonders in der Wirtschaft und der Kultur. Wie sehen Sie die Wirksamkeit der Maßnahmen?

Manhal: Die Zahlen und Fakten belegen eindeutig, dass unsere Maßnahmen, die Schnelligkeit und auch die Intensität richtig waren. Die Kulturmaßnahmen haben aber wirklich lange auf sich warten lassen, auch aufgrund des Wechsels im Staatssekretariat. Wir sind relativ rasch, Anfang Mai, mit einem Härtefallfonds seitens des Landes in Vorleistung gegangen und sehr bemüht, auch im Einzelfall Lösungen für die Kulturschaffenden zu finden. Bei der letzten Sitzung des Landeskulturbeirats war die Resonanz durchaus positiv.


"Linz hat viele Jahre über seine Verhältnisse gelebt"


Herr Hajart, wie ist Ihre persönliche Bilanz nach fünf Jahren im Gemeinderat?

Hajart: Mir haben diese fünf Jahre sehr gut gefallen und ich glaube und hoffe, auch einen entsprechenden Beitrag für eine positive Weiterentwicklung der Landeshauptstadt geleistet zu haben. Zum einen im Sportbereich, wo es zu Beginn der Legislaturperiode nicht einmal einen Sportausschuss gegeben hat. Auf meine Initiative hin ist ein Fitnesspark errichtet worden. Ich habe auch immer geschaut, dass für die Sportvereine eine bestmögliche Unterstützung erfolgt. Ein anderer Schwerpunkt war die Finanzsituation der Stadt, die Grund für vieles ist, das in der Stadt nicht gut läuft. Unter der SPÖ hat Linz viele Jahre über seine Verhältnisse gelebt. Gerade jetzt in einer Krise sieht man, welche drastischen Auswirkungen das hat, wenn das Geld fehlt. Auch die Verkehrssituation, eines der größten Probleme in Linz, ist auf die Finanzsituation der Stadt zurückzuführen. Mein Bestreben war es, auf eine Konsolidierung der Finanzen zu drängen. Ich habe auch Fehlentwicklungen wie den Swap und die Aktenaffäre kritisch beleuchtet und auf Aufklärung gedrängt.

Martin Hajart ist seit Anfang Juni Büroleiter von LH-Stellvertreterin Christine Haberlander. | Foto: Land OÖ/Max Mayrhofer
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Wie hat sich die Linzer Politik in den Jahren verändert?

Hajart: Über einen größeren Zeitraum betrachtet, hat die SPÖ immer mehr an Bedeutung verloren. Mittlerweile gibt es nur mehr mittelgroße Parteien. Die SPÖ realisiert aber erst mit der Zeit, dass sie nicht mehr die Allmacht darstellt.

Manhal: Ich bin 1997 zum ersten Mal in den Gemeinderat eingezogen und habe diese Alleinherrschaft der SPÖ noch erlebt. Es war sehr deprimierend, wenn man etwas in der Stadt verändern will und die SPÖ einfach drüberfährt. Das ist jetzt, Gott sei Dank, nicht mehr der Fall. Bei der Ausrichtung der Volkspartei wird es bis 2021 keinen Bruch geben. Wir sind zum einen ein Stachel im Fleisch der Stadtpolitik und zum anderen auch Ideengeber. Es braucht nach der Aktenaffäre oder dem Swap Maßnahmen, um das Vertrauen der Menschen in die Verwaltung wieder zu stärken. Wir werden da unser Möglichstes machen.

Im Land ist die Situation umgekehrt. Da gibt es eine über Jahre dominante ÖVP, die auch Federn hat lassen müssen, aber trotzdem noch eine sehr mächtige Stellung hat. Wo sehen Sie die Unterschiede?

Manhal: Die Art der Zusammenarbeit ist eine andere. Es ist immer die Frage, wie die Nummer eins mit den anderen Kräften umgeht. Beim Land bemühen wir uns wirklich um einen Wettbewerb der besten Ideen. Im Kulturbereich haben wir eine sehr gute Zusammenarbeit unter den Kultursprechern und es gibt einen regelmäßigen Austausch mit dem Landeshauptmann. Es soll ja um ein Miteinander gehen. Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, immer die besten Ideen zu haben, weder wir als ÖVP auf Landesebene noch die SPÖ auf Stadtebene.


"Proporz-System ist herausfordernd"

Das Proporzsystem zwingt Sie in eine Doppelrolle, ein bisschen Opposition und ein bisschen Regierung. Halten Sie das für einen Systemfehler, den man angehen sollte?

Hajart: Auf städtischer Ebene ist es gut, wenn man entsprechend dem Stimmenanteil in der Regierung vertreten ist. Alle, die gewählt sind, müssen zusammenarbeiten und das halte ich gerade auf Gemeindeebene, wo keine Gesetze beschlossen werden, für ganz wesentlich. Für die Kontrolle der Stadtregierung ist eh der Gemeinderat zuständig.

Manhal: Ich glaube, das System ist ein herausforderndes. Es kann aber durchaus gelingen, in dem man das austariert, in dem Bereich, wo man zuständig ist, konstruktive Arbeit für die Stadt macht und trotzdem in einem anderen Bereich die Kontrollfunktion einnimmt.

Der Linzer ÖVP wird immer wieder unterstellt, der verlängerte Arm der Landes-ÖVP im Gemeinderat zu sein und bei strittigen Fragen auch einmal gegen die Interessen der Linzer zu stimmen. Was entgegnen Sie diesem Vorwurf?

Hajart: Das ist ein veralteter Zugang zur Politik, der da von der SPÖ vor sich hergetragen wird. Denn wir sitzen im Grund alle in einem Boot. Ob das die Kommunalpolitik oder die Landespolitik oder die Bundespolitik betrifft. Am Ende ist nur das relevant, was beim Bürger Positives ankommt.

Manhal: Als Linzer Volkspartei wollen wir das Beste für die Menschen in der Stadt erreichen und das auf den unterschiedlichsten Ebenen. Das ist wahrscheinlich auch ein Thema, weil ich Abgeordnete im Landtag bin, aber auch bei anderen Fraktionen gibt es Mandatare, die auf unterschiedlichen Ebenen unterwegs sind.


"Das muss aus eigenen Kräften funktionieren"

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Vielen Städten und Gemeinden sind die Transferzahlungen an das Land zu hoch. Wie sehen Sie das?

Manhal: Das ist eine Frage des Finanzausgleichs, wo das auf jeden Fall diskutiert werden muss. Aber gerade im letzten Landesrechnungshof-Bericht wurde ganz klar dargestellt, dass es die Stadt Linz durch eine alleinige Änderung der Transferzahlungen nicht schaffen wird, den Haushalt zu konsolidieren. Das muss aus eigenen Kräften funktionieren.

Hajart: Wir haben jetzt aufgrund der Corona-Krise eine Ausnahmesituation, aber das entbindet die Politik nicht davon, sparsam mit den Geldern in der Verwaltung umzugehen. Gerade in Krisensituationen sieht man dann, wie schlimm es ist, wenn man nicht aus dem Vollen schöpfen kann.

Mit Elisabeth Manhal wird die Linzer ÖVP weiblicher. Sie komplettiert das Spitzentrio neben den beiden Stadtregierungsmitgliedern Bernhard Baier (re.) und Doris Lang-Mayrhofer (nicht im Bild). | Foto: Die Linzer Volkspartei
  • Mit Elisabeth Manhal wird die Linzer ÖVP weiblicher. Sie komplettiert das Spitzentrio neben den beiden Stadtregierungsmitgliedern Bernhard Baier (re.) und Doris Lang-Mayrhofer (nicht im Bild).
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Frau Manhal, in Linz setzen Sie inhaltlich auf Verkehr und Lebensqualität. Das gehört ja gerade in Linz zusammen. Was möchten Sie konkret umsetzen?

Manhal: Ich möchte einen Schwerpunkt auf das Thema Zu-Fuß-Gehen setzen. Es ist für die Stadt ein ganz besonderes Lebensgefühl, wenn mehr Menschen auf der Straße sind. Dazu braucht es Begleitmaßnahmen, wie den Ausbau der Begegnungszonen, damit der Fußgeher zu einem gleichberechtigten Partner im Verkehrssystem wird. Im Bereich der Lebensqualität muss gerade in diesem Sommer, in dem viele Linzer nicht auf Urlaub fahren, alles getan werden, damit er trotzdem unvergesslich wird. Wir haben eine Initiative gestartet, um die Bäderöffnungszeiten zu strecken. Aufgrund der Corona-Beschränkungen hätten nur 3.000 Leute im Parkbad Platz. Wenn wir da nichts tun, würde das bedeuten, dass da Leute wieder weggeschickt werden.


"Für uns ist das ein billiger Marketing-Gag"

Der ÖVP-Bezirksvorsteher in der Inneren Stadt in Wien will die City autofrei machen. Die Linzer ÖVP ist sogar gegen den autofreien Hauptplatz. Hat man da die Zeichen der Zeit nicht erkannt?

Manhal: Die Wiener Situation kann man mit uns nicht vergleichen. Wir haben immer gesagt, wir wollen warten, bis die Brücken da sind, denn der Verkehr muss ja irgendwohin und wir haben da jetzt schon ein Problem. Für uns ist das ein billiger Marketing-Gag.

Was wird möglich sein, wenn die Brücken fertig sind?

Manhal: Dann muss man die Autofreiheit der Innenstadt völlig neu beleuchten. Aber man muss schon strukturiert an das Thema herangehen, denn sonst schafft man mehr Erwartungshaltungen, die man dann vielleicht nicht einhalten kann. Unser Zugang wäre einfach, dass man eine Begegnungszone macht. Es hat sich erwiesen: Wo Begegnungszonen sind, funktionieren sie. Weil das ein gewisses Umdenken bei den Verkehrsteilnehmern fördert und ein gemeinschaftlicher Ansatz ist.


"Forderungen gut und nachvollziehbar"

Sie sind Vorsitzende der ÖVP Urfahr-West. Gerade wird viel über Bauprojekte auf dem Pöstlingberg diskutiert, es gibt Anrainerinitiativen. Wie sehen Sie das?

Manhal: Die Forderungen sind zum Teil gut nachvollziehbar. Was die Bebauung betrifft, muss man sich das schon anschauen. Sie (die Anrainer-Initiative, Anm.) wollen ja quasi einen Schlussstrich ziehen. Wenn man das so machen würde, wäre keinerlei Entwicklung mehr möglich. Aber ich glaube, das muss man diskutieren und in einen Austausch kommen.

Aber wie nehmen Sie die Situation am Pöstlingberg wahr?

Manhal: Es tut sich da sehr viel und es ist total wichtig, dass man mit viel Fingerspitzengefühl und Augenmaß vorgeht. Es gibt ja viele Initiativen in unserem Stadtteil, zum Beispiel auch die Initiative Knabenseminarstraße, die auch sehr unter dem Durchzugsverkehr leiden. Ich sehe es als unseren Auftrag, mit ihnen zu reden und zu versuchen, gemeinsam etwas zu erreichen.

Sie werden Klubobfrau im Gemeinderat, wollen Ihr Landtagsmandat behalten, haben zahlreiche andere Funktionen. Wie viele Stunden hat Ihr Tag?

Manhal: Mein Tag hat 24 Stunden. Ich muss gestehen, meine Kinder – sechs, acht und zehn Jahre – sind insbesondere in der Corona-Zeit sehr selbstständig geworden. Wir haben auch ein Netz von Freunden, die uns unterstützen. Wenn man sich von starren Strukturen löst und die politische Arbeit als Teil des Lebens sieht, dann lasst sich das ganz gut vereinbaren.

Herr Hajart, ist eine Rückkehr in die Politik für Sie denkbar?

Hajart: Ich habe meine politische Karriere aufgrund des beruflichen Wechsels beendet, weil es einfach zeitlich nicht mehr machbar ist. Ich sehe meine nähere Zukunft nicht in der Politik.

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