Interview
"Wenn das abgedreht wird, ist Game over"

Bürgermeister Luger fordert angesichts der Teuerung vom Bund sozial gestaffelte Hilfszahlungen an die Haushalte. | Foto: BRS/Gschwandtner
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Bürgermeister Klaus Luger blickt im Sommergespräch trotz der vielen Krisen optimistisch in die Zukunft.

LINZ. Klaus Luger (SPÖ) ist seit 2013 Linzer Bürgermeister und unter anderen für Wirtschaft, Innovation und Digitalisierung zuständig.

Herr Bürgermeister. Uns steht ein herausfordernder Herbst bevor. Was macht Ihnen am meisten Sorgen?
Luger:
Die generelle Stimmungslage in der Bevölkerung, die ausgesprochen schlecht und von großen Ängsten geprägt ist. Diese sind sehr verständlich und drehen sich um die Energiekrise, die steigenden Preise und um die Auswirkungen des Klimawandels. Mein Empfinden ist, dass die meisten Menschen derzeit ohne Optimismus in die Zukunft schauen.

Die Linzer Partnerstadt Saporischschja in der Ukraine wird immer wieder beschossen. Haben Sie Kontakt?
Wir erhalten unsere Informationen primär über die ukrainische Botschaft in Wien. Ich bin mit dem Botschafter in direktem Austausch. Auf Beamtenebene sind wir mit der Verwaltung in Saporischschja in relativ engem Kontakt bezüglich Hilfslieferungen und es gibt regelmäßigen Kontakt zum Bürgermeister.

Wir es weitere Hilfsaktionen geben?
Wir sind in Vorbereitung. Diesmal wird der Schwerpunkt, neben medizinischen Hilfsgütern, vor allem der Versorgung der vielen Flüchtlinge gelten, die aus den besetzten Gebieten nach Saporischschja gekommen sind.

In Linz sind auch Flüchtlinge angekommen. Wie hat die Versorgung geklappt?
Die Erstversorgung vor Ort hat relativ reibungslos funktioniert, sehr viel auch durch zivilgesellschaftliches Engagement. Aber es vergeht viel Zeit, bis finanzielle Zahlungen, auf die es sogar gesetzlichen Anspruch gibt, erfolgen. Viele haben nach sechs Monaten noch keine einzige staatliche Zahlung erhalten.

Trotz der vielen Krisen bleibt Bürgermeiste Luger optimistisch. | Foto: BRS/Gschwandtner
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Eine Auswirkung des Krieges ist die Energiekrise. Auf was müssen sich die Linzer einstellen?
Wir haben in der Linz AG keine Schwierigkeiten mit Liquidität. Weder der Strom- noch der Gasbereich brauchen Unterstützung vom Eigentümer. Unsere Gasspeicher sind zu 87 Prozent gefüllt. Damit werden wir die Haushalte und die von uns versorgten Betriebe – die Großindustrie hat eigene Gasströme – diesen Winter versorgen können. Wir werden auch nicht solche Preiserhöhungen haben, wie in Niederösterreich oder teilweise Wien, weil wir noch zu relativ günstigen Konditionen Gas eingelagert haben. Was niemand sagen kann ist, wie es ab März, April weitergeht.

"Die Situation ist entspannter"

Was ist in Linz anders als etwa in Wien?
Die Situation ist entspannter, weil wir für die Stromproduktion nur mehr 51 Prozent Gas einsetzen. 40 Prozent kommen von Biomasse und Bio-Abgasen. Insgesamt wird es aber ganz entscheidend sein, dass es bis Jahresende eine EU-weite Obergrenze für Energiekosten gibt. Der Markt kann das nicht regeln, ich bin daher für einen massiven Eingriff in die Preispolitik.

Wird es nach der Effektbeleuchtung in Linz weitere Energiesparmaßnahmen geben, etwa bei der Weihnachtsbeleuchtung?
Die Weihnachtsbeleuchtung wird aufgehängt und auch illuminiert. Wir haben Gesamtenergiekosten von 6.000 Euro. Das spielt keine Rolle. Ich halte auch die Appelle mancher Politiker für eher skurril, etwa nicht so lange zu duschen. Die großen Mengen verbrauchen nicht die Haushalte sondern die Industrie. Und da geht es um grünen Wasserstoff, aber das dauert noch. Ein bis zwei Prozent Stromersparnis in Linz ist Selbstbetrug, die Situation ist viel dramatischer. Wir sind für die Haushalte noch zehn Jahre auf Gas angewiesen. Wenn das abgedreht wird, ist Game over.

Die Teuerung trifft die Menschen massiv und das ist erst der Anfang. Was kann und soll die Stadt Linz tun, um zu helfen?
Die Stadt ist völlig überfordert, das ökonomisch zu regeln. Wir haben unseren Aktivpass, die geringsten Energiepreise und sind bei den Lohnrunden, den Energiepreisen und auch bei der Ertragslage der Linz AG selbst massiv von der Inflation betroffen. Der Bund schöpft Rekordgewinne aus dem Verbund ab und bekommt durch die erhöhten Preise viel mehr Geld in das Bundesbudget. Das gehört verteilt, und zwar nicht mit der Gießkanne, sondern sozial gestaffelt an die Haushalte.

"Die Klimaziele sind schwer zu erreichen"

Europa leidet unter einer beispiellosen Dürre. Wie geht es der Stadt Linz auf ihrem Weg zur Klimahauptstadt?
Mühsam, weil das ohnedies ambitionierte Programm bis 2040 – mit Ausnahme der Industrie – klimaneutral zu werden, derzeit wirklich schwer zu erreichen ist. Wir werden etwa die Gebäudesanierungen nicht in dem Tempo machen können, wenn die Preise 30 bis 40 Prozent höher sind. Ich habe nicht 40 Prozent mehr Budget für das. Gut unterwegs sind wir bei den Klimaanpassungsmaßnahmen, also den Begrünungen oder den Raum- und Platzgestaltungen.

Gibt es so etwas wie eine Roadmap bis 2040?
Die gibt es in der Gebäudesanierung, aber die wird nicht haltbar sein. Derzeit werden Bautätigkeiten geschoben. Das trifft uns bei der Begrünung von Flachdächern. Das ist zwar beschlossen, aber es gibt genug Unternehmen, die derzeit nicht bauen oder Private, die ihre Häuser nicht sanieren. Das war aber alles bilanziert. Wir werden andererseits auch schneller, denn die Linz AG wird drei bis vier Jahre früher als geplant vom Gas weg sein.

Bürgermeister Luger fordert angesichts der Teuerung vom Bund sozial gestaffelte Hilfszahlungen an die Haushalte. | Foto: BRS/Gschwandtner
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Sie fordern einen Strategiewechsel im Tourismus, weg von Kreuzfahrten hin zum Radtourismus. Was ist der Anlass?
Der Tourismus hat sich dramatisch verändert. Bis zu 30 Prozent des Geschäftstourismus werden nicht zurückkommen. Der Bustourismus bleibt aus. Heuer hat der Individualtourismus mit dem Pkw die Übernachtungsstatistik gerettet, weil immer noch Leute aus unterschiedlichen Gründen auf das Fliegen verzichten. Also stellt sich die Frage, wo die Perspektive ist. Die Donaukreuzfahrt bringt eine geringe Wertschöpfung, weil sie alles am Schiff haben. Radfahrer hingegen sind ein klassisches Mittelschichtsphänomen, die wollen nicht in ein billiges Hotel und eine gute Flasche Wein.

"Die ÖVP braucht das"

Der Linzer Bahnhof war zuletzt wieder einmal in den Schlagzeilen, vor allem wegen dem Umfeld.
Es scheint der ÖVP ein Herzensanliegen zu sein, den Bahnhof schlecht zu machen. Das Ranking überrascht mich nicht. Wir waren jahrelang auf Platz Eins, weil wir lange der einzige große Bahnhof waren, der neu gemacht wurden. Mittlerweile sind es 80. Dass die kürzlich Sanierten besser abschneiden ist logisch. Das Ranking ist mehr deshalb völlig wurscht, weil es ein Kind der Zeit ist. Der Bahnhof ist auch kein Hotspot für Kriminalität, sagen die Eigentümer ÖBB und die Statistik. Bleibt der Vorplatz und der Park: Ein Alkoholverbot wird dort nicht juristisch dokumentierbar sein, weil es kaum zu Amtshandlungen kommt. Dort in einer Wiese zu liegen ist gestattet, auch alkoholisiert. Aber die ÖVP braucht das. Die Verantwortungslosigkeit besteht darin, das dauernd zu skandalisieren.

Angesichts der vielen Krisen, vor allem aber der Klimakrise. Kriegt die Menschheit das noch hin?
Ja, weil – gerade was die Klimakrise betrifft – auch die Verantwortlichen in der Wirtschaft kapiert haben, worum es geht. Ich brauche keinen einzigen CEO eines Industriebetriebes von der Wasserstofftechnologie überzeugen, im Gegenteil, die treiben das selbst voran. Wir könnten weiter sein, wenn wir auf der politischen Ebene bessere und zum Teil richtigere Entscheidungen hätten, aber wir haben das Instrumentarium und deswegen sind wir optimistisch.

Bürgermeister Luger fordert angesichts der Teuerung vom Bund sozial gestaffelte Hilfszahlungen an die Haushalte. | Foto: BRS/Gschwandtner
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