Arthrose: "Die beste Therapie hat man selber in der Hand"

Die beiden Referenten Nikolaus Böhler und Anita Lehner, Mini Med-Studiengangsleiter und Geschäftsführer des Kepler Universitätsklinikums, Heinz Brock, und Moderatorin Christine Radmayr (v. l.).
  • Die beiden Referenten Nikolaus Böhler und Anita Lehner, Mini Med-Studiengangsleiter und Geschäftsführer des Kepler Universitätsklinikums, Heinz Brock, und Moderatorin Christine Radmayr (v. l.).
  • hochgeladen von Nina Meißl

Bis zu 80 Prozent der über 50-Jährigen sind von Arthrose betroffen. Die Arthrose ist die häufigste Erkrankung der Gelenke und entsteht durch die Abnützung des Gelenksknorpels. Oft wird sie mit der Arthritis verwechelt. Der Unterschied liegt in der Ursache. "Während es sich bei der Arthrose um eine Abnützung des Gelenksknorpels handelt, ist die Arthritis eine Entzündung des Gelenks", erklärte Referent Nikolaus Böhler, Vorstand der Klinik für Orthopädie am Kepler Universitätsklinikum.

Arthrose beginnt schleichend

Am häufigsten von Arthrose betroffen sind Knie, Hüfte, aber auch die Wirbelsäule oder das Daumengelenk. "Der Knorpel ist der Stoßdämpfer, der das Gelenk umgibt. Er fängt den Druck ab und verteilt ihn auf umliegendes Gewebe", so Böhler. Ist der Knorpel geschädigt, kommt es zu Schmerzen. Die Beschwerden verschlimmern sich langsam aber stetig und betreffen häufig nur ein einzelnes Gelenk. Zuerst treten sie nur bei Belastung auf, beim Gehen, Stiegen steigen, Heben etc. (Belastungsschmerz). In weiterer Folge machen sich Anlaufschmerzen bemerkbar: Wer z.B. nach einer Ruhephase aufsteht, verspürt Schmerzen, nach einigen Bewegungen lassen diese wieder nach. Es ist so, als müssten die Gelenke erst wieder "in die Gänge" kommen. In einem späteren Stadium leiden die Patienten auch im Ruhezustand unter Schmerzen, die betroffenen Stelle ist gerötet und überwärmt. Ist der Knorpel bis auf den Knochen abgenützt ("Knorpelglatze"), reiben die Gelenkknochen direkt aufeinander, das Gelenk verformt sich, und es kommt zu sehr starken Schmerzen.

Frühe Therapie

Ursachen für Arthrose sind unter anderem Übergewicht, mangelnde Bewegung, chronische Belastungen, Fehlstellungen wie O- oder X-Beine, oder Erkrankungen wie Rheuma oder Gicht. Gut sichtbar ist die Arthrose meist beim Röntgen, wobei die Aufnahmen bei Belastung durchgeführt werden sollten. Ebenso ist es möglich, zur Diagnose ein MRT oder CT, eine diagnostische Infiltration oder Bluttests durchzuführen. Eine frühe Therapie kann den Verlauf der Arthrose wesentlich beeinflussen. Gelenksentlastung sowie gezielte Bewegung sind dabei wichtige Säulen. "Die beste Therapie hat man selber in der Hand. Wenn man das Gewicht um nur 5,5 Kilogramm reduziert, ist das Risiko, an Arthrose zu erkranken, um die Hälfte geringer", so Böhler.

Bei akuter Reizung hilft oft Kälte und Ruhe, bei chronischer eher Wärme. "Probieren Sie selbst aus, was Ihnen gut tut. Oft ist das bei jedem anders", so Böhler. Dazu gibt es Schmerzsalben, die laut Böhler heute schon sehr potent sind, und verschiedene medikamentöse Therapien – von reinen Schmerzmitteln über entzündungshemmende Medikamente bis zu Cortison oder Hyaluronsäure. Orthopädische Hilfsmittel unterstützen das betroffene Gelenk. Betroffenen sollten außerdem Physiotherapie in Anspruch nehmen.

Große Fortschritte in der Orthopädie

Weiters gibt es heute verschiedenste Arten von Operationen für kleinere und ausgedehntere Defekte. Der größte Fortschritt in der Orthopädie gelang durch die modernen Endoprothesen. Diese Kunstgelenke ermöglichen minimalinvasive Eingriffe, bei denen der Knochen nur sehr sparsam entfernt werden muss. Die Patienten sind somit meist rasch wieder mobil und können früher nach Hause gehen können. "Dass der Patient in der Früh operiert wird und zu Mittag schon wieder aufsteht, wäre früher undenkbar gewesen", sagt Böhler. Die Operationen werden heutzutage am Computer vorgeplant, was für die Patienten große Sicherheit bringt. Im Kepler Universitätsklinikum setzt man auf hochwertige Kurzschaftprothesen. "Ältere Menschen belasten die Prothesen zwar weniger durch Sport, stürzen jedoch häufiger. Die kurzen Prothesen lassen sich viel leichter reparieren als die langen Modelle", so Böhler.

Arthrose vorbeugen

Der Experte rät jedoch: "Schon jetzt sind Arthrosen die häufigste Ursache für Krankenstände und Lebenszeitverlust. Lassen Sie es am besten gar nicht zur Endoprothetik kommen." Wie man das am besten angeht, erklärte Anita Lehner, Lehrtherapeutin an der Fachhochschule für Gesundheitsberufe Linz. Sie lieferte beim Mini Med-Studium Bewegungstipps für Alltag, Beruf und Freizeit. "Die Arthrose mag lange, statische Belastungen wie dauerhaftes Sitzen gar nicht", so Lehner. Durch körperliche Aktivität lassen sich die Schmerzen verringern. "45 Minuten mäßig kräftige Aktivität pro Woche reichen laut einer neuen Studie schon aus, um die Funktion der unteren Extremitäten zu verbessern. Das wäre das Minimum. Es zeigt aber, dass man sich nicht stundenlang quälen muss. Kurze, zehnminütige Einheiten pro Tag reichen ebenfalls", so Lehner. Sie rät, Überlastung und Unterforderung sowie lange statische Positionen zu vermeiden.

Bewegung im Alltag

"Auch 80-Jährige können Krafttraining mit Erfolg durchführen. Wichtig ist die Regelmäßigkeit", sagt die Physiotherapeutin. Ideal geeignet sind außerdem Sportarten mit wenig Gewichtsbelastung wie Nordic Walken, Radfahren oder Schwimmen. "Wenn es irgendwie geht, gehen Sie raus in die Natur", rät Lehner. Man kann kurze Bewegungseinheiten aber auch gut in den Alltag integrieren. "Das beste Trainingsgerät sind Putzfetzen", sagte Lehner und zeigte beim Vortrag ein paar Übungen vor. Wichtig sind auch Kräftigungsübungen (Kniebeugen, Aufstehen und Niedersetzen im Wechsel, Therabänder) sowie Koordinationstraining  (auf Polster oder zusammengerollter Matte balancieren, auf einem Bein Zähne putzen etc.).

Dazu verriet Anita Lehner acht Bewegungsregeln:
• Bewegung ist die beste Starthilfe
• Bewege dich dein Leben lang
• Bewege dich regelmäßig
• Bewege dich abwechslungsreich
• Bewege dich auch in den Pausen
• Bewege dich für deinen Körper
• Bewege dich richtig, wann immer es geht
• Bewege dich mit Freude und mit Freunden

"Bei Problemen mit Bewegung holen Sie sich Unterstützung bei einem Physiotherapeuten", riet Lehner.

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Foto: Cityfoto
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