Die Kirche ist ein Wirtschaftsfaktor
Pongauer Pfarrer machen sich keine Illusionen: „Städtische Entwicklungen treffen auch uns.“
Mit welchen Problemen und Entwicklungen sieht sich ein Landpfarrer konfrontiert? Das BEZIRKSBLATT im Gespräch mit den beiden obersten Geistlichen des Bezirks: Dechant Alois Dürlinger und Dechant Christian Schreilechner.
BEZIRKSBLATT: So zeigt sich der katholische Glaube im Pongau in Zahlen: Trauungen: 107, Kirchenaustritte: 626, Taufen: 315. Wie bewerten Sie die Situation im Bezirk?
DÜRLINGER: Bei uns im Pongau zeigt sich die Situation zwar besser als in der Stadt, aber wir dürfen uns keine Illusionen machen. Die städtischen gesellschaftlichen Entwicklungen treffen zeitverzögert auch am Land ein. Nur noch zehn Prozent der Gemeindemitglieder sind z.B. am Sonntag in der Kirche anzutreffen. Unsere Zahlen werden denen der Stadt in geraumer Zeit ähnlich werden.
SCHREILECHNER: Ich sehe, dass bei uns Tradition und Religion wie auch Glaube und Institution auseinanderdriften. Die Menschen im Pongau sind gläubig, praktizieren den Glauben aber nicht mehr nur in den Kirchen.
BB: Hat der „katholische Pongau“ Probleme, nachkommende Pfarrer zu finden?
DÜRLINGER: Ja, das Problem ist so ausgeprägt, dass nicht jede Pfarre mit einem Pfarrer versorgt werden kann.
SCHREILECHNER: Es gäbe genügend interessierte, engagierte und qualifizierte Menschen, die man aber aufgrund der Strukturen nicht dort einsetzen darf, wo man sie brauchen würde – ich spreche konkret von Frauen und verheirateten bzw. geschiedenen Männern.
BB: Bedeutet das, eine Reformation in der Kirche wäre notwendig?
DÜRLINGER: Die Kirche hat bekanntlich Angst vor Veränderungen. Aber bevor in Gemeinden nicht länger Messen gehalten werden können, muss ein Umdenken stattfinden.
BB: Auch im Pongau steigt die Zahl an Menschen mit Migrationshintergrund sowie das Interesse vieler Pongauer an esoterischen Strömungen. Sehen Sie das als Bedrohung für den katholischen Glauben?
SCHREILECHNER: Ich empfinde andere Glaubensströmungen als Herausforderung, nicht als Konkurrenz und versuche ihnen wohlwollend gegenüberzutreten. Wenn ich höre, dass Menschen klagen, der Islam würde bald die Überhand gewinnen, erwidere ich, dass ein Überleben des Christentums nur möglich ist, wenn es von seinen Mitgliedern lebendig gelebt wird.
BB: Im Pongau hatten wir 626 Kirchenaustritte im Jahr 2010, welche finanziellen Probleme ergeben sich daraus?
DÜRLINGER: Der Erhalt der Kirchen wird eine schwer zu bewältigende Aufgabe werden. Eine Ersatzleistung, wie zum Beispiel die Kultursteuer, wäre notwendig.
BB: Stichwort: Kirche als Wirtschaftsfaktor im Pongau...
SCHREILECHNER: Die Kirche gibt viele wirtschaftliche Impulse, vor allem auch in unseren kleinen Gemeinden. Die Gastronomie und beinahe jedes Geschäft profitiert von den kirchlichen Feiern und Festen – man denke an Weihnachten, Ostern, Taufen, Hochzeiten etc. Auch viele Ferien richten sich nach dem kirchlichen Jahresfestkreis und was machen die Menschen? Sie Fahren in den Osterferien in die Therme oder den Europark und gehen in den Weihnachtsferien Skifahren.
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