Tierische Tafelrunde

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Auf 1.800 Metern Seehöhe heißt es absteigen vom Schneemobil. Aus einer Vorratshütte holt der Förster zwei Bänke und Decken heraus und bedeutet Platz zu nehmen. Schnee fällt, der Blick wandert Richtung Berg, wo ein schmaler Steig aus dem Wald herausführt. Jagdpächter Thomas Tscherne holt Schubkarrenweise Futter bestehend aus Heu, Weizenkleie, Apfeltrester und Mais heraus und verstreut es zu den Füßen seiner Gäste. Dann herrscht erst einmal Stille im Angertal, hoch über Bad Hofgastein.

Auf Tuchfühlung

Allmählich beginnt sich im Wald etwas zu regen. Ein erstes Grüppchen Hirsche kommt den Berg herab – sie sind groß, imposant und hungrig. Das Teleobjektiv kann im Rucksack bleiben. Die Tiere kommen vorsichtig aber unaufgeregt bis zum Futter heran. Würde man die Arme strecken, könnte man das rotbraune Fell berühren, in dem Schnee und Eis hängt. Noch rührt sich aber niemand unter den Zuschauern dieses beeindruckenden "Schauspiels" – zu paradox ist die Nähe zu den ungezähmten Tieren, zu seltsam die aufgehobene Kluft zwischen Kultur und Natur.
Mit gespreizten Beinen senken die Tiere das Haupt mit dem imposanten Geweih und beginnen zu fressen. "Da kommen noch viele mehr", grinst der Jäger in die staunenden Gesichter seiner Besucher.

Da fällt kein Schuss mehr

Zwei Mal am Tag führt Thomas Tscherne im Winter diese Rotwild-Fütterung durch, um seine 140 Stück satt zu kriegen. In der kalten Jahreszeit hält sich das Rudel nur wenige Kilometer um den Futterplatz herum auf. Im Sommer ist es in einem Gebiet von bis zu 50 Quadratkilometern unterwegs – von der Schlossalm bis zum Stubnerkogel. Gejagt wird dort schon seit 20 Jahren nicht mehr. "Sonst wäre eine 'Schaufütterung' wie diese nicht möglich", erklärt Tscherne. Und obwohl er seine Geschichte mit den Hirschen wohl schon hunderte Male erzählt hat, fängt er mit Begeisterung an zu schildern.

Vertraut werden

"Vor 20 Jahren, als alles begann, haben meine Gattin und ich nur Phantome gefüttert. Drei Jahre lang haben wir keinen einzigen Hirsch gesehen. Gefressen haben die Tiere nur in der Nacht. Sie hatten kein Vertrauen zu den Menschen. Um sie an uns zu gewöhnen, haben wir die Fütterung wie ein Ritual abgehalten – immer zu gleichen Zeit, immer im selben Ablauf. Die Tiere sollten all unsere Bewegungen abschätzen können und unsere Stimmen kennenlernen", blickt Tscherne zurück, während sich auch Hirschkälber zum Futterplatz trauen. "Nach vier Jahren konnten wir die Hirsche sehen. Nach fünf Jahren kamen sie während des Tageslichts zum fressen, aber erst Stunden nach der Ausstreu. An einzelnen Tagen, blieb ich dann sitzen, bis sie kamen und fraßen und ging erst wieder, als sie schon lange fort waren."

"Sie dulden uns"

Erst nach zwölf Jahren Arbeit, kamen die Tiere bis auf zwei Meter zum Gasteiner heran heran. Bis sie auch fremde Menschen duldeten, dauerte es 14 Jahre. "Wir haben das Sicherheitsgefühl dieses Rudels verbessert. Sie dulden uns jetzt an ihrem Futterplatz", sagt Tscherne. "Aber das ist keine emotionale Bindung, die Tiere wissen nur, dass sie sich hier dem Menschen (nur!) bei der Fütterung gefahrlos nähern können."

Wie eine Schulklasse

Die umgekehrte Bindung vom Mensch zum Tier, scheint aber doch eine emotionale zu sein, denn der Gasteiner Hotelier hat allen Hirschen Namen gegeben. "Dieser hier heißt Klassensprecher. Als einer der ersten Hirsche ist er zur Fütterungszeit immer vor der Hütte auf und ab spaziert, als wollte er das Futter für seine 'Kollegen' einfordern. Und weil das Rotwild wie eine Schulklasse ist – mit ständigen Streitereien und Raufereien – wurde er zum 'Klassensprecher'", lacht Tscherne.

200 Tonnen Futter

Ganz unbemerkt und leise haben die Hirsche die Gäste eingekreist. Hinter den Bänken stehen Futterkrippen, an denen nun auch Hirschkühe (genannt Tier) zu fressen begonnen haben. "1,3 Hirsche kommen auf eine Hischkuh", erklärt der Jagdpächter die gesunde Mischung innerhalb eines Rudels. Mittlerweile sind 120 Stück Rotwild am Futterplatz. In einem Winter braucht Tscherne etwa 200 Tonnen Futter, die er, bevor der Weg gebaut wurde, mit einem Hubschrauber hinauffliegen musste.

Warum wird gefüttert?

"Im Winter würden die Tiere junge Bäume und Baumrinde fressen. Das führt zu Schäden und Ausfällen im Wald. Daher füttern wir das Rotwild. Auf die Schaufütterung hat uns der Nationalpark Hohe Tauern gebracht", sagt der Jäger. "Auf diese Art können unsere Gäste die intakte Natur erfahren und das Zusammenleben von Mensch und Tier erleben. Wir betreiben hier Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung."
Und während die Tiere in den Wald zurückkehren, bleiben die Besucher mit dem Gefühl zurück, gerade Teil von etwas ganz besonderem gewesen zu sein.

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