Dumpstern: "Hals über Kopf" in Melker Mülltonnen
BEZIRK MELK. "Was ich tue, ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber mich ärgert Lebensmittelverschwendung. Und irgendwo muss man anfangen", sagt Martin. Er kommt aus dem Bezirk Scheibbs, arbeitet in Amstetten und will, weil er sich mit seinem "Hobby" in einem rechtlichen Graubereich bewegt, lieber anonym bleiben.
"Dumpster-Tour" in Pöchlarn
Für unsere Reportage zum Thema Lebensmittelverschwendung ist er nach Pöchlarn gekommen, wir begleiten ihn beim "Dumpstern". "Ich habe bei einem Freund davon gehört und das hat mich interessiert." Heute kennt Martin Nahversorger-Mistkübel im ganzen Mostviertel und weiß, wo es was zu holen gibt. "Viele Märkte versperren die Tonnen, oft hat man aber freien Zugang", erzählt Martin und tritt den Beweis an.
Von Maden und Schokolade
Aus der ersten durchstöberten Mülltonne dringt ein süßlicher Geruch, auch Maden sind zu sehen. "Das darf einen nicht stören", lacht Martin. Er trägt Handschuhe und hat für die 'Beute' eine Holzkiste dabei. Bald hat er Schoko-Tafeln und eine frische Nektarine.
Mistplatz-Bekanntschaften
Beim zweiten Markt stößt Martin auf Gold: In schwarzen Müllsäcken finden sich gutes Gebäck in rauen Mengen, Joghurts, Mehlspeisen, etc. – das Ablaufdatum ist meist nur knapp überschritten. "Für mich ist das zu viel, es sollen alle was davon haben", lautet Martins Devise. Und tatsächlich – während Martin seine Lebensmittel sortiert, bekommen wir Gesellschaft. Ein älterer Herr aus der Nähe von Pöchlarn erzählt uns: "Ich hole mir hier schon seit Jahren was für meine Hühner, esse aber auch selbst was, es sind die Sachen ja völlig in Ordnung."
Der tolle Überraschungseffekt
Martin teilt seine 'Beute' gern: "In der Firma lege ich oft etwas in die Küche, die Kollegen wissen woher es kommt und freuen sich drüber." Vor sozialer Ächtung habe er keine Angst, liebevolle Scherze kämen halt vor. Am Dumpstern liebt Martin den Überraschungseffekt. "Man weiß nie, was man finden wird."
Anreiz zum Umdenken
Martin, der alleine dumpstert, hat auch schon Bekanntschaften gemacht. "In meinem Heimatort treffe ich oft eine ältere Dame beim Supermarkt-Container. Beim ersten Treffen war's ein wenig gruselig", erinnert er sich.
Er selbst könnte nicht nur von Gedumpstertem leben, sagt der Mann: "Das stünde im Widerspruch zu meiner Ernährung. Ich esse vegetarisch und achte auf meinen Körper." Vielmehr gehe es darum, ein Problem aufzuzeigen und Menschen im Umfeld zum Umdenken anzuregen. "Bei einigen habe ich schon ein Bewusstsein dafür geschaffen, wie viel wir sinnloserweise wegschmeißen", glaubt Martin.
Zur Sache
Dumpstern (Containern) ist nach österr. Recht keine Straftat, da Müll als herrenlose Sache gilt. Ausnahme wäre etwa Sachbeschädigung bei den Tonnen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.