Strafmündigkeit eines Flüchtlings muss überprüft werden

- Verteidiger Christoph Schlor:"Junge Burschen in einer Ausnahmesituation."
- Foto: Probst
- hochgeladen von Bezirksblätter Archiv (J. P.)
Dem angeklagten wird absichtliche, schwere Körperverletzung vorgeworfen.
HERZOGENBURG(ip). Schwierig gestaltete sich der Prozess gegen einen Flüchtling aus Afghanistan, der bei seiner Einreise in Griechenland im Dezember 2015 sein Alter mit 15 Jahren angegeben hatte. Dieses Alter nannte er auch in Österreich – bis zum Prozess am Landesgericht St. Pölten, wo ihm Staatsanwalt Michael Lindenbauer zur Last legte, im Jänner 2016 in einer Flüchtlingsunterkunft in Herzogenburg versucht zu haben, einen Zimmerkollegen mit einem Küchenmesser absichtlich schwer zu verletzen.
Alter unklar
Auf die Frage von Jugendrichter Markus Grünberger nach seinem Alter, meinte der Bursche zunächst: „Ich bin 14 Jahre.“ „Seit wann?“, lautete die nächste Frage. Die Antwort:"Ich weiß nicht, wann ich geboren bin." Schließlich ergänzte er und meinte: „In ein paar Tagen werde ich 14 Jahre!“ Damit wäre er in Österreich noch nicht strafmündig. Die Angaben zu seiner Schulbildung (vier Jahre Grundschule und vier Jahre Gymnasium) machten seine ursprüngliche Behauptung, 15 Jahre alt zu sein, wieder glaubwürdiger. Zur Vorsicht ließ Grünberger schon im Vorfeld des Prozesses ein psychologisches Gutachten einholen. Demnach sei nicht auszuschließen, dass der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt noch nicht 14 Jahre alt gewesen sei.
Drogeneinfluss vorgeworfen
Zu dem Vorwurf des Staatsanwalts, er habe unter Alkohol - (1,1 Promille) und Drogeneinfluss seinen Zimmerkollegen aufgefordert, von einem Sessel aufzustehen und als dieser der Forderung nicht nachgekommen sei, habe er ein Küchenmesser (Klingenlänge: 20 Zentimeter) genommen und Stichbewegungen gegen den Oberkörper des Kontrahenten, der sich bei der Abwehr eine Verletzung an der Hand zugefügt habe, ausgeführt, meinte der Angeklagte: „Ich habe nur zwei Bier getrunken, Drogen nehme ich keine.“ Sein Zimmerkollege habe ihn in den „Schwitzkasten“ genommen und sich dabei mit dem Messer selbst verletzt. Verteidiger Christoph Schlor sprach von „jungen Burschen in einer Ausnahmesituation, die einen Blödsinn gemacht haben“.
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Zahnärztliches Gutachten
Der Aussage des Angeklagten standen die Aussagen von drei weiteren afghanischen Flüchtlingen gegenüber. Im Wesentlichen hatten sie nur eines gemeinsam: Alle drei gaben als Geburtsdatum den 1.1. 1999 an. Das reizte den Richter zu der Aussage, dass damals vermutlich alle Geburtsstationen in Afghanistan ausgebucht gewesen wären. Dass einer der Zeugen nicht nur die Reisekosten ersetzt haben wollte, sondern auch Geld für ein Frühstück, lockerte die Atmosphäre im Saal auf. Am Ende beantragte Verteidiger Schlor ein medizinisches Gutachten zum Alter seines Mandanten. Der Schöffensenat kam dem Antrag nach und lässt ein zahnärztliches Gutachten einholen. Prozess vertagt.



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