Jahresinterview
Mikl-Leitner: Hartes Jahr 2022, harter Kampf 2023
Hohe Inflation, zu wenig Ärzte, harte Bandagen im Wahlkampf: Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat in ihren langen Jahren schon einfachere Zeiten gehabt. Im traditionellen Interview zum Jahreswechsel spricht sie über Herausforderungen und warum die Landarzt-Garantie aus ihrer Sicht doch kein Flop war. Das Gespräch führte RegionalMedien Niederösterreich Chefredakteur Christian Trinkl.
Ziehen wir zum Jahresende gleich mal eine Bilanz: Ein Jahr lang wurde 100 Jahre Niederösterreich gefeiert. Ihr Fazit?
Wir haben das 100-Jahr-Jubiläum mit Demut gefeiert. Niederösterreich hat eine tolle Entwicklung genommen: vom reinen Agrarland zum heutigen Agrarland Nummer 1, zum erfolgreichen Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturland. Wir sind auch aus jeder Krise gestärkt herausgegangen, das gibt uns Kraft für den Weg nach vorne.
Wien hat die Trennung von Niederösterreich ja nicht gefeiert.
Gott sei Dank hat es bisher eine gute Zusammenarbeit mit Wien gegeben – und die wird es auch in Zukunft geben. Landeshauptmann Michael Ludwig war auch im Palais Niederösterreich bei der Feier mit dabei, das zeigt trotz der Trennung die Verbundenheit der beiden Länder. Wir sind ein gemeinsamer Lebensraum.
Es ging ja auch um die Zukunftsstrategie für Niederösterreich. Welche Ergebnisse nehmen Sie aus den Befragungen der Bevölkerung mit?
Es liegen große Herausforderungen vor uns und die Wünsche und Ideen der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher sind eine wichtige Orientierung. Wir werden darauf die passenden Antworten "im MIteinander" geben.
Genau dieses "Miteinander" scheint aber gerade ein paar Risse – oder eher Spalten – bekommen zu haben: Gescheitertes Fairness-Abkommen für den Wahlkampf, Untersuchungen des Landesrechnungshofs wegen Inseratschaltungen, Ladung in den U-Ausschuss. Verbuchen Sie das unter Wahlkampf oder war dieses "Miteinander" immer mehr Schein als Sein?
In den letzten fünf Jahren sind 99 Prozent aller Regierungsbeschlüsse einstimmig beschlossen worden. Dieses Miteinander ist jahrelang von uns gelebt worden. Jetzt wird es vom politischen Mitbewerber bewusst gestört im Vorlauf der Landtagswahl. Auch bei meiner Ladung in den U-Ausschuss war für jeden sichtbar: Hier wurde der Wahlkampf direkt ins Parlament verlegt. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, wie sie das einzuordnen haben.
- Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau Niederösterreich
Kommen wir zur Gesundheit: Vor fünf Jahren haben Sie eine Landarzt-Garantie versprochen. Dennoch hat man den Eindruck, es fehlen Ärzte. War Ihr Versprechen ein Flop?
Ohne Gesundheit ist alles nichts. Wir sind einer der größten Gesundheitsversorger in Mitteleuropa und bieten medizinische Versorgung auf hohem Niveau in allen Regionen des Landes. Dafür werden wir weltweit beneidet. Neben unseren 27 Kliniken braucht es aber auch eine gute Partnerschaft mit dem niedergelassenen Bereich. 96 Prozent aller Ordinationen mit Kassenvertrag sind besetzt. Es ist Aufgabe der Ärztekammer und der Gesundheitskasse diese Stellen zu besetzen. Wir sind in Härtefällen mit einer Übergangslösung – der "Landarzt-Garantie" – eingesprungen. Jetzt gibt es mit dem "Bereitstellungsdienst" ein neues und besseres Modell der Ärztekammer und ÖGK, um die Lücken zu schließen. Ein Pool an Ärzten, die dann direkt Dienst vor Ort machen, um die Versorgung sicherzustellen.
Groß angekündigt worden ist der Ausbau der Kinderbetreuung. Zieht sich aber bis 2024 – und Rechtsanspruch gibt es auch keinen.
Jeder bestimmt sein Leben selbst, wie er Familie gestalten will. Unsere Aufgabe in der Politik ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen um "Ja" zur Familie sagen zu können. Es gibt keine Zwangsbeglückung – es bleibt eine Entscheidung der Familien, ob sie Kinderbetreuungseinrichtungen in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Und zum Anspruch: Bei den Drei- bis Sechsjährigen haben wir einen Abdeckungsgrad von 98 Prozent – und wir haben auch über 200 Kleinkindgruppen geschaffen für die unter Zweijährigen. Jetzt forcieren und verbessern wir das Angebot weiter, weil es ein vielfacher Wunsch der Familien ist und auch notwendig ist.
NÖs Familien stehen vor einer weiteren Herausforderung: Die Inflation liegt bei über zehn Prozent, bei Lebensmitteln gar bei 20. Können Sie den Menschen sagen: "Wir schaffen das"?
Wir haben bereits im Sommer das getan, was ein Bundesland tun kann. Wir haben dort mit Unterstützung angesetzt, wo die Teuerung für die Menschen am meisten spürbar ist: beim Pendeln, Heizen, Wohnen, Schulstart und beim Strom. Über 92 Prozent der Berechtigten haben sich etwa 100 Euro Schulstartgeld bereits abgeholt – galt auch für Lehrlinge übrigens. Beim blau-gelben Strompreisrabatt haben wir früh reagiert. Damit können wir jeden Haushalt in Niederösterreich erreichen. Insgesamt federn wir die Stromkosten mit 250 Millionen Euro ab, sichtbar direkt auf der Stromrechnung. Und das geht bei allen Energieversorgern, egal wo man Kunde ist.
Wo sind die Grenzen der staatlichen Hilfe? Es gibt ja auch Rufe danach, der Staat möge die Inflation zur Gänze abdecken. Ist das seine Aufgabe oder müssen die Menschen auch selbst Verantwortung übernehmen?
Es ist eine Herausforderung für alle unsere Landsleute. Unsere Aufgabe ist es, sie mit Hilfen durch diese Krise zu begleiten. Österreich ist in Europa, was die Förderungen betrifft, ganz vorne mit dabei. Es geht um treffsichere Unterstützungen. Gleichzeitig appelliere ich an die Vernunft der Menschen, das Geld dort einzusetzen wo es gebraucht wird. Der blau-gelbe Strompreisrabatt wird ja direkt von der Rechnung abgezogen, das ist zielgerichtet.
Die nächste Landeshauptfrau oder der nächste Landeshauptmann von Niederösterreich heißt ...?
Die entscheidende Frage wird sein: Wem trauen die Menschen zu, das Land in die Zukunft zu führen.
Also Johanna Mikl-Leitner?
Da will ich Ihnen nicht widersprechen.
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