Was fand man im Sommer in der Heimat von Hui
Die ungewöhnliche Herberge

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Text und Zeichnungen von Yu Hui

Immer wenn das Wetter im Sommer heiter war und man an einen
Himmel voller Sterne am Abend glaubte, kamen die Leute schon weit
vor 18 Uhr aus ihren Wohnungen und fanden in der Nähe einen Platz,
der möglichst schattig und windig war. Nachdem sie ihren eigenen
Platz mit Besen sauber gemacht und mit Wasser befeuchtet hatten,
marschierten sie mit ihren Bambusbetten dorthin, damit sie im Freien
eine kühle Nacht verbringen und über Nacht dort auch schlafend
bleiben konnten. Das waren viele einfache, vorübergehend
aufgestellte Herbergen, die man im Sommer in der Heimat von Hui
überall fand.

Ihre Stadt liegt im Süden und ist im Sommer sehr heiß, warum man sie
auch als „Herd“ bezeichnete. Als Klimaanlagen noch nicht in China
geboren waren, mussten fast alle Bewohner dort nachts nach Außen
gehen, um sich abzukühlen, um auf Bambusbetten zu übernachten.
Bevor das richtige Leben am nächsten Tag begann, räumten Erwachsene
und Kinder schon bei der Morgendämmerung schnell ihre Bambusbetten
wieder weg und trugen sie nach Hause zurück, damit die mit
Bambusbetten gefüllten Plätze wieder frei wurden und man ohne
Hindernisse durchgehen konnte. Zuhause richteten sie sich ein und so
verteilten sich die nachts versammelten Menschenmengen in Eile in
ihre eigenen Lebenskreise, indem Kinder zur Schule und die Eltern zur
Arbeit gingen.

Die Familie von Hui hatte zwei Bambusbetten. Wenn zwei Personen ihre
Körper gegeneinanderdrückten, konnten sie in einem Bambusbett
zusammen schlafen. Das eine war für Mama und Hui vorgesehen, das
zweite für ihre zwei Schwestern, ihr Vater schlief auf einem Liegestuhl aus
Segeltuch. Aber Hui übernachtete überhaupt nicht im Freien und wollte
das nicht, obwohl ihre Eltern ihr zuredeten. Hui wollte nicht mit so vielen
Nachbarn, wo ihre Bambusbetten wegen dem engen benutzbaren Platz
voneinander kaum 1 Meter entfernt waren, zusammen unter einem
Himmel schlafen. Dafür schämte sie sich und schlief unbedingt zu Hause,
obwohl sie ständig schwitzte und völlig durchnässt wurde. Die Nachbarn
lachten und verspotteten sie: "Die kleine Hui liest zu viel und will sich
wahrscheinlich als Prinzessin verwöhnen, statt bei ihren Untertanen zu
bleiben.“

Die beiden älteren Schwestern von Hui liebten es immer, ihr Bambusbett
an einen Ort weit weg von ihrem Zuhause zu tragen, um sich dort mit
ihren Freunden zu treffen. Ihr Lieblingstreffpunkt war ein Straßenrand mit
hohen Platanen, die prächtig grün waren und in Hochblüte standen und
den Fußgängern eine lange kühle Allee anboten. Die Schwestern sahen
Autos auf dieser Straße vorbeirasen, wobei ihnen bei jeder Vorbeifahrt
ein angenehmer Wind ins Gesicht blies, sie in Ruhe und ohne Einmischung
ihrer Eltern einen heimeligen Platz fanden. Sie konnten sich lange
miteinander austauschen und zusammen singen, bis sie ihre Augen kaum
mehr offenhalten konnten. Nur als der Sprengwagen der Stadtreinigung
morgens um 5:30 Uhr eintraf, erweckte das kühlstäubende Wasser die
Kinder, die noch in ihren süßen Träumen waren, als hätte man gepfiffen:
"Kinder, steht schnell auf! Die Sonne scheint bald auf eure Hintern!“

Wenn man die Treppen jedes Gebäudes in der Stadt hinauf ging, fielen
sofort die vielen Bambusbetten ins Auge. Sie lehnten nebeneinander an
den Wänden oder hingen untereinander, es sah aus, als ob man in eine
Ausstellung mit Bambusbetten käme. Egal ob sie neu oder alt waren, alle
wurden sauber gepflegt. Beim Gehen musste man vorsichtig sein, um
nicht gegen sie zu stoßen, denn jede Familie betrachtete ihre
Bambusbetten als ihr wertvolles Vermögen.

Dass sich die Leute draußen von Abend an bis Morgenfrüh lange
aufhielten, führte manchmal zu peinlichen Situationen, denn die
alltäglichen Szenen der Wohnungen im Erdgeschoß konnten wegen ihrer
sehr niedrigen Fenster von außen unabsichtlich beobachtet werden. Es
war unmöglich, bei solcher Hitze die Vorhänge zuzuziehen. Alles, was im
Zimmer passierte, wussten alle von Draußen sofort. Wenn etwas Intimes
zwischen einem Paar ablief, wussten die Leute draußen nicht, wohin sie
ihre Augen verdrehen sollten und sie wagten es nicht, sich das genauer
anzusehen. Wenn es im Gegenteil aber zu einem heftigen Streit kam, dann
folgten die Zuseher jedem Detail und erwarteten mit großem Interesse den
Höhepunkt. Angenehm war es aber, wenn mit einer Symphonie von Töpfen
und Pfannen in der Küche im Erdgeschoss gekocht wurde, man hörte
Scheppern und Klappern und roch den Duft der Speisen. Sogar
kommunizierten manche Köche bei guter Laune laut direkt durch das
geöffnete Fenster mit der Außenwelt.

Herr Zhang und seine Frau, die im Erdgeschoss wohnten, waren beide Fahrer
der Straßenbahngesellschaft in Schichtarbeit. Herr Zhang hatte eine
Leidenschaft für die Pekingoper und war sehr kontaktfreudig. Frau Zhang
dagegen hatte einen kühlen Charakter und war auch nicht schön, jedoch
liebte Herr Zhang seine Frau sehr. Wenn er Abendschicht und seine Frau
tagsüber arbeitete, konnte er den Haushalt führen und die Mahlzeiten für
seine Frau zubereiten. Seine Firma teilte ihm natürlich gerne diese
Schichtarbeit zu, sonst wäre es schwer gewesen, einen guten Fahrer für
diese Nachtfahrten zu fixieren. Wenn Herr Zhang kochte, hörte man draußen
immer seinen schönen Gesang und oft stellte man ihm neugierig eine Frage:
„Was kochst du heute Leckeres für deine Frau?" Seine Antwort klang sehr
fröhlich: „Es gibt gekochtes Schweinfleisch mit Seetang, Tofu mit Petersilie
und Wintermelonensuppe. Das Essen wird noch heiß sein, bis sie in einer
halben Stunde von der Arbeit zurückkehrt.“ Man musste auf seine Frau
neidisch sein.

Manchmal nahmen die Leute ihre Schüsseln mit Essen nach Außen mit,
genossen eine seltene Sommerkühle mit Brise, die in der Luft hin und her
tanzte. Es war leicht zu erkennen, wessen Essen lecker war. Selbst die
kleinen Kinder hatten Speichelfluss im Mund beim Anblick ihres Essens
und andere beschwerten sich im inneren darüber, dass ihre Mutter noch
nicht gut kochen konnte.

1976 beendete China schließlich seine 10-jährige tragische Kulturrevolution.
Von da an kam die Normalität in den Alltag zurück. Die Menschen begannen
wieder normal zu kommunizieren und hatten kaum mehr Angst, wegen
nicht von der Regierung gewünschter Meinung von jemanden verraten
zu werden. Obwohl sich die Wirtschaft noch langsam entwickelte, hatten
die meisten Bewohner in der Stadt keinen Hunger mehr, worunter sie in
der Kulturbewegung sehr gelitten hatten. Dazu blühte die
Nachbarschaftsfreundschaft, indem sie sich gegenseitigen unterstützten
und wohl in der Gesellschaft fühlten.

Hui hielt einen Zeichenblock unter dem Arm, um die lebendigen wieder
aufblühenden Leute zu zeichnen. Auf diese Weise wurde Hui‘s Fähigkeit
zum schnellen Skizzieren entwickelt und ihr Talent zum Zeichnen gefördert.
Während ihre Nachbarn im Freien schon auf ihren Bambusbetten
eingeschlafen waren, verbesserte Hui zu Hause in der Hitze unter einer
schwachen Glühbirne mit 15W ihre Zeichnungen, bis sie endlich damit
zufrieden war. Zum Schluss riss sie das Blatt vom Zeichenblock heraus und
steckte es sorgfältig in eine Bildermappe, so wie sie das vom Vater gelernt
hatte. Die Sammlung ihrer Zeichnungen zeigte Hui bei jeder Gelegenheit
den Kunstfreunden Ihrer Eltern, wenn diese zu Besuch bei ihnen waren.
Bei jeder dieser Präsentationen erhielt sie Zustimmung und Lob.

Aber Hui ist später doch nicht zur Kunstakademie studieren gegangen,
ihre Eltern waren dagegen. Wenn die Zeit zurückkommen könnte, würde Hui
trotz des Ablehnens ihrer Eltern auf ihren Wunsch bestehen.

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