Seniorenbund OÖ
Versteckte Epidemie: Einsamkeit macht krank

- Einsam im Alter: Unsere Gesellschaft ist heute mobiler und internationaler, Kinder und Enkelkinder leben oft nicht in der Nähe, in anderen Bundesländern, manchmal sogar im Ausland.
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- hochgeladen von Marlene Leitner (vorm. Mülleder)
Einsamkeit ist nicht nur ein unangenehmes Gefühl, sondern kann sogar schwere gesundheitliche Folgen haben. Der OÖ Seniorenbund stellt das Thema in den Fokus der Öffentlichkeit und diskutierte mit Experten, wie diese Herausforderung bewältigt werden kann.
OÖ. Für viele ältere Menschen wird besonders die stillste Zeit im Jahr auch zur einsamsten.
Unsere Gesellschaft ist heute mobiler und internationaler, Kinder und Enkelkinder leben oft nicht in der Nähe, in anderen Bundesländern, manchmal sogar im Ausland. Ein Drittel der Menschen über 65 lebt in Österreich alleine, meist, weil der Ehepartner verstorben ist oder es eine Trennung gab; mit zunehmendem Alter steigt der Anteil beachtlich. Im fortgeschrittenem Alter sind die Menschen naturgemäß nicht mehr so mobil, oft durch Krankheit oder Behinderung eingeschränkt und können daher weniger oder gar nicht mehr am Gemeinschaftsleben in der Gemeinde, Pfarre oder auch im Freundeskreis teilnehmen.
Hochbetagte haben nur mehr wenige Weggefährten, weil diese oft schon verstorben sind.
Ältere Menschen ziehen sich außerdem selbst zurück, weil das Selbstvertrauen im Alter zurückgeht. Auch unsere „digitale Gesellschaft“ tut das ihre dazu. So positiv der technische Fortschritt für viele Lebensbereiche ist, eines ist klar: das Internet kann eine Verbindung herstellen, aber nie Nähe schaffen oder ersetzen.
"Einsamkeit hat durchaus das Zeug, eine Volkskrankheit zu werden. Doch diese Krankheit hat ein neues Gesicht, sie ist nicht durch Symptome wie Husten, Schnupfen oder Fieber gekennzeichnet, sie ist nicht offensichtlich, findet meist im Verborgenen statt", so Landesobmann Josef Pühringer.
Gesundheitliche Folgen
Experten sind sich einig: Soziale Kontakte, ein Mindestmaß an Gemeinschaftsleben und gesellschaftlicher Teilhabe sind für das Wohlbefinden, ja sogar für die Gesundheit der Älteren sehr wichtig. Deshalb muss dem Thema aus dem Blickwinkel der Gesundheit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Menschen, die unter Einsamkeit leiden, haben häufig auch gesundheitliche Probleme. Neben erhöhtem Blutdruck, einer höheren Anfälligkeit für Herzerkrankungen oder einer Schwächung des Immunsystems, sind es vor allem physische Probleme, die zu einer chronischen Belastung werden. Sie werden von außen kaum wahrgenommen, sind jedoch nicht minder gefährlich für die Betroffenen. Selbst die Lebenserwartung kann durch Einsamkeit reduziert werden, wie Studien zeigen. Einsamkeit ist ein Krankmacher, aber einer, gegen den man einiges tun kann.
Wichtiges Thema für Seniorenbund
Der Seniorenbund OÖ fordert zur Bekämpfung der Einsamkeit den Ausbau und die Förderung innovativer Gemeinschaftswohnanlagen, Kooperationsprojekte zwischen den Generationen, sinnvolle Mobilitätsangebote in den Regionen, Förderung des digitalen Wissens für ältere Menschen, Ausbau der Tagesbetreuungsangebote, attraktives Weiterarbeiten in der Pension – Stichwort Zeitalter des Fachkräftemangels oder gefragte Senior-Experts.
Aktivitäten gegen die Einsamkeit
Besuchsdienste von Ehrenamtlichen
Über die Mobilen Pflegedienste organisiert die Caritas OÖ in 45 Gemeinden auch einen Besuchsdienst für ältere Menschen. Dabei engagieren sich rund 65 Ehrenamtliche und bringen ein wenig „Sonne“ in den Alltag einsamer Menschen. Dabei ist ein Anstieg der ehrenamtlich geleisteten Stunden erkennbar: Bereits mit Ende drittem Quartal 2022 wurden so viele Stunden (gut 1100 Stunden) ehrenamtlich geleistet wie im gesamten Jahr 2021. Viele der freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auch bereits in Pension und schätzen es selbst sehr, damit eine Aufgabe und Gesellschaft zu haben.
Ehrenamtliche Besuchsdienste bieten wir außerdem für die Menschen in unseren vier Seniorenwohnhäusern an – hier engagieren sich aktuell 45 Freiwillige. Und 85 ehrenamtliche Mitarbeiter/innen unserer Mobilen Hospizteams sorgen in sieben oö. Bezirken dafür, dass auch in der letzten Lebensphase weder die Patienteinnen und Patienten, noch die Angehörigen allein sein müssen – weder physisch, noch emotional. Auch nach dem Tod stehen den Trauernden die Hospizteams in Einzel- oder Gruppengesprächen zur Seite.
Plaudernetz der Caritas
Corona hat uns für das Verständnis von Einsamkeit auch eine Tür geöffnet, um das Thema aus der „Tabuzone“ zu holen. Österreichweit wurde zu Beginn der Pandemie von uns als Caritas u.a. das „Plaudernetz“ gestartet: ein telefonisches Angebot gegen Einsamkeit und soziale Isolation. Menschen, die sich freiwillig engagieren und mit einsamen Menschen am Telefon plaudern möchten, können sich unter plaudernetz.at registrieren.
Menschen, die einen Plauderpartner suchen, weil sie sonst niemanden zum Reden haben, können unter der Nummer 05-17 76 100 – täglich von 12.00 bis 20.00 Uhr – anrufen und werden dann mit einem/einer der freiwilligen Plauderpartner/in verbunden. Das Angebot wird sehr geschätzt – seit dem Start im April 2020 wurden 28.200 Gespräche über das Plaudernetz geführt, 4.100 freiwillige Plaudernetzpartner/innen haben sich registriert. Täglich wurden und werden zwischen 30 und 100 Gespräche geführt. Interessant ist hier auch zu beobachten, dass Einsamkeit keine Frage des Alters ist: die Anrufer/innen sind im Alter zwischen 40 und 85, manche auch älter. Es melden sich Männer ebenso wie Frauen.
Alltagsbegleitung der Caritas
In Linz bietet die Caritas eine Alltagsbegleitung an, bei der Mitarbeiter/innen älteren Menschen Gesellschaft leisten, für sie Einkäufe erledigen oder sie z.B. zu Ärzten oder Behörden begleiten.
Ein Zivildiener, der bei uns in der Alltagsbegleitung für Senior/innen mithilft, hat uns kürzlich von einer für ihn sehr prägenden Erfahrung erzählt: Er kam zu einer älteren Dame, die alleine lebt und sich gerade in einer schwierigen Lebenssituation befand. Ihr Alltag war geprägt vom Alleinsein und von schweren Depressionen. Der 20-Jährige erzählte ihr dann von seinen Erfahrungen und wie er so einer Situation schon einmal entkommen ist. „Ich habe sie dazu motiviert, gemeinsam mit mir den Haushalt wieder ins Laufen zu bringen. Eine gemeinsame Putz-Tour hat ihr gezeigt, dass eine saubere Umgebung viel zum mentalen Wohlbefinden beiträgt“, berichtete er. Ein paar weitere Gespräche und einfach das Gefühl zu vermitteln, es ist jemand da und hört zu, haben dazu geführt, dass die Wohnung bei den Folgebesuchen immer ordentlicher wurde. Die Frau hat sogar wieder zu Kochen begonnen und ihre geistige Gesundheit hat sich merklich verbessert.


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