Thomas Schwarzenbrunner/Kurosch Yazdi
Alkoholkonsum in Zeiten von Corona
In Krisensituationen fallen Menschen häufig in erlernte Muster zurück. Das kann etwa bedeuten, dass alkoholkranke Personen wieder zum bewährten Mittel greifen. Welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf den Alkoholkonsum, aber auch auf das Suchtpotential hat, hat die BezirksRundschau jetzt nachgefragt.
OÖ. Zu Beginn der Corona-Pandemie hatten Restaurants und andere Lokale geschlossen. Viele Nachtlokale wie Diskotheken können nach wie vor nicht aufgesucht werden. Während in diesem Setting somit kein Alkohol getrunken werden kann, haben sich Treffen jedoch nach Hause verlagert.
Thomas Schwarzenbrunner, Sucht- und Drogenkoordinator des Landes Oberösterreich, berichtet, eine stabile Zahl bei den Beratungen von Menschen mit Alkoholproblemen und ihren Angehörigen zu haben. Manche Klienten nahmen das vorübergehend telefonische Beratungsangebot nicht in Anspruch. Zu den Themen zu Beginn der Pandemie zählten unter anderem Ängste vor der aktuellen Situation, zum Beispiel bezüglich sozialer Isolation und der Ausgangsbeschränkung. Beim Konsum seien laut Schwarzenbrunner unterschiedliche Tendenzen bemerkbar. So würden manche Klienten derzeit weniger trinken, weil sie Ängste - etwa aufgrund weniger Therapieangebote- hätten. Bereits alkoholkranke Menschen hätten jedoch teilweise eine sehr hohe Rückfallwahrscheinlichkeit durch die krisenhafte Situation.
"Keine Hinweise, dass mehr Menschen Probleme mit Alkohol hätten"
Kurosch Yazdi, Vorstand der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin am Kepler Universitätsklinikum, erzählt ebenfalls "keine Hinweise darauf zu haben, dass jetzt mehr Menschen Probleme mit Alkohol hätten als bisher". Die Wartezeiten für eine Behandlung sind nicht länger geworden. In Oberösterreich werden eine etwa zweiwöchige Alkoholentgiftung und eine ungefähr sechswöchige Alkoholentwöhnungstherapie angeboten. Während die Entgiftung mehr Patienten, zum Teil auch mehrmals, machen, kann die Dauer der psychologischen Entwöhnungstherapie abschreckend wirken. Sie wird weniger oft in Anspruch genommen.
Unabhängig von der Corona-Pandemie sind vor allem Männer zwischen 30 und 50 Jahren von Alkoholproblemen betroffen. Anders sieht es beispielsweise bei Medikamentenabhängigkeit aus, von der mehr Frauen betroffen sind, oder bei Internetsucht, die vorwiegend jüngere Menschen trifft. Yazdi schildert, dass sich seit Ende April beziehungsweise Anfang Mai mehr Eltern bei ihm melden, die ihre jugendlichen Kinder nicht mehr vom Internet wegbekämen. Männer seien eher anfällig für eine Computerspielsucht, Frauen für eine Sucht nach sozialen Medien. Suchtpotential haben laut Yazdi alle Menschen. Ausbrechen würde sie vor allem bei jenen, die bereits eine Suchterkrankung haben oder bei jenen, die nicht gut mit Stress umgehen können.
Verfügbarkeit erhöht Suchtpotential
Außerdem gebe es viele soziale Umstände, die eine Sucht wahrscheinlicher machen. Hier nennt Yazdi als Beispiele die gesellschaftliche Bewertung und die Verfügbarkeit von Suchtmitteln. Die Legalisierung von Cannabis habe in den betroffenen Staaten etwa zu mehr Cannabis-Süchtigen geführt. In Österreich ist Alkohol sehr leicht verfügbar und im Vergleich zu illegalen Drogen auch günstig zu bekommen.
Darüber hinaus würden manche Menschen beim Versuch, eine Krise zu bewältigen, süchtig werden. Die Pandemie könnte die Gefahr durch ihre Folgeerscheinungen zukünftig erhöhen. Menschen mit einem Alkoholproblem empfiehlt der Mediziner zuerst einen Besuch beim Hausarzt. Dieser könne erste Untersuchungen, zum Beispiel von der Leber, machen und alles Weitere empfehlen. In Oberösterreich bieten unter anderem Psychiatrien, aber auch Alkoholberatungsstellen und Selbsthilfegruppen wie das Blaue Kreuz und die Anonymen Alkoholiker Programme an. In Linz haben beispielsweise der Verein B37 und das Land Oberösterreich eine Beratungsstelle eingerichtet.
Journaldienstnummer der Alkoholberatung des Landes OÖ: 0664/6007289563
Alkoholberatungsstellen in OÖ
Selbsthilfegruppen in OÖ
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