100 Jahre Hoamatland
Stelzer: „Es ist schon ein feiner Flecken Erde“

v. l.: Magdalena Neuhofer, Josef Pühringer, Thomas Stelzer, Josef Ratzenböck, Thomas Winkler. | Foto: Alle Fotos: BRS/Kunasz
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  • v. l.: Magdalena Neuhofer, Josef Pühringer, Thomas Stelzer, Josef Ratzenböck, Thomas Winkler.
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LINZ (iti). „Dinge, die uns heute völlig normal erscheinen“ – das Frauenwahlrecht etwa, das Streusalz, Autos oder Computer – all das ist entweder vor oder nach dem Zweiten Weltkrieg in unseren Alltag gekommen und nun nicht mehr wegzudenken. Es sind die positiven Dinge, an die die Historikerin und Leiterin des OÖ. Landesarchives, Cornelia Sulzbacher, zu Beginn des von der BezirksRundschau veranstalteten „100 Jahre Hoamatland“ -Abends im Festsaal des Linzer Ursulinenhofes erinnern will. Denn die positiven Dinge sind es auch, die wir am schnellsten als selbstverständlich betrachten.

Der Acht-Stunden-Tag, die 40-Stunden-Woche und finanzielle Unterstützung für Arbeitslose, „alles Dinge, die für uns heute völlig normal sind.“ Das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Freiheit und auf faire, nachvollziehbare Gerichtsverhandlungen – alles zur Normalität geworden. Sulzbacher wird nicht müde, die prägenden Selbstverständlichkeiten der vergangenen 100 Jahre aufzuzählen. Und sie weiß auch zu überraschen. Etwa mit dem Fakt, dass die Todesstrafe in Österreich erst 1968 gänzlich abgeschafft wurde. „Massiv beeinflusst“, so die Historikerin, haben das Leben in Oberösterreich schließlich noch drei Errungenschaften: das Auto, der Computer und das Internet mit seinem „kongenialen Partner“, dem Smartphone. 

„1918 hat Österreich ein Experiment versucht – eine parlamentarische Demokratie.“ – Cornelia Sulzbacher

Prägend für die ganze Welt und ganz besonders für Oberösterreich war auch der Zweite Weltkrieg. Das Land wurde gespalten. Vorerst in die „Jubler“ und jene, „die Angst hatten“. Letztere habe man an diesem Tag nicht auf den Straßen gesehen. So beschreibt Alt-Landeshauptmann Josef Ratzenböck jenen schicksalhaften Tag im März 1938, als Adolf Hitler im Land ob der Enns eintraf. „Es wird Krieg geben“, erinnert sich der damals Neunjährige an eine Aussage seiner Mutter. Und es gab Krieg.

„Im Ort ist praktisch aus jedem Haus einer umgekommen“, erzählt Ratzenböck. Er selbst hatte „Glück“, musste er doch mit fünfzehneinhalb Jahren, erst gegen Ende des Krieges, noch einrücken. Nach Kriegsende spalteten die Besatzungsmächte das Land: Die Donau trennte Oberösterreich in eine russische und eine US-amerikanische Besatzungszone. „Die Amis haben uns nicht gestört, die Russen haben wir gefürchtet“, beschreibt Ratzenböck die Situation eines Mittzwanzigers in Linz.

„Meine Mutter sagte: ,Es wird Krieg geben, gut, dass der Pepi noch so jung ist.‘“ – Josef Ratzenböck

Josef Pühringer, später dessen Nachfolger als Landeshauptmann von Oberösterreich, geboren 1949, hat daran kaum Erinnerungen: Die berühmten Worte Leopold Figls, „Österreich ist frei!“, hat er „nicht mitbekommen“ – kein Wunder, möchte man sagen, denn das erste TV-Gerät legte sich die Familie Pühringer erst im Jahr 1964 zu.

Doch ein Ereignis kann der erst im vorigen Jahr abgedankte Landeshauptmann Nummer zwei in unserer Talk-Runde noch bis ins Detail wiedergeben: den Besuch des damaligen Bundeskanzlers Julius Raab im Jahr 1959 in Traun. „Ich habe damals ein Gedicht aufgesagt“, erzählt Pühringer stolz und legt auch schon los: „Lieber Herr Bundeskanzler ...“ – als wär' es gestern gewesen. Alle vier Strophen wollte der Raab-Bewunderer allerdings dann doch nicht zum Besten geben. Als Belohnung gab's ein „Porträt mit Unterschrift, eine Bonbonniere und einen Silber-Fünziger.“

„Es ist nicht selbst- verständlich, dass es uns so gut geht wie jetzt gerade in Oberösterreich.“ – Magdalena Neuhofer

Mit Ratzenböcks Erzählung vom ersten Telefonat – „Ich habe nichts verstanden und nichts gesagt“ – kann schließlich der Bogen in die Gegenwart gespannt werden: zu Thomas Stelzer, dem aktuellen und seit rund eineinhalb Jahren regierenden Landeshauptmann von Oberösterreich. Denn als sich das Telefon etablierte, wie ein Zeitzeuge in einem Video-Einspieler erklärt, wurde es im Geschäftsleben unentbehrlich.

„Genau das Thema haben wir jetzt auch“, sagt Stelzer, „heute ist es halt der Breitbandausbau“. „Die Infrastruktur, die unser Land braucht, um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben“ steht genau deshalb weit oben auf Stelzers Agenda.

„Der Besuch von Julius Raab im Jahr 1959 in Traun war ein Riesenereignis.“ – Josef Pühringer

Magdalena Neuhofer, die Jüngste in der illustren Talk- Runde, konnte in Sachen historischer Erfahrungen freilich keine Erlebnisberichte beisteuern. Als Vorsitzende der ÖH JUS, der Vertretung aller Studenten der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Johannes Kepler Universität, konnte sie jedoch einen Einblick geben in die Gedankenwelt einer weiteren, jüngeren politischen Generation. Neuhofer ließ erkennen, dass Sie sich durchaus all der eingangs erwähnten „Selbstverständlichkeiten“ bewusst ist.

Vorsicht sei aber dennoch geboten: „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu einer Wegwerfgesellschaft entwickeln.“ Von der „älteren Generation“ wünscht sich die Juristin, „dass sie uns Jungen das Bewusstsein mitgibt, dass es nicht selbstverständlich ist, dass es uns so gut geht, wie es uns jetzt gerade in Oberösterreich geht.“ Die Aufgabe ihrer eigenen Generation hingegen sei es, sich diese Tatsache immer wieder vor Augen und im Bewusstsein zu halten.

„Dafür, dass uns erhalten bleibt, was wir haben, müssen wir alle etwas tun.“ – Thomas Stelzer

„Wir sind schon an einem sehr feinen Flecken Erde daheim“, betont auch Landeshauptmann Thomas Stelzer in dieser Hinsicht: „Diese Vorteile zu sehen und spürbar zu machen ist das eine, aber dafür auch Sorge zu tragen, dass uns das alles erhalten bleibt, das ist das andere, und dafür“, so der Landeshauptmann, „müssen wir alle etwas tun.“


Ratzenböck: „Thomas, jetzt geht das auf dich über!“

„Bei einer Wanderung mit dem bayrischen und dem tschechischen Ministerpräsidenten kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – vom Dreisesselberg nach Oberösterreich haben wir etwas ausgemacht: Die Bayern liefern einen Grenzstein, die Tschechen die Musik und wir liefern die Jause. Wir sind nie dazugekommen. Dieses Versprechen ist auf den Pühringer übergegangen. Der hat auch nichts zusammengebracht. Und jetzt, lieber Tho- mas, geht das auf dich über.“
Landeshauptmann außer Dienst Josef Ratzenböck

Pühringer: „Er wollte mich beim Kirchgang treffen.“
„Helmut Kohl hat angerufen: Er wolle mich ,beim Kirchgang treffen‘, in Mondsee. Ich weiß es heute noch: 23. Juli 1996, zehn vor zehn marschier' ich zur Kirche, steht er schon da, zweimal so groß wie ich, zweimal so breit wie ich, zwei Leibwächter in etwas Abstand. ,Grüß Gott Herr Bundeskanzler, Pühringer, ich bin der neue Landeshauptmann von Oberösterreich‘, sage ich. Er gibt mir die Hand, hält sie und sagt: ,Naja, wenn du jetzt so ein hohes Amt hast, wirst du wohl noch einige Knödel essen müssen.“
Landeshauptmann außer Dienst Josef Pühringer

Stelzer: „Schließlich warst du Landeshauptmann.“

„Kurz nach der Öffnung der Grenze zu Tschechien hat es eine Übergabe des Friedenslichtes gegeben, am Stadtplatz von Budweis. Wir waren da als Junge auch mit dabei. Es war ein Riesenauflauf. Und im tschechischen Teil der Reden haben wir nichts verstanden außer: ,Ratzenbäcker‘. Und eine Zeit lang, ich gestehe es jetzt, haben wir immer vom ,Ratzenbäcker‘ gesprochen – aber nur, wenn du nicht dabei warst (schaut zu Ratzenböck), weil du warst ja schließlich der Landeshauptmann.“
Landeshaupmann Thomas Stelzer

Dass der „100 Jahre Hoamatland“-Talk mehr als eine halbe Stunde länger dauerte, als geplant, fiel auch den zahlreichen Ehrengästen gar nicht auf. Zu gebannt lauschten sie den Erzählungen von Landeshauptmann Thomas Stelzer und seinen zwei Vorgängern, Josef Pühringer und Josef Ratzenböck. Beeindruckt zeigten sie sich von der erst 20-jährigen Magdalena Neuhofer. Die Jus-Fachschaftsvorsitzende der ÖH an der Johannes Kepler Uni glänzte als Vertreterin der jungen Generation beim „100 Jahre Hoamatland“-Talk neben den drei erfahrenen Politikern. Deren lustigste Erinnerungen aus ihrer politischen Tätigkeit sorgten für viele Lacher im Publikum. Ihre Lehren aus der Geschichte Oberösterreichs, aber auch für viel Nachdenklichkeit – so etwa das Plädoyer von Landeshauptmann außer Dienst, Josef Ratzenböck, für die Pressefreiheit. Ein sehr gelungener Abend, waren sich jedenfalls alle Gäste einig – und auch darüber, welches Glück es ist, seit vielen Jahrzehnten in einem friedlichen, wohlhabenden und freien „Hoamatland“ zu leben.

„Alte Geschichten“ in allen E-Papers nachlesen

„100 Jahre Hoamatland“ ist ein BezirksRundschau-Projekt, das sich durch sämtliche Ausgaben der Zeitung zieht. Historische Geschichten aus allen Regionen des Landes, Interviews mit Zeitzeugen und beeindruckende, alte Aufnahmen finden Sie ab 25. Oktober auch online in unseren E-Papers unter meinbezirk.at/s/epaper-oberoesterreich

Den Fernsehbeitrag zur Talk-Runde sehen Sie am 25. Oktober ab 18 Uhr auf LT1 und online auf lt1.at

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