Wind-Experte Andreas Krenn im Interview
"490 Windräder wären in Oberösterreich möglich"

Windkraft-Experte Andreas Krenn: "Aus unserer Sicht sind bis 2030 insgesamt 80 zusätzliche Windräder in OÖ realistisch. Dafür braucht es aber das Commitment der Politik und nicht eine Abwehrhaltung wie in den letzten Jahren." | Foto: BRS/Siegl
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  • Windkraft-Experte Andreas Krenn: "Aus unserer Sicht sind bis 2030 insgesamt 80 zusätzliche Windräder in OÖ realistisch. Dafür braucht es aber das Commitment der Politik und nicht eine Abwehrhaltung wie in den letzten Jahren."
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Andreas Krenn ist Geschäftsführer der "Energiewerkstatt" – die Firma führt Windmessungen in ganz Europa durch. In der Vorwoche hat das Unternehmen mit Sitz in Friedburg (Bezirk Braunau) eine Studie zu Österreichs Windpotenzial vorgestellt. In Oberösterreich wären bis zu 490 Windräder möglich, rechnen die oberösterreichischen Windexperten vor.  

Interview: Thomas Kramesberger

Warum braucht der Standort Österreich bzw. Oberösterreich eigentlich die Windkraft?
Krenn:
Es geht in erster Linie darum, die Energiewende zu schaffen, das ist wegen der Klima- und Energiekrise notwendig. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien gibt es nicht sehr viele Möglichkeiten – in Österreich bzw. Oberösterreich nutzen wir das Wasserkraftpotenzial seit vielen Jahrzehnten intensiv. Aber dieses Potenzial ist beinahe ausgeschöpft – man braucht sich nur die Flußkraftwerke entlang der Donau anschauen. Zusätzlich gibt es die Photovoltaik, Windkraft, Biomasse und auch die Erdwärme, wobei letztere noch nicht wirklich konkurrenzfähig ist. Der große Vorteil der Windkraft liegt darin, dass die Energie primär im Winterhalbjahr zur Verfügung steht. Also zu der Zeit, in der der Strom für Wärmepumpen oder die Industrie gebraucht wird. Aktuell werden in Österreich circa 70 Terawattstunden Strom pro Jahr verbraucht, 2040 dürften es bereits 120 Terawattstunden sein. Ab dann will Österreich die gesamte Energie erneuerbar produzieren und das geht nur mit einem Ausbau der Windenergie.

Also der wichtigste Aspekt der Windenergie ist, die „Winterlücke“ zu schließen?
Ja, aber die Windenergie steht natürlich auch in der Nacht zur Verfügung. Die Windkraft kann auch im Sommer wesentlich zur Versorgung der Industrie mit leistbarer Energie beitragen, denn die Windenergie zählt mittlerweile zu den günstigsten Stromerzeugungstechnologien, die wir haben.

2040 will Österreich seinen Energiebedarf nur mehr aus erneuerbaren Quellen decken. Ist das realistisch?
Das ist ein extrem ambitioniertes Ziel, aber wenn man sich die Potenziale – etwa der Windenergie – ansieht, dann ist das denkbar.

Wie groß ist das Windkraftpotenzial in Österreich?
Wir haben eine aktuelle Studie gemacht, in der wir uns ansehen, wie viel Fläche in Österreich für die Nutzung der Windenergie geeignet wäre. Berücksichtigt haben wir die Windgeschwindigkeit, der Wirtschaftlichkeit, die gesetzlichen Abstandsvorgaben, technische und topografische Möglichkeiten sowie die Naturschutzgebiete. Übrig geblieben sind drei Prozent der österreichischen Gesamtfläche. Dort wäre eine Windkraftnutzung möglich. Und, nicht zu vergessen: 99 Prozent der Windparkflächen sind weiter land- und forstwirtschaftlich nutzbar, da nur 0,3 Prozent von diesen Flächen wirklich versiegelt werden. 

Wieviele Windräder könnten auf diesen drei Prozent gebaut werden?
Der potenzielle Energieertrag läge bei 120 Terawattstunden, also jenem Bedarf den Österreich 2040 wahrscheinlich haben wird. Es wäre also möglich, die Energiewende – durch das Zusammenspiel von PV, Wind- und Wasserkraft – zu schaffen.
Wir haben uns aber auch angesehen, was auf einem und auf zwei Prozent der Fläche Österreichs möglich wäre. Zwei Prozent ist auch ein guter Richtwert, denn in Deutschland gibt es seit dem Frühjahr 2023 ein Gesetz, das zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft vorsieht. Und wir sind der Meinung, dass es in Österreich in eine ähnliche Richtung gehen muss. Nicht nur aufgrund der Klimakrise, sondern auch aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen.

Andreas Krenn im Interview. | Foto: BRS/Siegl
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Sie meinen die EU-Vorgaben zum Erneuerbaren-Ausbau?
Ja, es gibt derzeit massive Dynamik, nicht zuletzt durch die „Renewable Energy Directive III“ (RED3-Richtlinie). Diese definiert ein großes, öffentliches Interesse am Ausbau der Erneuerbaren Energien und auch sogenannte „Acceleration Areas“, also Beschleunigungsgebiete. Die müssen von den einzelnen Staaten innerhalb der nächsten 27 Monate ausgewiesen werden.

Also das ist ein Muss?
Das ist rechtlich bindend, die Richtlinie muss in nationales Gesetz überführt werden. Konkret müssen Zonen ausgewiesen werden, die für die Windkraftnutzung bereitgestellt werden und in denen sollen dann vereinfachte Verfahren möglich sein.

Sie haben das Windkraftpotenzial für Österreich bereits erwähnt – wie sieht es in Oberösterreich aus?
Das theoretische Maximum in Oberösterreich wären 3.200 Megawatt.

Also Sie nehmen dafür auch drei Prozent der Landesfläche an?
Nein, wir berücksichtigen nur geeignete Flächen, das ist von Bundesland zu Bundesland verschieden – drei Prozent sind nur der durchschnittliche Wert. In Oberösterreich wären es 1,5 Prozent der Landesfläche. Aktuell gibt es in Oberösterreich nur 50 Megawatt-Windkraftleistung und nur 0,02 Prozent der Landesfläche wird dafür „verbraucht“. Und in ganz Österreich wir derzeit 0,2 Prozent der Staatsfläche für Windkraft verwendet. Nimmt man also die deutsche Vorgabe mit zwei Prozent der Fläche als Richtschnur, wäre das eine Verzehnfachung des Windkraftpotenzials.

Wäre ich jetzt der oö. Umweltanwalt würde ich behaupten: In Oberösterreich gibt es ja leider keine Flächen für Windräder und es geht auch überhaupt kein Wind.
Es gibt in Oberösterreich sehr wohl viele Standorte an denen die Windgeschwindigkeit passt. Sonst würden Projektentwickler kein Interesse an diesen Standorten haben. Denn die wollen damit schlussendlich auch Geld verdienen und würden so ein Projekt nicht verfolgen, wenn der Wind nicht passen würde. Und wenn wir die 1,5 Prozent der Landesfläche hernehmen, dann könnten damit 50 Prozent des derzeitigen Stromverbrauchs des Bundeslandes nur durch Windstrom abgedeckt werden. 

Es gibt eine schöne rote Karte vom oö. Umweltanwalt, mit der er defacto das ganze Bundesland zur Windkraft-Ausschlusszone erklärt.
Wir haben uns in der neuen Studie angesehen, wo Siedlungen sind, haben die Abstandsgrenzen zu Wohnobjekten und zu große Hangneigungen eingepreist und natürlich die naturschutzrechtlich relevanten Flächen ausgeschieden. Und schlussendlich kommen wir auf 1,5 Prozent der Landesfläche, auf der Windkraftprojekte möglich wären.

Sie nehmen 3.200 Megawatt an Windkraftpotenzial in OÖ an – was hieße das in Windrädern umgerechnet?
Das wären ungefähr 490 Windräder. Aber in den Gebieten wären natürlich Detailuntersuchungen notwendig – Windgeschwindigkeitsmessungen, Unmgebungschallmessungen und naturschutzfachliche Untersuchungen sind erforderlich. Also wir haben in unserer Studie nur die verordneten Naturschutzflächen ausgenommen, es sind noch keine standortspezifischen Aspekte berücksichtigt, die mögliche Projekte verhindern könnten. Es wäre aber auch die entgegengesetzte Logik denkbar, denn in anderen Bundesländern gibt es etwa die 1.000 Meter-Abstandsgrenze nicht. Und natürlich muss man sich auch den Netzausbau ansehen, um die Windräder entsprechend zu betreiben. Da sind sicher alle Beteiligten sehr gefordert.

Wieviele Windräder wären in den nächsten Jahren in OÖ realistisch?
Aus unserer Sicht sind bis 2030 insgesamt 80 zusätzliche Windräder in Oberösterreich realistisch. Dafür braucht es aber das Commitment der Politik und nicht eine Abwehrhaltung wie in den letzten Jahren.

Von der FPÖ heißt es oft, Oberösterreich müsse ohnehin den Strom importieren, weil man etwa die voest ohnehin nie mit Erneuerbaren betreiben könnte.
Es geht beim Windkraftausbau ganz wesentlich um regionale Wertschöpfung und ebenso darum, leistbare Energie zur Verfügung zu stellen. Man hat ja seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine gesehen, dass die Energiepreise explodiert sind, was wiederum auf die Gas-Abhängigkeit Österreichs zurückzuführen ist. Durch mehr Erneuerbare Energien bleiben die Preise in überschaubaren Rahmen und es gibt keine solche Ausschläge. Und natürlich ist Strom aus erneuerbaren Quellen auch sauberer Strom und bei der Produktion vor Ort ist das Thema mit dem überregionalen Netzausbau, der vielfach hinterherhinkt, nicht ganz so problematisch. Jedenfalls: Wenn Oberösterreich den erneuerbaren Strom nicht zur Verfügung stellen kann, werden viele Firmen in jene Regionen abwandern die dies tun können.

Sie sind in ganz Österreich und auch international tätig. Wie schaut’s andernorts mit der Windrad-Akzeptanz aus? Oder ist das ein sehr oberösterreichisches Thema?
Sie müssen nur ins Burgenland schauen, dort gibt es mittlerweile sehr viele Windräder und dort ist die Akzeptanz viel höher als in westlichen Bundesländern.

Foto: BRS/Siegl

Also wenn der politische Wille da ist, hilft das auch bei der Akzeptanz in der Bevölkerung?
Das geht Hand in Hand. Wenn die Bevölkerung mitbeteiligt wird bei den Projekten steigt die Akzeptanz und der Widerstand nimmt ab. Im internationalen Vergleich ist es so, dass es vielerorts keine definierten Abstandskriterien wie in Österreich gibt. Es wird dort individuell angesehen, welche Imissionen ein Projekt verursacht. Es wird also nicht pauschalisiert, sondern standortspezifisch entschieden.

Ist die Energiewende ohne Windkraft für Sie denkbar?
Nein, das ist aufgrund der Winterlücke, die es bei der Stromerzeugung gibt, und der limitierten Potenziale anderer Energieträger, undenkbar.

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