Obdachlosigkeit
Er hat dem Leben auf der Straße den Rücken gekehrt

Georg Aigner weiß, wie es sich anfühlt, ganz unten angekommen zu sein. Heute hat er dem Alkohol den Rücken gekehrt und lebt in Lehen.   | Foto: Lisa Gold
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Georg Aigner lebt in einer Wohnung in Lehen. Das war jedoch nicht immer so. Jahrelang war die Straße sein "Zuhause".

SALZBURG. Mit zehn Jahren hat er angefangen zu rauchen, zwei Jahre später folgte der Griff zur Flasche. Mit knapp 25 wachte er jeden Morgen mit zwei Promille Alkohol im Blut auf, was folgte, war der große Absturz und ein Leben auf der Straße – mit all seinen "schiachen Seiten", wie es der Salzburger Georg Aigner nennt.

"Überleben" in der Stadt Salzburg

Der heute 53-Jährige weiß, was es heißt, im Leben ganz unten angekommen zu sein. Wie schnell es gehen kann, dass man in die Obdachlosigkeit abdriftet und "das Wohnen in vier Wänden verlernt", so Aigner. Heute sieht sein Leben anders aus, ein Hehl aus seiner Vergangenheit auf der Straße und auch aus seiner Zeit im Gefängnis macht Aigner aber dennoch nicht. Als Stadtführer im Rahmen von "Apropos", der Straßenzeitung für Salzburg, nimmt er Interessierte mit auf seine ganz persönliche "Überlebens-Reise".

Bei seinen Führungen zeigt Georg Aigner auch seine eigene "Überlebens-Reise".  | Foto: Lisa Gold
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Die Touren führen vom Salzburger Hauptbahnhof zu jenen Orten, an denen obdachlose Menschen übernachten und wo sie günstig Lebensmittel einkaufen können. Teilnehmer erfahren aber auch, wie es sich anfühlt, täglich ums Überleben kämpfen zu müssen. Wärmestube, Notschlafstelle, Saftladen, Spielsuchtberatung sind nur einige Stationen dieser Tour.

Alkohol, Diebstahl, Rauferei

Sein eigenes Obdachlosen-Leben begann am Salzburger Hauptbahnhof, der jahrelang seine "Heimat" war. Auch am Hanuschplatz habe er viel Zeit verbracht und sogar nach Paris hat ihn sein "Leben auf der Straße" geführt. "Alkohol, Leute um Geld anbetteln, die ein oder andere Rauferei, Diebstahl. So sah mein Leben viele Jahre aus", schildert Aigner, der ursprünglich aus dem Pinzgau stammt. Helfen lassen wollte er sich zum damaligen Zeitpunkt nicht. "Leider, sage ich heute", fügt er hinzu.

Georg Aigner weiß, wie sich das Leben anfühlt, wenn man "ganz unten angekommen" ist.  | Foto: Lisa Gold
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Der ganz große Fall folgte 1999, als einer seiner "Sauf-Kumpane", wie er es nennt, die Idee hatte, irgendwo einzubrechen. Dabei schlugen sie einen Mann bewusstlos. "Dieser konnte aber kurz darauf die Polizei verständigen und man hat uns erwischt", schildert Aigner. Was folgte, waren sieben Jahre Gefängnis, die er in Graz absitzen musste. "Und das war der Zeitpunkt, wo ich mit dem Alkohol aufgehört habe und sich in mir etwas verändert hat. Ich wusste, ich will, wenn ich wieder rauskomme, ein anderes Leben führen. Ein anständiges, vor allem eines ohne Alkohol", erzählt Aigner.

Dem Alkohol den Rücken gekehrt

Zu diesem Wandel beigetragen habe auch seine jetzige Frau Evelyne, mit der er heuer im April seit 15 Jahren verheiratet ist und die er damals kurz vor seinem Haftantritt kennengelernt hatte. Über 2.000 Briefe haben sich die beiden während seiner Zeit im Gefängnis geschrieben. Heute leben sie gemeinsam in einer 35 Quadratmeter großen Sozialwohnung in Lehen, direkt gegenüber der Stadtbibliothek. "Dort haben wir alles, was wir brauchen", sagt Aigner.

Georg Aigner und seine Ehefrau Evelyne wohnen im Stadtteil Lehen.  | Foto: Lisa Gold
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Evelyne Aigner, die selbst eine schwierige Lebensgeschichte hat, war es auch, die ihn zu "Apropos" gebracht habe. "Sie hat dort als Straßenzeitungsverkäuferin angefangen, ich bin ihr dann 2007 gefolgt und ab da ist es mit mir bergauf gegangen. Das war mein rettender Anker", so Aigner. Einfach war es aber auch danach nicht immer. 2018 erlitt Georg Aigner einen schweren Schlaganfall. "Ich musste das Gehen und Sprechen wieder von Neuem lernen. Aber ich hab mich wieder ‚derrappelt’, wie man so sagt", erzählt der Lehener.

Das Leben wird immer teurer

Angst, dass er wieder rückfällig werden könnte, hat der 53-Jährige trotz aller Herausforderungen nicht. "Mit dem Alkohol habe ich vollkommen abgeschlossen, dieser war in meinem Fall auch der Auslöser für das Leben auf der Straße. Daher bin ich heute sehr gefestigt. Aber dass das Leben immer teurer wird, spürt man natürlich – Lebensmittel, Heizkosten, Strom. Wir bekommen Unterstützung von der Stadt, wir suchen auch jedes Jahr um den Heizkostenzuschuss an und schauen natürlich, wo es beim Einkauf die billigsten Produkte gibt. Da geht sich das alles dann irgendwie aus", sagt Aigner.

Der 53-jährige Georg Aigner lebt in Lehen. Dem Leben auf der Straße hat er den Rücken gekehrt.  | Foto: Lisa Gold
  • Der 53-jährige Georg Aigner lebt in Lehen. Dem Leben auf der Straße hat er den Rücken gekehrt.
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Er habe aber schon die Befürchtung, dass viele Menschen, die bisher nicht auf Unterstützung angewiesen waren, durch die Teuerungen bei Mieten, Energie und Lebensmitteln künftig nicht mehr über die Runden kommen werden. "Da ist die Gefahr, in die Armut abzudriften, natürlich groß", so Aigner. Bei seinen Stadtführungen wolle er vor allem jungen Menschen die Augen öffnen, wohin zuviel Alkohol führen kann. "An meinen Stadtführungen nehmen viele Schulklassen teil, ab 13 Jahren kann jeder teilnehmen. Mir ist es persönlich wichtig, vor allem die Jugendlichen zu erreichen. Viele kommen selbst aus schwierigen Verhältnissen, da muss man schon aufpassen, wohin der weitere Weg führt", betont Aigner.

Einen Kommentar zum Thema Leistbares Wohnen könnt ihr hier lesen
Zum Thema Teuerungen findet im April ein "Runder Tisch" in Salzburg statt
Mehr aktuelle Berichte aus der Stadt Salzburg könnt ihr hier lesen

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