Fremdenfeindlichkeit
„Sie hätten jede andere Person kontrollieren können"
Rassismus in Salzburg passiert jeden Tag. Vor jeder Haustür. Betroffene fühlen sich alleingelassen. Von der Politik und den Mitmenschen.
SALZBURG. "Das trifft mich einfach, wenn ich da vorbeigehe“, sagt Allanya Ike beim Gedanken an das Restaurant "Zum Mohren" in der Judengasse. Der Name stößt der 16-Jährigen sauer auf. Sie ist in der Stadt aufgewachsen, besucht das Musische Gymnasium und ist eine Person of Color (PoC - Selbstbezeichnung), ein Mensch mit farbiger Hautfarbe. Jemand, der Rassismus kennt.
„Es gibt so viele rassistische Straßennamen in der Stadt, warum gibt es die noch? Ich kann das nicht nachvollziehen. So etwas hätte schon längst weggehört."
Menschen beschimpften sie mit dem N-Wort, griffen ungefragt in ihr Haar und im öffentlichen Verkehr wurde sie in einer Gruppe von Freunden als einzige kontrolliert. „Es ärgert mich, denn sie hätten jede andere Person im Bus kontrollieren können und sind als Erstes zu mir gekommen. Aber eigentlich ist es schon zu oft passiert, um mich zu ärgern, es enttäuscht mich einfach nur.“
Die Anti-Diskriminierungsstelle in Itzling legt hierzu Zahlen von 2020 vor. "In unserer Anti-Diskriminierungsarbeit sammeln wir Daten in der Kategorie „Diskriminierung aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit“, und dieses Merkmal hat sehr oft mit Hautfarbe zu tun, bzw. mit „ausländisch“, nicht zugehörig wahrgenommen und abgewertet werden.
Von den 96 Meldungen des Jahres 2020 hatten 46 mit diesem Merkmal zu tun – das ist fast die Hälfte, das ist doch negativ auffällig.
Dabei geht es z.B. um der abwertende Blick der Nachbarin, Rassismus in der Nachbarschaft, bei der Suche nach Wohnraum oder in der Schule ist hier ebenfalls Thema. Diese Menschen berichten, dass sie das mürbe macht und eigentlich bewirkt, dass sie sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen wollen. Das ewige Gefühl nicht dazu gehören zu dürfen führt verständlicherweise zum eigenen Schutz zur eigenen Abschottung. Das finde ich sehr alarmierend.", mahnt Barbara Sieberth.
"Nur weil ich anders aussehe, habe ich es nicht verdient, schlecht behandelt zu werden", ergänzt die angehende Sängerin Ike. Zum Ärger mischt sich auch Enttäuschung, denn solche Situationen kommen regelmäßig vor. "Es passiert zu oft, einmal ist schon zu viel."
Rassistische Vorfälle liegen im Dunkeln
Das rassistische Vorfälle meistens im Verborgenen geschehen, bestätigt auf Nachfrage die Anti-Diskriminierungsstelle in Itzling. "Wir nehmen wahr, dass auf Nachfrage sehr viele Vorfälle erzählt werden, von klein wirkenden Alltagsrassismen – abwertende Blicke, negative Kommentare beim Einsteigen in den Bus, die andere Behandlung durch eine Lehrerin – bis zu handfesten Übergriffen, die aber aus Angst vor der Polizei gar nicht gemeldet werden. Es ist auch immer wieder zu beobachten, dass Menschen in privilegierten Positionen nicht verstehen, dass sie selbst gerade jemanden diskriminieren", so Sieberth.
Ausgrenzung findet täglich statt
Temiloluwa Glory Adesanya, weiß, dass Rassismus mit Vorurteilen beginnt. "Als ich mit zehn Jahren von Nigeria nach Zell am See kam, stürmten in der Schule viele Fragen der anderen Kinder auf mich ein. Ob es stimme, dass ich mit Löwen wohne und ob ich wisse, wie man eine Gabel benützt. Man weiß am Anfang nicht, wie man darauf reagieren soll, es kommt so plötzlich." Die junge Frau zog vor drei Jahren von Zell am See, wo sie wegen ihrer Hautfarbe oft angestarrt wurde, in die Stadt. Hier seien die Menschen offener und dennoch findet auch hier Rassismus statt.
"Irgendwann denkst du dir nur so, entweder ich sag jetzt was dagegen oder ich lass es weiter passieren." Was die beiden jungen Frauen eint, ist ihr Engagement bei Antira, einem offenen antirassistischen Netzwerk.
Antira Salzburg: Eine Bewegung entsteht
Als George Floyd in Amerika getötet wurde, ging ein Aufschrei durch die Bevölkerung. Vereint unter dem Motto „Black Lives Matter“ gingen Tausende auf die Straße, um gegen Rassismus ein Zeichen zu setzen. In der Stadt wurden letztes Jahr diese Proteste von der Antira organisiert, einer Vereinigung, die sich als Kollektiv versteht. "Wir sind ein Mischmasch von Leuten, die sich organisieren und sich antirassistisch mitteilen wollen", erklärt Adesanya und Ike ergänzt:
"Wenn eine Gemeinschaft gegen etwas kämpft und wirklich alle miteinander stehen, dann kann das zeigen: Wir stehen gemeinsam und so geht es nicht."
Social Media half dabei ungemein, doch die beiden jungen Salzburger sehen es auch kritisch. Ein Zeichen, das sich auch in den sozialen Netzwerken wiederfand. Millionenfach wurde das Profilbild gegen einen schwarzen Hintergrund ausgetauscht, um seine Solidarität zu bekunden. Eine Solidarität, die nur oberflächig haften blieb. „Online zeigen die Menschen ihre Solidarität, aber offline machen sie nichts. Man muss sich ständig damit beschäftigen und nicht nur an einem Tag“, so Adesanya. "Viele Leute haben das als online-Trend gesehen und nicht verstanden, um was es geht. Nur wenn du ein schwarzes Bild postet, hast du nichts dazu gelernt.“ sagt Ike.
"Black Voices"-Volksbegehren unterschreiben
„Unserer Stimme hört niemand zu. Wir müssen dafür kämpfen, dass wir anerkannt werden", sagt Adesanya, die das "Black Voices"-Volksbegehren unterstützt.
Das Black Voices Volksbegehren ist eine antirassistische Initiative in Österreich mit dem Zweck die institutionelle, repräsentative, gesundheitliche, bildungspolitische, arbeitsrelevante und sozioökonomische Stellung für Schwarze Menschen, Menschen afrikanischer Herkunft und People of Colour mit bundesverfassungsrechtlichen Maßnahmen zu verbessern und zu stärken.
Eine Unterstützungserklärung diesbezüglich kann man im Kieselgebäude, im vierten Stock leisten.
Wie Adesanya fühlt sich auch Ike von den Regierenden im Stich gelassen. Denn diese hätten die Macht, etwas zu ändern, z.B durch antirassistische Workshops in Schulen oder Jugendzentren, die aufklären und zeigen, dass es nicht okay ist, wenn Menschen rassistisch behandelt werden. Davon würde die Gesellschaft profitieren, denn: „Wenn alle involviert sind, haben wir im Denken eine bessere Mentalität."
Es helfe eben nicht, die Augen zu verschließen. Wer nicht mit Rassismus konfrontiert ist, beschäftigt sich kaum damit. Dabei wäre es ein wichtiges Thema, erklärt Ike, denn eine weiße Hautfarbe bedeutet Privilegien. "Meine Hautfarbe ist etwas heller als die von Glory und allein damit habe ich gewisse Privilegien."
"Wenn du der einzige bist, der angemotzt wird, obwohl du gar nichts gemacht hast – da fühlt man sich sehr alleine. Ich weiß, es ist nicht leicht, jemanden zu konfrontieren, aber komplett wegzuschauen find ich sehr, sehr schlimm", weiß Adesanya aus Erfahrung.
Rassismus und die Polizei
Kaum ein Thema ist so umstritten wie dieses. Die beiden jungen Salzburgerinnen geben dazu Einblick, wie sie die Polizeiarbeit letztes Jahr auf der Demonstration durch die Innenstadt wahrgenommen haben. "Als wir die Demo letztes Jahr veranstaltet haben, war die Polizei richtig unfreundlich zu uns und haben gesagt, wenn sie irgendjemanden sehen, der keine Maske trägt oder gegen die Regeln verstößt, wird sofort aufgelöst.
Bei den Corona-Demos sind so viele Menschen ohne Masken, eng aneinander und es wird kaum etwas übernommen. Und da sieht man schon, dass man anders behandelt wird.“
Bei der Anti-Diskriminierungsstelle gingen letztes Jahr sieben Beschwerden über Verhalten der Polizei in Bezug auf Racial Profiling (Racial Profiling bedeutet, dass man Menschen aufgrund ihres Aussehens kontrolliert und nicht aufgrund eines begründeten Verdachtes) und Umgang mit verletzlichen Gruppen, vor allem in den Lockdown-Phasen ein. "All diese Zahlen wirken möglicherweise niedrig für eine Stadt wie Salzburg, allerdings gibt es viele Menschen, die Diskriminierungen nicht melden, weil sie dafür entweder gar keine Ressourcen haben oder auch unsere Stelle nicht kennen, aber auch aus Angst vor der Polizei gar nicht gemeldet werden."
Worum es bei Rassismus oftmals wirklich geht
"In der Regel geht es um Macht und um die Frage, wer dazu gehört und wer nicht, und wer das bestimmt. Es ist auch immer wieder zu beobachten, dass Menschen aus privilegierten Positionen nicht verstehen, dass sie selbst gerade wen diskriminieren. Sie kennen die Handlungen anderer, der Abwertung, der Ausgrenzung nicht, das einzig und allein z.B. mit einer dunklen Hautfarbe ausgelöst wird.", sagt Sieberth. Die Tatsache, dass sich viele Menschen nicht bewusst sind, dass ihre Aussagen oder Handlungen anderen Menschen Schaden zufügen kennt auch Adesanya. "Wenn du die Leute dann ansprichst, das so etwas beleidigend ist, die verstehen das nicht, weil es schon immer so war." Oder wie ihre Mitstreiterin Ike auf den Punkt bringt:
"Wenn du nicht mit Rassismus konfrontiert bist, dann ist es nicht dein Problem und dann befasst du dich nicht damit"
Was jeder gegen Rassismus tun kann
Das Afro-Asiatisches Institut in der Altstadt bietet verschiedene Möglichkeiten an, um mit anderen Ethnien in Verbindung zu treten und seinen Horizont zu erweitern. Denn Vorurteile abbauen, zuhören, nachfragen, sich mit Rassismus bewusst auseinanderzusetzen und lernen hilft ungemein. Und etwas sagen, wenn man Zeuge eines rassistischen Vorfalls wird.
Anti-Diskriminierungsstelle hilft weiter
Die Anti-Diskriminierungstelle in Salzburg umfasst Clearing und sozialarbeiterische wie juristische Beratung von Menschen die Benachteiligungserfahrungen in der Stadt gemacht haben. "Wenn eine Person sich bei uns meldet, wird zuerst genau abgeklärt, was passiert ist und welche rechtlichenMöglichkeiten es gibt, aber auch welche anderen Wege zu einem Ausgleich oder mehr Gerechtigkeit führen können. Wir unterstützen Anzeigen bei der Polizei genauso wie ein Vermittlungsgespräch oder Interventionsschreiben, wo wir die andere Seite zur Stellungnahme auffordern.", sagt Sieberth, die mit ihrem Team Montag nachmittags und Donnerstag vormittags unter der Telefonnummer 0676 8746 6979 erreichbar ist. Außerhalb der Zeiten kann man auch eine E-Mail schreiben an: office@antidiskriminierung-salzburg.at
Mehr über das "Black Voices"-Volksbegehren erfährst du >>HIER<<
>>HIER<< erfährst Du wissenswertes über „Mohren“- Ein Stereotyp in der Alltagskultur
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