Salzburg Europe Summit
"Stadtflucht ist in Österreich eine Luxusfrage"

Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland) und Matthias Günther, Diplom-Ökonom, Institutsvorstand des Eduard- Pestel-Instituts in Hannover (Deutschland) | Foto: Julia Hettegger
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  • Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland) und Matthias Günther, Diplom-Ökonom, Institutsvorstand des Eduard- Pestel-Instituts in Hannover (Deutschland)
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In Salzburg läuft aktuell der 17. Europe Summit. Teilnehmer aus 25 Ländern diskutieren über das Comeback Europas nach der Krise.

SALZBURG. Diskutanten aus Politik und Wirtschaft diskutierten beim ersten Dialog am Dienstag das Thema "Corona: Von der Landflucht zur Stadtflucht". 

>>HIER<< kommst du zum Livestream zu dieser Veranstaltung.

"Die Menschen wollen raus"

"Viele Jahre lang dominierten die Landflucht und die damit verbundenen Probleme in den Metropolen und Städten die öffentliche Diskussion. Seit der Corona-Krise verstärkt sich eine Trendumkehr, die schon vor der Pandemie zu bemerken war: Immer mehr Menschen wollen aus der Stadt in die ländlichen Regionen", sagt Josef Schöchl, Vorsitzender des Europa-Ausschusses des Salzburger Landtages und Mitglied des IRE-Vorstands, bei der Eröffnung der Diskussion. 

Josef Schöchl, Vorsitzender des Europa-Ausschusses des Salzburger Landtages und Mitglied des IRE-Vorstands | Foto: Julia Hettegger
  • Josef Schöchl, Vorsitzender des Europa-Ausschusses des Salzburger Landtages und Mitglied des IRE-Vorstands
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Platz ist Herausforderung

"In der Pandemie war in den Städten draußen nichts mehr los und drinnen, in den teuren Wohnungen, wurde es eng", so Schöchl. Er weist auf daraus resultierende Herausforderungen hin:

  • Die Immobiliensuche veränderte sich massiv. 
  • Das Interesse an Wohnungen, Häusern und Grundstücken außerhalb der Städte stieg sprunghaft an. 
  • Der Trend zeigte den Aufholbedarf in den ländlichen Regionen: Schnelles Internet, gute digitale Infrastruktur, rasche öffentliche Verkehrsverbindungen, ausreichend Kinderbetreuung, kulturelles Angebot, medizinische Versorgung, raumordnerische Maßnahmen, um den grassierenden Bodenverbrauch in den Griff zu bekommen.

Am Podium diskutierten:

  • Alexander Biach, Stv. Direktor Wirtschaftskammer Wien, Standortanwalt der Stadt Wien (Österreich)
  • Matthias Günther, Diplom-Ökonom, Institutsvorstand des Eduard- Pestel-Instituts in Hannover (Deutschland)
  • Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland)
  • Małgorzata Maria Mańka-Szulik, Bürgermeisterin der Stadt Zabrze (Polen)
  • Dragana Tomić Pilipović, Gründerin des Rural Hubs in Vrmdža (Serbien)
  • Mario Winkler, Leitung Kommunikation, Hagelversicherung (Österreich)
(v.li.): Alexander Biach, Stv. Direktor Wirtschaftskammer Wien, Standortanwalt der Stadt Wien (Österreich), Matthias Günther, Diplom-Ökonom, Institutsvorstand des Eduard- Pestel-Instituts in Hannover (Deutschland) und Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland) | Foto: Julia Hettegger
  • (v.li.): Alexander Biach, Stv. Direktor Wirtschaftskammer Wien, Standortanwalt der Stadt Wien (Österreich), Matthias Günther, Diplom-Ökonom, Institutsvorstand des Eduard- Pestel-Instituts in Hannover (Deutschland) und Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland)
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Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland)
(v.li.): Małgorzata Maria Mańka-Szulik, Bürgermeisterin der Stadt Zabrze (Polen), Dragana Tomić Pilipović, Gründerin des Rural Hubs in Vrmdža (Serbien) und Mario Winkler, Leitung Kommunikation, Hagelversicherung (Österreich) | Foto: Julia Hettegger
  • Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland)
    (v.li.): Małgorzata Maria Mańka-Szulik, Bürgermeisterin der Stadt Zabrze (Polen), Dragana Tomić Pilipović, Gründerin des Rural Hubs in Vrmdža (Serbien) und Mario Winkler, Leitung Kommunikation, Hagelversicherung (Österreich)
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Altbestand adaptieren, statt neu bauen

Statement Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland): "Für mein Buch habe ich Experten gefragt, wie sich die Pandemie auf Architektur, Stadtentwicklung usw. auswirkt. Das Resultat war: Bestehende Entwicklungen werde durch die Corona-Krise verstärkt. Die Stadt war vorher schon zu teuer und das Umfeld rückte mehr in den Fokus. In Berlin beispielsweise haben wir 80 Prozent Mieter. Während der Pandemie stieg die Sehnsucht nach einem Einfamilienhaus. Die  Nachfrage wuchs um 71 Prozent im Berliner Speckgürtel. Das ist ein Problem was die Nachhaltigkeit und die Zersiedelung angeht. Alternativen zum Einfamilienhaus werden in Deutschland stark Diskussion."

"Alternativen sehen wir bereits: Größere Gruppe zieht gemeinsam in ein 200 Seelendorf in einen ausgebauten Vierkanthof. Ziel muss es sein, in den Bestand zu gehen und nicht neu zu bauen. Wir denken an alte Klöster, die umgebaut werden könnten. Diese Projekte werden fast ausschließlich von Stiftungen unterstützt. Die Politik soll das ebenfalls mehr Unterstützen und die Kommunen sollten die Möglichkeiten zu solchen Wohnformen bei ihnen bewerben", sagt Kleilein.

Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland) und Matthias Günther, Diplom-Ökonom, Institutsvorstand des Eduard- Pestel-Instituts in Hannover (Deutschland) | Foto: Julia Hettegger
  • Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland) und Matthias Günther, Diplom-Ökonom, Institutsvorstand des Eduard- Pestel-Instituts in Hannover (Deutschland)
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"Alles wächst – Zentrum und Speckgürtel"

Statement: Matthias Günther, Diplom-Ökonom, Institutsvorstand des Eduard- Pestel-Instituts in Hannover (Deutschland): "Wir wollten wisse, was Corona am Wohnungsmarkt verursacht hat. Wir haben uns dafür Köln angeschaut seit den 70er Jahren und haben gesehen: Der erster Ring hat jährlich 3.000 Personen aus Köln-Zentrum gewonnen, der zweite Ring 1.200 Personen. Diesen Trend gibt es also schon lange. Seit 2016 hat sich diese Abwanderung verstärkt, wegen der Preise im Zentrum. Gleichzeitig hat die Akademisierung aber dazu geführt, dass auch das Zentrum gut besiedelt war und es in den Städten eng wurde."

"Klimaschutzgesetz hat mehr Einfluss auf  Wohnungsmärkte als Corona"

"Die Aktuell hohe Nachfrage hat in Deutschland mit dem guten Zinsniveau zu tun. Corona hat das noch verstärkt. Man versucht jetzt Büroräume in Wohnraum umzuwidmen. Wir sehen aber, dass es langfristig eher zum Abriss von Bürogebäuden kommen wird und zum Neubau von Wohnraum", so Günther.

"Die Auswirkungen von Corona werden eine Episode gewesen sein. Was vor uns liegt, ist die Umsetzung des Klimaschutzgesetzes, was mehr Einfluss auf Wohnungsmärkte haben wird, als Corona."
Matthias Günther, Diplom-Ökonom

Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland) und Matthias Günther, Diplom-Ökonom, Institutsvorstand des Eduard- Pestel-Instituts in Hannover (Deutschland) | Foto: Julia Hettegger
  • Doris Kleilein, Architektin, Autorin „Die Stadt nach Corona“ (Deutschland) und Matthias Günther, Diplom-Ökonom, Institutsvorstand des Eduard- Pestel-Instituts in Hannover (Deutschland)
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"Tausche Skills gegen einen Acker"

Statement Dragana Tomić Pilipović, Gründerin des Rural Hubs in Vrmdža (Serbien): Tomić Pilipović hat einen Hub (Verteilzentrum) gegründet, um die Menschen aus der Stadt in die Regionen zu bringen. Erstellt wurde ein Netzwerk von unterschiedlichen Angeboten im Ort – Lebensmittel, Skills usw. 60 Familien hätten sich aus diesem Grund dazu entschieden, in diese Region Serbiens  zu zu ziehen, sagt Tomić Pilipović. "Die Menschen müssen nicht mehr Bauern werden, um dort leben zu können. Sie nutzen die Ressourcen der Gegend und geben dafür ihre Skills weiter. Sie lernen also beispielsweise den Bauern die Computernutzung, von denen sie Lebensmittel erhalten", erklärt die Politikerin. 

"In der Corona-Zeit ist es egal geworden, wo man lebt, denn die meisten Dinge des Lebens hat man ohnehin bestellt – egal ob in der Stadt oder am Land."
Dragana Tomić Pilipović 

re. Sprecher: Mario Winkler, Leitung Kommunikation, Hagelversicherung (Österreich) | Foto: Julia Hettegger
  • re. Sprecher: Mario Winkler, Leitung Kommunikation, Hagelversicherung (Österreich)
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"Stadtflucht ist Luxusfrage" 

Statement Alexander Biach, stellvertretender Direktor der Wirtschaftskammer Wien, Standortanwalt der Stadt Wien: "Der Trend Richtung Städte zu ziehen, ist in Österreich ungebrochen. 2050 wird 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. In Wien ziehen seit 2018 viele Menschen in die Umland-Bundesländer. Gleichzeitig ziehen aber auch viele aus dem Ausland nach Wien, sodass der Zuzug in die Stadt insgesamt höher ist, als die Abwanderung."

Der Immobilienmarkt zeige, dass sich die Anzahl der Baubewilligungen für neue Wohnungen in Niederösterreich im ersten Quartal 2021 auf einem absolutem All Time High befunden hätte; dasselbe gelte für das Burgenland. Das habe sich überall stark im Immobilienpreis niedergeschlagen, sagt Biach. "Eine Stadtflucht ist trotzdem nicht gegeben, weil überall – auch in den Regionen – die Preise gestiegen sind."

"Eine 'Stadtflucht' ist damit nicht aus ökonomischer Sicht gegeben, sondern eine Luxusfrage. Beim Kauf von Wohnungen am Land handelt es sich häufig um Wochenend- und Urlaubswohnsitze." 
Alexander Biach, stellvertretender Direktor der Wirtschaftskammer Wien

li. Sprecher: Alexander Biach, Stv. Direktor Wirtschaftskammer Wien, Standortanwalt der Stadt Wien (Österreich) | Foto: Julia Hettegger
  • li. Sprecher: Alexander Biach, Stv. Direktor Wirtschaftskammer Wien, Standortanwalt der Stadt Wien (Österreich)
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"Leerstände lassen häufig keine klassische Wohnform zu" 

Architektin Doris Kleilein sieht das Hauptthema ihrer Berufskollegen aktuell im Umbauen von Altbestandes. "Die Politik sollte Anreize schaffen, um Menschen dazu zu bewegen, in anderen Wohnform zu leben. Denn Leerstände lassen häufig keine klassische Wohnform zu", so Kleilein. Sie spricht hier vor allem von ehemaligen Bürogebäuden in Deutschland. 

"Leerstand oft schwierig umzubauen"

Ihr stimmt Matthias Günther zu: "Du bekommst natürlich den leerstehenden Reiterhof um 1,5 Millionen Euro. Bezahlbare Objekte sind oft alt und bestehen aus aus unterschiedlichsten Baustoffen und Bauphasen, wo man nicht weiß, wie man die gestalten könnte, um dort wohnen zu können. Mit den Klima-Auflagen, die jetzt bevorstehen, ist es in vielen Fällen billiger, abzureißen und neu zu bauen. Was natürlich ökologisch auch nicht sinnvoll ist." 

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