Arbeitsmarkt
Krise zeigt Frauen noch deutlicher als Verlierer
Die Pandemie verschärft die traditionelle Schlechterstellung der Frauen am Arbeitsmarkt zusätzlich.
SALZBURG. Der aktuelle Arbeitsmarktbericht (Jänner 2021) zeigt, dass im Bundesland Salzburg derzeit 26.144 Personen arbeitslos sind. Auch wenn momentan immer noch mehr Männer (15.353) als Frauen (10.791) vorgemerkt sind, ist der Anstieg der Frauenarbeitslosigkeit bemerkenswert. Dieser fällt mit einem Plus von 134,7 Prozent zweieinhalbmal so stark aus wie bei den Männern (+54,2 Prozent).
Im Pinzgau steigt Frauenarbeitslosigkeit um 516,6 Prozent
„Genauso wie vor knapp einem Jahr sind vom auslaufenden Lockdown wieder verstärkt Frauen betroffen“, sagt die Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Salzburg (AMS) Jacqueline Beyer. Grund sei, dass die vom Lockdown besonders betroffenen Branchen – Tourismus und Handel – viele Frauen beschäftigen. "Allein im Bezirk Pinzgau ist die Frauenarbeitslosigkeit um 516,6 Prozent angestiegen“, sagt ÖGB-Landesgeschäftsführerin Gabi Proschofski (Österreichischer Gewerkschaftsbund). „Viele dieser Frauen waren davor geringfügig beschäftigt. Sie fallen jetzt durch alle Sicherungsnetze“, kritisiert Proschofski.
"Im Jänner ist die Arbeitslosigkeit bei unter 25-Jährigen Frauen um 126 Prozent gestiegen, bei Männern nur um 49 Prozent."
Jacqueline Beyer, Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Salzburg
Pandemie ist nicht alleine Schuld
Dass die Situation der Frauen am Arbeitsmarkt durch die aktuelle Pandemie Aufmerksamkeit bekommt, ist gut. Die Schlechterstellung der Frauen am Arbeitsmarkt ist aber keinesfalls ein Pandemie-Thema, weiß Beyer: "Selbst in der Zeit der Hochkonjunktur mussten wir beobachten, dass Frauen lange Zeit nicht vom positiven Wirtschaftstrend profitieren." Frauen und Mädchen sind nach wie vor am Arbeitsmarkt geschlechtsspezifischen Benachteiligungen ausgesetzt: So verdienen Frauen bei vergleichbaren Tätigkeiten oft deutlich weniger als Männer. Frauen sind es auch, die mehrheitlich die unbezahlte Familienarbeit leisten und deshalb oft nur in Teilzeit arbeiten können. All das wirke sich nachteilig auf das weibliche Einkommen aus.
Frauen verdienen um 475 Euro weniger als Männer
Das bestätigt auch die AMS-Chefin: "Egal, ob Hochkonjunktur oder Krise, der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen ist nach wie vor enorm. Teilzeit- und saisonbereinigt verdienen Frauen um 475 Euro weniger als Männer. Die Folgen zeigen sich nicht nur darin, dass Frauen in ihrem alltäglichen Leben oft mit weniger Geld auskommen müssen, sondern Frauen sind auch in Zeiten von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder später einmal in der Pension finanziell nicht ausreichend abgesichert."
Krise zeigt generellen Trend noch deutlicher
Bei der ÖGB spricht man davon, dass "Frauen ihre Arbeitszeit reduzieren oder Urlaub aufbrauchen müssen, um Homeschooling und Kinderbetreuung im Lockdown zu organisieren". Dieses Thema sei zwar aufgrund der, dem AMS zugänglichen Datenlage, nicht endgültig zu beantworten, aber "aus Beratungen wissen wir, dass auf jeden Fall die individuelle Belastung durch Homeschooling sehr hoch ist", bestätigt Beyer. Die Krise zeige den Trend "Frau als Verlierer am Arbeitsmarkt" also noch einmal deutlicher auf.
Frauen daheim sind "gefährlich"
Die durch die Pandemie entstandene, rückwärts gewandte Rollenverteilung, die Frauen zurück in den Haushalt dränge, sei laut ÖGB und AMS "gefährlich". "Langfristig gesehen, hat das dramatische Folgen für das Erwerbseinkommen und somit auch die Pensionshöhe von Frauen", sagt ÖGB-Landesfrauensekretärin, Ursula Schupfer.
"Arbeiten Sie so lange und so viele Stunden wie möglich"
Das AMS rät Frauen daher immer zu einer fundierten Berufsausbildung, und auch, etwa nach familienbedingten Abwesenheiten, möglichst schnell wieder den Weg zurück in das Erwerbsleben zu suchen. "Wenn das vorerst nur in Teilzeit möglich sein sollte, dann soll wenigstens auf ein möglichst hohes Stundenausmaß geachtet werden", sagt Beyer.
Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate
Weil im Tourismus und im Handel vor allem auch viele Frauen ihre Jobs verloren haben, fordert die ÖGB-Landesfrauensekretärin: "Die Bundesregierung muss wirksame arbeitsmarktpolitische Maßnahmen mit Fokus auf die Frauen setzen." Die, zumindest temporäre, Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate sowie der erleichterte Zugang zu Sozialleistungen und Unterstützungsgeldern würde auch vielen Frauen helfen und ihre täglichen Existenzsorgen zumindest ein bisschen lindern, ist man sich bei der ÖGB sicher.
Was aktuell getan wird:
Aktuelle gäbe die Corona Joboffensive die Möglichkeit, eine abgeschlossene Ausbildung zu erlangen. Dass hier der Fokus auf der Pflege- und Tourismus-Ausbildung gelegt wurde, Branchen, in denen ohnehin schon viele Frauen beschäftigt sind, ist für Beyer kein Nachteil: "Frauen haben im Dienstleistungsbereich eine hohe Kompetenz und Affinität und wählen oft diesen Weg. Dazu kommt, dass der Tourismus in einem großen Teil des Bundeslandes einen erheblichen Teil der Arbeitsplätze zur Verfügung stellt und Kompetenzen in diesem Bereich die Beschäftigungschancen wesentlich erhöhen. Das gilt auch für Pflegeberufe."
Teilzeitlehre neben der Betreuungspflicht
Neben diesen Aus- und Weiterbildungsangebot, die allen offen steht, gibt es aber auch Angebote, die das AMS ausschließlich an Frauen richtet: "Frauen in Handwerk und Technik" (FiT); die Teilzeitlehre, die jungen Frauen mit Betreuungspflichten eine Berufsausbildung erleichtern soll; die Frauenberufszentren, mit besonderer Unterstützung für Wiedereinsteigerinnen.
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