Armenische Familie – Abschiebung trotz Vorzeige-Integration – Protest in Bad Ischl

Noray, Narine, Milena und Lernik Hagoyan – Großvater Jannik Hagoyan erholt sich gerade von einer Bypass-Operation | Foto: Tröstl/BRS
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  • Noray, Narine, Milena und Lernik Hagoyan – Großvater Jannik Hagoyan erholt sich gerade von einer Bypass-Operation
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BAD ISCHL. Seit November 2012 sind die Hagoyans auf der Flucht. Die fünfköpfige armenische Familie – Großvater, Vater, Mutter und zwei Kinder – musste das Land an der Ostgrenze der Türkei überhastet verlassen. Grund dafür: Familienvater Lernik Hagoyan wurde Augenzeuge eines Wahlbetrugs und eines Auftragsmordes mit politischem Hintergrund. Bevor er allerdings als Zeuge im Gerichtsverfahren gegen die Mörder aussagen konnte, wurden er und seine Familie massiv bedroht. Der Familie blieb dann keine andere Wahl – da sie um ihr Leben fürchteten – als das Land zu verlassen.

Mithilfe einer Schlepperbande schafften die Hagoyans den Weg nach Österreich. Zunächst nach Traiskirchen und vor wenigen Monaten – als bekannt wurde, dass OÖ zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen wird, um das Erstaufnahmezentrum in NÖ zu entlasten – schließlich nach Bad Ischl.

In der Kaiserstadt wurde Familie Hagoyan – gemeinsam mit fünf weiteren Familien – sofort integriert. "Für eine 14.000 Einwohner-Stadt sind ein paar Flüchtlings-Familien auf jeden Fall verkraftbar", sagte Bürgermeister Hannes Heide damals zur BezirksRundschau.
Nachsatz: "Es ist nicht das erste Mal, dass das Salzkammergut Flüchtlinge aufnimmt. Ich erinnere nur an das Ende des Ostblocks und den Krieg in Ex-Jugoslawien. Viele, die aufgrund von Kriegswirren zu uns gekommen sind, sind heute ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft", so Heide.
Darüber hinaus kündigte der Bürgermeister an, man wolle die Flüchtlinge für Arbeiten im Rahmen des städtischen Bauhofs – die ihnen nach §7 Bundesbetreuungsgesetz erlaubt sind – heranziehen.

Familie ist sehr gut integriert
Genau so geschah es dann auch: Mutter Jannik und Vater Lernik Hagoyan arbeiten in der Gemeinde als Reinigungskraft und Gärtnereigehilfe und die zwei Kinder – Milena und Noray – besuchen die Hauptschule in Bad Ischl.
"Sie bringen teilweise sogar bessere Leistungen als andere Mitschülerinnen und Mitschüler. Milena und Noray sind in ihrem Klassenverband bestens integriert", halten Pädagogin Maria Houdek, Stadtpfarrer Christian Öhler, Stadträtin Ines Schiller und Bürgermeister Hannes Heide in einem Schreiben fest. Außerdem spielen die Kinder Fußball und sind in einer Hip-Hop-Tanzgruppe aktiv.

Keine Gründe für Asyl
Trotz allem verweigerte das Bundesasylamt am 23. April der Familie Hagoyan den weiteren Aufenthalt in Österreich. Sie werden nun aufgefordert, binnen sieben Tagen das Land zu verlassen. Von Seiten der Behörden wird argumentiert, es seinen "keine Asylgründe" sowie keine "Beweismittel" vorgelegt worden und es können nicht festgestellt werden, dass Familie Hagoyan in Armenien "aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppen oder der politischen Gesinnung" verfolgt würde.

Protest gegen Abschiebung – Pfarrkaffee wird Solidaritätskaffee
n der Kaiserstadt will man das Urteil des Amts jedenfalls nicht hinnehmen. Erste Protestmaßnahmen, die Bürgermeister Heide und Pfarrer Öhler angekündigt haben, laufen bereits. So wurde das sonntägliche Pfarrkaffee zum Solidaritätskaffee umfunktioniert, beim Gottesdienst das Schicksal der Familie Hagoyan thematisiert und bereits 600 Unterschriften gegen die Abschiebung gesammelt.
Im Gespräch mit der BezirksRundschau bekrittelt Pfarrer Öhler den Umgang mit Familie Hagoyan und die Asylgesetzgebung: „Der Umgang mit Flüchtlingen in Österreich ist schon sehr fragwürdig. Es werden da alle über einen Kamm geschoren und die verschärften Gesetze fahren über Einzelfälle einfach drüber“.
Nachsatz: „Gerade diese Familie ist sehr gut integriert und oft bei uns in der Kirche. Wir sehen diese Entscheidung nicht ein – die Familie ist in Armenien konkret gefährdet“, sagt Öhler. Auch weitergehende Protestmaßnahmen schloss er nicht aus. Anfang dieser Woche schaltet sich dann auch die Volkshilfe in den Fall ein. Jetzt ein Anwalt den Bescheid des Bundesasylamts beeinspruchen. Vorerst dürfen die Hagoyans also bleiben – wie lange, weiß allerdings niemand.

Update 30. April: Kurz vor Redaktionsschluss wurde bekannt, dass das Asylverfahren in die zweite Instanz geht und die Abschiebung vorerst nicht vollzogen wird. Heute, Donnerstag, treffen die Hagoyans erstmals ihren neuen Anwalt in Linz.

Zur Sache: Politischer Hintergrund – Armenien
2008 fanden in Armenien Präsidentschaftswahlen statt. Diese bestätigten Amtsinhaber Sersch Sargsjan mit 49,9 % im Amt. Oppositionskandidat Lewon Ter-Petrossjan kam offiziell nur 21 Prozent der Stimmen. Schnell wurden allerdings Vorwürfe von Wahlbetrug und Wahlfälschung laut. Bei den anschließenden Protesten gegen das Ergebnis starben acht Menschen, es gab dutzende Verletzte und in der Hauptstadt Jerewan hinterließen die gewaltsamen Auseinandersetzungen eine Spur der Verwüstung.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte für die Präsidentenwahl in Armenien damals sehr kritische Töne übrig:
So wurden – trotz einigen Fortschritten – "fehlende demokratische Standards" kritisiert und bemängelt, dass keineswegs "alle internationalen Verpflichtungen des Landes erfüllt worden" seien. Am Wahltag seien "Mängel" registriert worden – speziell bei der Auszählung der Stimmen.
"Die Wahl spiegelt nicht alle Prinzipien einer aussagekräftigen, pluralistischen und demokratischen Wahl wider", sagte der Leiter der OSZE-Wahlbeobachtermission, der frühere slowenische Außenminister Boris Frlec, damals.

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