Vorzeige-Lehrlinge auch im Salzkammergut vor Abschiebung

Beim Hotel Dachsteinkönig in Gosau erhielten zwei Asylwerber, die sich in einer Lehre befinden, einen Negativbescheid. | Foto: Dachsteinkönig
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SALZKAMMERGUT. Nach und nach werden in ganz Österreich Fälle von Asylwerben bekannt, die trotz Integrationsbereitschaft und eines hervorragenden Lehr-Verhältnisses einen Negativbescheid erhalten haben. Nun gibt es auch im Salzkammergut die ersten tragischen Beispiele: Das Hotel Dachsteinkönig beschäftigt seit heuer zwei Lehrlinge aus dem Iran und aus Afghanistan. Beide haben nun einen Negativbescheid bekommen. Sie lernen Deutsch, arbeiten, nehmen an diversen gesellschaftlichen Veranstaltungen teil, seit ein paar Tagen sind sie durch eine eigene, gemeinsame Wohnung sogar aus der Grundversorgung ausgestiegen – und kosten dem Staat kein Geld mehr. Maisam R. und Farzad S
"Meisam R. hat im Juli seine Lehre in der Küche  begonnen und Farzad S. arbeitet seit  September im Service", erklärt der Stellvertretende Hoteldirektor Mario Pabst. "Beide haben sich vollkommen integriert. Vor allem Maisam, welcher auch im örtlichen Fußballverein spielt. Beide nehmen an sämtlichen Ausflügen teil und teilen sich eine Wohnung."
Die Betroffenen standen aufgrund von Urlaub und Berufsschule nicht für eine persönliche Rückmeldung zur Verfügung, ließen jedoch mitteilen, wie tief betroffen sie der Negativbescheid gemacht hat.

"Es geht hier nicht um den Dachsteinkönig sondern um gesunden Menschenverstand und Menschlichkeit"

Mario Pabst, Stellvertretender Hoteldirektor Dachsteinkönig

Doch auch bei Pabst und dem restlichen Team sitzt der Schock tief: "Es geht ihr nicht um den Dachsteinkönig sondern um gesunden Menschenverstand und Menschlichkeit", so der stellvertretende Hoteldirektor. "Junge Menschen, welche absolut arbeits- und lernwillig, dürfen einfach nicht abgeschoben werden. Es ist einfach nicht fair, dass die beiden nach einer so tollen Integration weg sollten."

Beyer: "Win-Win-Situation wird nicht erkannt"

Bereits 2015 hatte das AMS Gmunden sehr engen Kontakt mit allen Flüchtlingsheimen. Die Personalsituation in der Gastronomie ist seit Jahren sehr angespannt. "Es gibt sehr viele Bemühungen seitens AMS die Brücke zwischen Arbeitskräften und Gastronomie zu sein", erklärt Jacqueline Beyer, AMS Gmunden. "Junge Asylwerber hatten und haben großes Interesse an einer Ausbildung in der Gastronomie. Das Salzkammergut erkannte das Potential und so ist es gelungen 32 Asylwerber in Lehrverhältnisse zu bringen."  Neben besagten 32 Asylwerbern befinden sich auch fünf Asylberechtigte in einer Lehre. "Die einzige Möglichkeit der Beschäftigung für Asylwerber besteht für unter 25-Jährige in Form eines Lehrverhältnisses und im Rahmen des Saisonkontingents. Im heurigen Jahr beinhaltete das Kontingent 16 Plätze für über 40 Anträge", so Beyer. Auch seitens des AMS Gmunden versteht man die Negativbescheide nicht: "Motiviert durch die positven Rückmeldungen der ersten Betriebe, setzten wir die Bemühungen fort, eine Win-Win-Situation herzustellen", führt Beyer weiter aus. Zum einen junge Menschen, die diese Ausbildung machen wollen, und zum anderen eine Branche, die seit Jahren händeringend nach Lehrlingen sucht. "Das AMS hat keinen Einfluss auf ein Asylverfahren, als Arbeitsmarktexpertin ist es unverständlich, dass diese  Win-Win-Situation für die heimischen Betriebe und für die Asylwerber nicht als solches wahrgenommen wird." Beyer zufolge wurden mittlerweile auch bei Asylwerbern, die sich in Bad Ischl in einer Lehre befinden, die Asylanträge abgelehnt. "Es ist nicht absehbar, wie sich das weiterentwickeln wird."
Auch Marlene Ebenberger, Volkshilfe-Regioanlleiterin des Bezirkes Gmunden, ist sehr enttäuscht: "Zudem betrifft das ja nicht nur Lehrlinge, sondern auch andere Asylwerber mit ihren Familien." Natürlich könne man gegen den Negativbescheid noch Einspruch erheben, die Chancen hängen vom individuellen Fall ab, seien aber gering.

Appell an Bundesregierung

Integrations-Landesrat Rudi Anschober (Grüne) appelliert an die Bundesregierung, eine Lösung zu schaffen. Diese soll sicherstelles, dass es zu keinen Abschiebungen während der Ausbildung kommt: „In Deutschland wird niemand abgeschoben, der sich in einer Ausbildung befindet. Es kann doch nicht sein, dass zuerst die Lehrstellen in Mangelberufen wegen der Integrationsziele und des Lehrlings- und Facharbeitermangels für Asylwerbende geöffnet werden, dann die Unternehmer hervorragend reagieren, mittlerweile alleine in Oberösterreich 290 Lehrlinge eine Ausbildung erhalten – und dann noch während der Lehre die Abschiebung droht", sagt Anschober.
Um auf die Problematik aufmerksam zu machen gibt es seit gut drei Wochen eine Petition. Nach 16 Tagen (von insgesamt 41 Tagen) haben bereits 12.800 Unterstützer bei "Ausbildung statt Abschiebung – Petition gegen Abschiebungen unserer künftigen Fachkräfte“ unterschrieben. Infos zur Petition gibt es im "Zur Sache"-Kasten.

Beim Hotel Dachsteinkönig in Gosau erhielten zwei Asylwerber, die sich in einer Lehre befinden, einen Negativbescheid. | Foto: Dachsteinkönig
Mario Pabst, Stellvertretender Hoteldirektor des Dachsteinkönigs, sieht die beiden Asylwerber als bestens integriert an. | Foto: Dachsteinkönig
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