Alte Volksmedizin
So schützten Schärdinger sich früher vor Krankheiten
"Geheimnisvolle Welt der Volksmedizin" heißt eine Sonderausstellung im Stadtmuseum Schärding. Zu sehen sich Wehenfläschchen, Blutringe, Trudenmesser und mehr.
SCHÄRDING. Kurator Oswin Marehart erklärt bei einem exklusiven Rundgang durch die Ausstellung, wie sich die Schärdinger früher vor Krankheiten und Seuchen zu schützen versucht haben und welche Heilmittel sie anwendeten. "Aberglaube spielte da eine große Rolle", weiß der 85-Jährige, aus dessen Besitz zwei Drittel der Ausstellungsexponate kommen. So waren etwa Methoden zur Übertragung einer Krankheit vom Menschen in einen leblosen Gegenstand, wie einen Baum, beliebt. "Dazu bohrte man ein Loch in das Holz, stopfte Haare oder Nägel des Kranken hinein und verschloss das Ganze mit einem Keil", beschreibt Marehart. Für eine erfolgreiche Heilung hatte dies alles aber nur an einem ersten Freitag im Monat und vor Sonnenaufgang zu geschehen.
Wetterkerzen und Rosenkrank gegen Blitzeinschläge
Vor Blitzeinschlägen und Unwettern bewahrte, so der Volksmund, das Anzünden einer Wetterkerze, das Läuten des Wetterglöckchens und das Anbringen eines Wettersegens. "In vielen alten Höfen fand man unter dem Dach Zinnteller, auf der die schützende Satorformel eingeritzt war", berichtet der Ausstellungs-Kurator und fügt hinzu: "Dazu wurde während des Gewitters ständig der Rosenkranz gebetet."
Generell galten Gebete früher als schutzbringend. Deshalb gehörten Kreuze, aber auch Reliquien, also die Überreste von den Leibern der Heiligen und Märtyrer, zu beliebten Talismanen im Kampf oder als Vorbeugung gegen Krankheiten.
Ketten und Steine gegen die Frais'
Besonders fürchteten die Schärdinger sich früher etwa vor der berüchtigten "Fraisen". Damit wurden krampfartige Anfälle bezeichnet, der insbesondere Säuglinge und Kleinkinder zum Opfer fielen, an der aber auch so mancher Erwachsene starb. "Bei Fraisgefahr schabten die Menschen etwas Substanz vom geweihten 'Sonntagberger Fraisenstein' und aßen das Ganze mit Eigelb vermengt", so Marehart. Kindern hängten ihre Eltern das "Fraisenboandl" in ein Leinensäckchen genäht um den Hals, fertigten "Boandlrosenkränze" und lasen den "Fraisbrief" mit den wichtigsten Segensformeln, der dem Kranken dann noch auf die Brust gelegt wurde.
Als effektivstes und mächtigstes Mittel erachteten die Schärdinger aber die Fraisenkette, einem roten Seidenband, an dem zahlreiche magische und geweihte Anhänger baumelten. Unter anderem etwa das Breverl, einem rechteckigen Leder- oder Samttäschchen, in dessen Inneren sich der Haus- und Krankensegen befand. Oder ein Wolfszahn gegen Zahnschmerzen, eine Gichtkugel aus Achat gegen stechende Gliederschmerzen und ein rotes Korallenherz als Schutz gegen den bösen Blick, um nur einige wenige zu nennen.
Auch spezielle Uhren sollten gegen die Frais' helfen: "Sie wurden während eines Anfalls aufgezogen. Erklang dann das Läutwerk, sollte das den Ansturm der Krankheit bannen", erzählt Marehart.
Wehenfläschchen und Trudenmesser
Aber auch bei Geburten kamen etwa "Wehenkreuze" aus Malachit sowie "Wehenfläschchen" zum Einsatz. Sie sollten für eine leichtere Niederkunft sorgen. Die Frauen hielten sie während der Geburt in der Hand. Einer Brauchtumsregel zufolge sollte es ein Mädchen werden, wenn die Schwangere das Fläschchen in der rechten Hand, ein Junge, wenn sie es in der linken Hand hielt. Bei starkem Blutverlust steckte man den Gebährenden den "Blutring" – aus Karneol gefertigt – an den Ringfinger der linken Hand.
War das Kind dann geboren, gab es auch zu seinem Schutz einige heilbringende Mittel. Über der Wiege baumelte in vielen Häusern das "Trudenmesser". Es sollte verhindern, dass herumgeisternde Truden den Schlaf des Säuglings stören oder anderen Unheil anrichten. Erkrankten Kindern setzten die verzweifelten Eltern die "Fraisenhaube" auf und legten ein kleinen Fraisenhemd unter ihr Kopfkissen.
Ausstellungsdauer bis Ende Oktober 2023
Die Ausstellung "Geheimnisvolle Welt der Volksmedizin" im Stadtmuseum Schärding ist bis 31. Oktober 2023 zu sehen. Das Stadtmuseum hat Mittwoch, Donnerstag, Samstag und Sonntag, jeweils von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
Mehr Infos zum Stadtmuseum finden Sie hier
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