AK-Kinderbetreuungsatlas
"Melden nicht für wertloses Produkt"

- Der aktuelle AK-Kinderbetreuungsatlas über die Betreuungssituation in den einzelnen Gemeinden sorgt für Wirbel.
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Kinderbetreuungsatlas der Arbeiterkammer sorgt im Bezirk bei Eltern und Ortschefs für Kopfschütteln.
BEZIRK (ebd). "Ich fühle mich verarscht", sagt ein Bürger aus dem Bezirk Schärding, der anonym bleiben möchte zur BezirksRundschau. Obwohl im jüngsten Kinderbetreuungsatlas der Arbeiterkammer die Gemeinde, in der die Familie wohnt, sehr gut abgeschnitten hat, gibt es dort gar keine Betreuung für unter Dreijährige. Ein derartiges Angebot wäre aber für eine gute Kategorisierung nötig. "Da frage ich mich, wie da zwei Elternteile arbeiten gehen sollen", so der Betroffene. Kein Einzelfall, wie Recherchen zeigen. Denn es sind nicht nur Bürger, die sich über die Kategorisierung des AK-Atlas beschweren – sondern auch Bürgermeister.
"Der AK-Kinderbetreuungsatlas ist nur die halbe Wahrheit. Alle Daten werden dort ungeprüft eingemeldet."
Einer davon ist Eggerdings Ortschef und Gemeindebundpräsident Johann Hingsamer: "Der AK-Kinderbetreuungsatlas ist nur die halbe Wahrheit. Alle Daten werden dort ungeprüft eingemeldet. Er stellt nur sehr mangelhaft die Situation in Krabbelstuben und Kindergärten dar. Zusatzangebote wie Kindernester oder Tagesmütter werden gar nicht berücksichtigt." Wie Hingsamer betont, gibt es ja die Angebote, aber eben nicht nur institutionelle. "Die Öffnungszeiten werden bei uns etwa einmal im Jahr mit den Wünschen der Eltern abgestimmt. Außerhalb dieser Zeiten betreut ergänzend zum Kindergarten eine Tagesmutter in einem Raum der Gemeinde. Auch unter Dreijährige können durch eine Tagesmutter betreut werden." Für Hingsamer Grund genug, keine Daten mehr an die Arbeiterkammer zu übermitteln. "Wir melden nicht für ein halbfertiges und wertloses Produkt, damit man uns dann schlecht macht. Entscheidend ist nicht, was sich die Arbeiterkammer wünscht, sondern was sich die Eltern wünschen."
"Rebellische" Innviertler
Das sehen wohl auch andere Gemeinden so – vor allem aus dem Innviertel. Laut AK wurden an 438 oberösterreichsiche Gemeinden Fragebögen ausgesandt. 412 haben mitgemacht – 26 nicht. Davon waren vier aus dem Bezirk Schärding – Eggerding, Wernstein, St. Willibald und Mayrhof. Aus dem Bezirk Ried waren es gar 15. Kein Verständnis dafür hat Erika Rippatha, Leiterin des Frauenbüros der AK Oberösterreich. "Das kann ich nicht verstehen, weil viele Gemeinden, die wenig Kinderbetreuung bieten, mitgemacht haben. Viele Bürgermeister wissen, dass eine gut ausgebaute institutionelle Kinderbetreuung mitunter für junge Menschen ein Grund ist, sich in einer Gemeinde anzusiedeln. Das ist ein Wettbewerbsvorteil und eine wirksame Maßnahme gegen die Landflucht junger Menschen."
Vergleichsmöglichkeit bieten
Zu den übrigen Vorwürfen meint Rippatha: "Uns geht es nicht darum, Gemeinden mit unzureichendem Betreuungsangebot an den Pranger zu stellen – ganz im Gegenteil: Wir wollen Eltern Vergleichsmöglichkeiten bieten, Gemeindeverantwortlichen Impulse für Verbesserungen geben sowie kommunale Bemühungen und positive Entwicklungen beispielhaft aufzeigen."
Dass alternative Betreuungsformen wie Tagesmütter und Co. nicht berücksichtigt werden, bestreitet die AK-Expertin: "Das stimmt so nicht. Auch alternative Betreuungsformen wie Tagesmütter, betriebliche Betreuungsangebote, Spielgruppen oder Omadienste werden im Kinderbetreuungsatlas unter der Rubrik 'Weitere Betreuungsangebote' angeführt." Dennoch nimmt sich die AK die Kritik zu Herzen. "Selbstverständlich sind wir für jedes konstruktive Feedback offen und wir bemühen uns, Anregungen für die nächstjährige Ausgabe zu berücksichtigen."
Zur Sache
Der AK-Kinderbetreuungsatlas kategorisiert Gemeinden nach 12 Kriterien in sechs Kategorien. 1A ist die höchste Bewertung – und zwar, wenn alle 12 Kriterien erfüllt sind. Kategorie E steht für die schlechteste – weniger als drei erfüllte Kriterien. Erstmals wurden beim jüngsten "Atlas" die Angebote für drei Altersgruppen – unter Dreijährige, Drei- bis Sechsjährige, Volksschulkinder – systematisch erfasst und nach folgenden Kriterien beurteilt: Öffnungszeiten (unter Dreijährige mindestens sechs Stunden pro Tag, Drei- bis Sechsjährige mindestens acht Stunden, Volksschulkinder mindestens vier Stunden nachmittags; jeweils Montag bis Donnerstag), Mittagessen (Montag bis Donnerstag), Sommerferienbetreuung (höchstens vier Wochen geschlossen) und Schließzeiten pro Arbeitsjahr (maximal fünf Wochen geschlossen).
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