Landeshauptstadt St. Pölten
Prozess um schweren Raub voll Widersprüche
Den Angaben eines 18-jährigen Syrers zufolge brachte die Staatsanwaltschaft St. Pölten einen 23-jährigen Asylwerber aus Libyen auf die Anklagebank. Der Vorwurf des schweren Raubes hätte ihn viele Jahre hinter Gitter gebracht. Nun konnte er nach dem Schuldspruch aus der Haft entlassen werden.
ST. PÖLTEN. Der Angeklagte ist kein unbeschriebenes Blatt. Nach einer teilbedingten Freiheitsstrafe in Wien saß er zuletzt drei Monate von einer teilbedingten Haftstrafe nach einem weiteren Urteil ab, von wo aus er unmittelbar danach in St. Pölten in Untersuchungshaft übernommen wurde.
Den Vorwurf des schweren Raubes wies der Beschuldigte laut Verteidiger Reinhard Berger zurück. Allerdings änderte er auch seine ursprüngliche Verantwortung, in der er behauptet hatte, am 22. Dezember vergangenen Jahres nicht in St. Pölten gewesen zu sein, oder kenne er den Syrer nicht. Sichergestellte Chats sagen etwas anderes. „Wo bist du, Bruder? Ich warte!“, „Wenn du mir das Geld nicht gibst, verkaufe ich dein Handy!“
Die Version des Libyers vor Gericht
Er habe sich mit dem Syrer in St. Pölten am Bahnhof getroffen, um 200 Euro Schulden für Haschisch einzutreiben. Weil dieser das Geld nicht hatte, habe er ihm freiwillig seine Umhängetasche, in der sich Handy, Bankomatkarte, E-Card, Reisepass und 50 Euro befanden, als Pfand überlassen. Als er sich abermals mit dem 18-Jährigen traf und dieser ihm 150 Euro überreicht habe, gab er ihm die Tasche, in die der Libyer nicht einmal hineingeschaut haben will, wieder zurück.
„Das kann ich mir nicht vorstellen“,
so der Richter, „dass er Ihnen das alles freiwillig überlassen hat.“ In der Aussage des Syrers vor der Polizei war davon die Rede, dass er von dem Dealer und einem Tunesier in ein Stiegenhaus gedrängt worden sei. Der Angeklagte habe ein Messer aus der Tasche gezogen, es aufgeklappt und etwa in Hüfthöhe gegen ihn gehalten. Mit der Drohung, ihm das Gesicht zu verletzen, habe ihn der 23-Jährige am Nacken nach unten gedrückt und ihm die Tasche abgenommen.
Das Urteil
Als Zeuge vor Gericht verwickelte sich der 18-Jährige in zahlreiche Widersprüche, sodass der Schöffensenat den Vorfall schließlich als Nötigung wertete und der Angeklagten eine Zusatzstrafe in Höhe von einem Monat erhielt, die er bereits in U-Haft verbüßt hatte. Die Tasche sei nur ein Pfand gewesen, das man in den entsprechenden Kreisen vorübergehend an sich nimmt, meinte der Richter.
„Ein salomonisches Urteil“,
so Berger, dessen Mandant nun wieder auf freiem Fuß ist.
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